Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)
Schweigen.
Schließlich ergriff Caroline das Wort. »Aber als meine Mutter erfuhr, dass ihr Sohn in Sicherheit war und dass du Philip beschützt und dieses unglaubliche Martyrium überstanden hattest, muss sie doch ungeheuer dankbar gewesen sein.«
Bette meinte nur: »Ich habe keine Ahnung, wie sie reagiert hat, als sie die Nachricht erhielt. Aber es war natürlich ein bewegender Moment, als wir uns alle wiedersahen.«
»Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie ihr euch gefühlt habt. Wie war die Überfahrt nach Australien?«, wollte Caroline wissen.
»Wunderbar. Alle waren so freundlich zu uns und so großzügig, vor allem die Leute vom Roten Kreuz. Es gab reichlich zu essen, und ich konnte sehen, wie Philip von Tag zu Tag aufblühte. Kinder sind oft unglaublich robust. Aber wir hatten alle eine harte Zeit hinter uns und waren ziemlich angeschlagen. Die Umstellung war nicht einfach – es fiel uns sogar schwer, uns an weiche Betten zu gewöhnen.«
»Und dann seid ihr in Brisbane angekommen«, sagte Caroline.
Bette schloss kurz die Augen und seufzte. »Meine Mutter, mein Vater und Margaret warteten am Kai auf uns, wo ein ziemliches Gedränge herrschte. Zuerst wurden die verwundeten Soldaten an Land gebracht. Ich musste darauf achten, dass Philip in der Menge auf dem Kai nicht verlorenging oder zerquetscht wurde, und so war ich innerlich gar nicht auf das Wiedersehen mit meinen Eltern vorbereitet. Als ich sie erblickte, wollte ich mich einfach nur in ihre Arme werfen wie ein kleines Kind. Margaret weinte und drückte Philip so fest an sich, dass er kaum mehr Luft bekam, dabei bin ich nicht sicher, ob der arme kleine Kerl sie überhaupt erkannte. Ich hatte ihm unaufhörlich davon erzählt, dass er seine Mummy wiedersehen und nach Hause fahren würde. Daher war er ganz aufgeregt, aber auch durcheinander, weil ihm niemand bekannt vorkam.«
»Bestimmt haben sich auf dem Kai viele berührende Szenen abgespielt«, sagte Julie.
»Allerdings. Aber mein Vater war großartig. Er nahm Philip hoch, ließ ihn auf seinen Schultern reiten, zeigte ihm die vielen Schiffe auf dem Fluss und ließ ihn im Auto vorne sitzen, so dass Philip, als wir zu Hause ankamen, ganz glücklich wirkte. Doch ich merkte bald, dass er, sobald ich außer Sicht war, ziemlich scheu war und nach mir suchte. Mutter kochte ihre wunderbaren Mahlzeiten, damit wir wieder zunahmen. Wir waren ja immer noch schrecklich mager. Und sie erklärte Margaret, sie dürfe nicht erwarten, dass der Junge die ganze Zeit bei ihr auf dem Schoß sitze und sich ankuschele. ›Lass ihm Zeit, dann kommt er schon‹, meinte sie. Margaret fiel das natürlich schwer. Sie hatte dreieinhalb Jahre von Philips Leben versäumt und wollte die Beziehung zu ihm ohne Umschweife wiederaufnehmen.
Ich war einfach nur glücklich, wieder daheim zu sein. Bei einem Rundgang durch den Garten habe ich einfach losgeheult. Im Lager hatte ich mit den Erinnerungen an dieses Haus, mein Zimmer, den Garten gelebt, hatte mir alles vor Augen gerufen, um nicht durchzudrehen. Und jetzt alles so vorzufinden, wie ich es mir vorgestellt hatte, nur noch friedlicher, der Garten noch schöner, mit dem Gezwitscher der Vögel – da habe ich die Fassung verloren. Alles, was sich über die Jahre angestaut hatte, die ständige Angst um Philip, kam plötzlich hoch. Mein Vater hat mich schließlich gefunden, wie ich weinend auf der Schaukel saß. Er hat einfach die Hand auf meinen Kopf gelegt, bis ich mich ein bisschen beruhigt hatte, dann haben wir zusammen noch einen Spaziergang durch den Garten gemacht. Er erzählte von dem Gemüse, das er anbaute, was sich in der Nachbarschaft so getan hatte und dass er vorhätte, das Haus zu streichen. Als Philip rauskam und nach mir rief, tätschelte Dad meine Schulter und sagte nur: ›Ich bin stolz auf dich. Ich weiß, dass du für den Rest deines Lebens zufrieden und glücklich sein wirst.‹ Und das war ich auch.«
»Mein armer Bruder! Wie hat er sich in seinem neuen Leben zurechtgefunden?«, fragte Caroline.
»Das hat gedauert. In den ersten Nächten ist er regelmäßig aus seinem Zimmer geschlichen und hat sich zu mir ins Bett gekuschelt, wie wir es so lange getan hatten. Und frühmorgens habe ich ihn wieder in sein Bett gelegt, damit Margaret nichts merkt. Dann hat mein Vater vorgeschlagen, dass ich ein paar Tage wegfahre. Einen Urlaub konnte ich gut gebrauchen, und Philip hatte so die Chance, sich ohne mich an seine Mutter und seine neue Umgebung zu gewöhnen.
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