Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)
Lust dazu hast. Ich hab mir für heute Nachmittag eine Häkelarbeit vorgenommen.«
Also spielte Bette mit Philip am Tisch auf der Veranda, brachte ihm Zahlen bei und malte mit ihm zusammen Bilder. Doch sie musste zugeben, dass er genauso gern mit Ah Min, seiner Amme, spielte oder auch mit der Wäscherin. Und was Margaret betraf, gab es für sie wenig anderes mit ihrem Kind zu tun, als ihm morgens und abends vor dem Schlafengehen einen Kuss zu geben.
Je länger Bette bei ihnen war, umso deutlicher wurde Margaret und Roland bewusst, dass sie nicht nur die fröhliche Schwester aus Australien war, sondern auch eine ernste Seite besaß. Beide fanden, dass sie viel Selbstdisziplin besaß. So kontaktfreudig sie war, sie konnte sich auch sehr gut allein beschäftigen. Dann setzte sie sich mit ihrem Skizzenblock in einen ruhigen Winkel und zeichnete die Landschaft, Menschen, den Alltag auf der Plantage.
Wenn Eugene sie ins Herrenhaus einlud, ging sie oft lieber zu Fuß, statt mit Margaret und Roland zu fahren. Den zwanzigminütigen Spaziergang auf dem schmalen Feldweg zwischen Bäumen und Rodungsflächen fand sie immer interessant.
Aber ihr Lieblingsort war der Fluss, und wenn Eugene oder Roland zum Vorratslager oder in die Räucherkammer mussten, wo der Milchsaft aus den Kautschukbäumen weiterverarbeitet wurde, nahmen sie Bette mit. Dann setzte sie sich mit ihrem Block ans Flussufer und machte Kohlezeichnungen oder detailgetreue Bleistiftskizzen.
Bei einem Spaziergang am Ufer sah sie einmal mitten im Fluss ein Krokodil auftauchen, das sich, den Blick auf sie geheftet, wie ein dicker knorriger Ast mit der Strömung treiben ließ. Schnurstracks lief sie zum Ladeplatz zurück und erzählte Roland davon.
»Ich hab dir doch gesagt, du sollst nicht zu weit flussabwärts gehen! Vor ein paar Wochen ist dort eins der Dorfkinder verschwunden.«
»Margaret hat gesagt, dass es irgendwo eine Stelle gibt, wo man schwimmen kann. Ist es da ungefährlich?«, fragte Bette.
»Das ist ziemlich weit flussaufwärts. Dad hat einen Pagar in den Fluss gebaut, weil schon eine Hütte da war. Ein Pagar ist ein durch Bambus abgezäunter Bereich, wo man schwimmen kann, ohne von Krokodilen behelligt zu werden. Ziemlich hübsch da. Am Ufer ist das Gras gemäht, und große Bäume spenden Schatten, man findet also Zuflucht vor der Hitze. Mit Philip war ich noch gar nicht dort. Vielleicht sollte ich da oben mal eine Begehung machen, wir experimentieren jetzt nämlich mit Palmöl und haben einen neuen Aufseher für das Gebiet. Der Pagar liegt mitten im Dschungel, weil dort noch kaum etwas gerodet wurde. Die Hütte ist also ziemlich primitiv eingerichtet, nur eine große Veranda und ein halbes Dutzend Betten.«
»Klingt spannend. Da möchte ich zu gerne hin.«
Roland sprach mit Margaret über die Idee, aber sie konnte sich zumindest im Moment nicht für den Ausflug erwärmen, weil das Pferderennen in Penang bevorstand.
»Wir machen das aber auf jeden Fall, bevor du nach Australien zurückfährst. Du bleibst ja noch ein paar Monate hier, und Margaret hat recht: erst einmal Penang. Georgetown wird dir auch gefallen. Eine interessante alte Stadt«, sagte Roland.
Bette war noch nie bei einem Pferderennen gewesen. Margaret schien sich mehr für die Menschen und den neuen Penang Turf Club als für die Pferde zu interessieren. Alle waren schick, ja extravagant gekleidet und freuten sich auf einen vergnüglichen Tag. Offenbar kannten Roland und Eugene hier alle Welt. Vor jedem Rennen kam man im Clubhaus, auf der Terrasse und auf dem gepflegten Rasen zum Plaudern zusammen.
Roland stellte Bette und Margaret einem auffallend attraktiven chinesischen Paar vor, Tony Tsang und seiner schönen Frau Mai Ling. Beide waren groß und makellos gekleidet. Tony Tsang trug einen weißen Anzug, seine Frau ein seidenes Cheongsam. Ihr glattes dunkles Haar war zu einem Nackenknoten aufgesteckt, den eine juwelenbesetzte Nadel hielt, und sie trug erlesenen Schmuck mit Jade und Diamanten.
»Tony und ich haben uns auf der Uni kennengelernt«, erklärte Roland.
»Und Sie leben in Penang?«, fragte Bette.
»Ich bin in unserem Familienunternehmen tätig«, sagte Tony.
»Er hat es schlau angestellt. Sitzt im Büro und muss nicht auf Plantagen herumkrebsen«, meinte Roland freundlich.
Später erklärte er Margaret und Bette, dass Tony und Mai Ling aus sogenannten Peranakan-Familien stammten. Ihre Vorfahren waren im 17. und 18. Jahrhundert an die Straße von Malakka gekommen,
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