Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)
Hereinkommende Güter wurden gelöscht. An der Reling des Dampfers aus Singapur standen die Reisenden, beobachteten das Treiben an den Hafenanlagen und suchten nach vertrauten Gesichtern, während sie darauf warteten, dass die Laufplanke gelegt wurde und sie an Land gehen durften.
Roland in seinem weißen Anzug mit dem Stehkragen überragte die Menge am Kai um mehr als Haupteslänge. Er winkte Margaret zu, die den kleinen Philip an der Hand hielt, während der Zweijährige aufgeregt herumhopste. Die andere Hand des Jungen hielt Margarets Schwester Bette.
Die beiden sahen sich zwar durchaus ähnlich, doch Bette war kleiner als Margaret; sie hatte weiblichere Formen und langes dichtes Haar, in dem der Wind spielte. In ihrem leichten Sommerkleid sah sie jünger aus als ihre zwanzig Jahre. Margaret hingegen, mit Kostüm und keckem Hütchen, kleidete sich lieber elegant, vor allem seit sie den einheimischen Schneider mit der reichen Auswahl an indischer Seide und feiner ägyptischer Baumwolle entdeckt hatte. Die regelmäßig ins Haus kommenden Modemagazine gaben reichlich Anregungen für Modelle, die der Schneider geschickt umzusetzen wusste. Dass sie sich manchmal ein bisschen zu sehr herausputzte, gab sie selbst zu, aber sie glaubte, als Mrs. Roland Elliott von der Plantage Utopia Maßstäbe setzen zu müssen, zumal ihr reges gesellschaftliches Leben ein gewisses Modebewusstsein zu erfordern schien. Daher hielt sie diesen Luxus für gerechtfertigt. Was dagegen das Haus betraf, stellte sie nach der anfänglichen Hektik des Kissen- und Vorhängenähens keine allzu großen Ansprüche. Sogar das Kinderzimmer war ziemlich spartanisch eingerichtet. In ihrem geliebten Garten erlegte sie sich dagegen weniger Zurückhaltung auf. Sie hatte ihn selbst entworfen und dafür gesorgt, dass der Gärtner sich tagtäglich darum kümmerte. Inzwischen sah er ziemlich hübsch aus.
Jetzt war die Laufplanke an Ort und Stelle, und Roland beobachtete lächelnd, wie sein Sohn die Hand der Mutter losließ und, Bette hinter sich herziehend, zwischen den Erwachsenen vorwärtsdrängelte, bis er unten am Kai angelangt war.
Roland nahm ihn hoch und schwang ihn durch die Luft. »Hallo, junger Mann. Meine Güte, bist du gewachsen! Hast du deinen Papa vermisst?«
Statt einer Antwort legte der kleine Junge die Arme um Rolands Hals und drückte ihn ganz fest.
Roland reichte Bette die Hand. »Nett, dich kennenzulernen, Bette. Wie war die Reise?«
»Wunderbar. Es ist so aufregend hier. Ich glaube, Philip hatte Sehnsucht nach dir.« Sie sah sich nach Margaret um. »Ich muss Margie helfen. Der Himmel weiß, wo unser Gepäck geblieben ist.«
»Da braucht ihr euch keine Sorgen zu machen. Der Wahnsinn hier hat Methode. Hamid kümmert sich darum. Hallo, meine Liebe.« Er befreite sich aus Philips Klammergriff und setzte ihn sich auf die Hüfte. Dann umarmte er seine Frau und küsste sie auf den Mund. »Alles gut gelaufen? War der Junge brav?«
»Ein verwöhnter Fratz. Aber alle fanden ihn einfach entzückend. Es kann aber nicht schaden, wenn er daheim wieder einen geregelten Alltag hat. Drei Monate in Brisbane waren einfach zu lang. Und das auch noch ohne Unterstützung durch die Amah«, meinte Margaret.
»Wir können im Auto reden. Hamid holt das Gepäck. Bloß raus aus diesem Gedränge. Das muss ja ziemlich aufregend für dich sein, Bette.« Roland ging mit Philip, der auf seinen Schultern reiten durfte, voraus.
»Ich finde das alles ungeheuer spannend«, bekannte Bette. »So ein Trubel, nicht so groß wie Singapur, aber genauso bunt.«
Roland sah, wie sie sich mit leuchtenden Augen und glücklichem Lächeln umschaute. »Es gibt noch viel mehr zu sehen. Trinken wir erst einmal etwas Kühles, bevor wir fahren«, schlug er vor. Margaret hängte sich bei Roland unter, als sie den Kai entlanggingen.
»Wie war’s in Brisbane? Geht es deiner Familie gut? Dass Philip dabei war, hat sie sicher gefreut. Hier haben ihn jedenfalls alle vermisst.«
»Er stand immer im Mittelpunkt. Aber es war anstrengend, mich allein um ihn zu kümmern. Bette hat mir natürlich geholfen. Und Mutter hat ihm beim Zubettgehen vorgelesen und Kuchen und Kekse für ihn gebacken. Immerhin hat unser Besuch Vater abgelenkt. Er brütet stundenlang über der Zeitung oder sitzt vor dem Radio. Der Krieg in Europa macht ihm und allen anderen zu Hause schreckliche Sorgen.«
Rolands Blick wanderte wieder zu Bette. »Ja, das ist schlimm dort.«
»Aber hier kann uns nichts passieren. Nach
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