Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)
schwarzen Haaren sah sie jedenfalls so aus. Als einziger Kundin, die zwischen Büchern, Schnitzereien, Kunsthandwerk und Souvenirs stöberte, galt ihr die ungeteilte Aufmerksamkeit der Museumsmitarbeiterin.
»Suchen Sie etwas Bestimmtes?«, fragte die Frau.
Julie schüttelte den Kopf. »Eigentlich nicht. Alles ist so interessant.«
»Sind Sie zum ersten Mal in Sarawak? Bleiben Sie länger? Wohin fahren Sie weiter?«
»Ich bin mit Freunden unterwegs, die mich flussaufwärts zu den dort lebenden Iban mitnehmen. Ich wollte etwas mehr über sie erfahren, bevor wir aufbrechen.«
»Sind Sie Touristin? Wissenschaftlerin oder Geschäftsfrau?«
»Eher Touristin. Nur dass meine Familie früher in Malaya gelebt hat, ich bin also auf Spurensuche.«
»Hat Ihr Großvater im Krieg gekämpft? Sie sind doch Australierin, das erkenne ich am Akzent.«
»Mein Großvater war Engländer. Er hatte eine Plantage bei Slim River, und ich bin zum ersten Mal hier.«
»Sie erforschen die Familiengeschichte? Wir haben hier eine Menge Familienchroniken. Ich leite nämlich auch die Bibliothek«, sagte die Frau.
»Das Museum ist hervorragend. Ich meine, die Sammlung ist einfach beeindruckend.«
»In der Nachkriegszeit bis in die sechziger Jahre hatten wir einen großartigen Kurator. Ein richtig exzentrischer Engländer, sehr interessanter Charakter. Ich bin Mrs. Ping. Wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann …«
»Vielen Dank. Ehrlich gesagt, habe ich überlegt, ob Sie wohl etwas über meine Großtante wissen. Anfang der siebziger Jahre hat sie ein Buch über ihre Erlebnisse hier verfasst …«
»Das haben viele getan, vor allem Männer, die ihre Abenteuer schildern. Wie heißt denn Ihre Tante?«
»Bette Oldham. Sie hat über ihre Zeit bei den Iban geschrieben.«
»Ja, klar, das kenne ich. Vor ein paar Monaten hatten wir ein Exemplar hier. Ein seltenes Buch. Ich glaube, wir haben es verkauft. Hat sie sich nicht auch für die Orang-Utans interessiert?«
»Leider kann ich das nicht beantworten. Ich weiß nur, dass ihr Buch von ihrem Besuch auf Borneo und ihrer Zeit bei den Iban handelt. Hat sie denn über Orang-Utans geschrieben?«
Mrs. Ping kniff die Augen zusammen und rieb sich die Nase. »Da muss ich überlegen. Auf jeden Fall hat sie eine Art Broschüre verfasst. Die Abholzung, die den Tieren solche Schwierigkeiten macht, war damals noch nicht so weit fortgeschritten wie heute. Aber in den siebziger Jahren ging es dann richtig los. Vielleicht hat Ihre Tante das Problem sogar als Allererste gesehen.«
»Wenn ich sie doch nur kennengelernt oder mehr über sie erfahren hätte.«
»Womöglich leben noch Leute, die sie gekannt haben«, meinte Mrs. Ping.
»Wirklich, glauben Sie, dass sich jemand an sie erinnert? Meine Tante würde jetzt auf die neunzig zugehen.« Der Gedanke, sich mit jemandem zu treffen, der Bette gekannt hatte, faszinierte Julie.
»Ich werde versuchen, das für Sie herauszufinden. Wo wohnen Sie? Haben Sie eine Handynummer?«
»Ja. Das ist wirklich nett von Ihnen. Allerdings fahren wir in ein, zwei Tagen flussaufwärts, da gibt’s wahrscheinlich keinen Empfang. Ich melde mich bei Ihnen, sobald wir wieder da sind.«
»Vielleicht wollen Sie ja vor Ihrer Abreise noch das Schutzgebiet besuchen? Ich arbeite ehrenamtlich dort und kann Sie gerne mitnehmen. Hier ist meine Telefonnummer. Rufen Sie mich an, wenn Sie Zeit haben.«
»Sie meinen, Sie würden mich zu den Orang-Utans mitnehmen? Das wäre phantastisch! Ich muss nur vorher mit meinem Bekannten sprechen, der die Reise zu den Iban organisiert. Er ist Anthropologe, und ich darf ihn und sein Team begleiten.«
»Glückwunsch! Wie heißen Sie übrigens?«
»Entschuldigung. Ich bin Julie. Julie Reagan.«
»Ich bin Angie Ping. Dann bis bald!«
Als Julie David von ihrer Begegnung mit Angie Ping im Museumsbuchladen erzählte, freute er sich für sie.
»Na bitte! Ich wusste, dass es dir hier gefallen würde. Es gibt so viel zu sehen.« Er umarmte sie. »Wir werden so viel Spaß haben.«
Unwillkürlich wich Julie einen Schritt zurück. Davids Begeisterung war ihr ein wenig zu heftig, und obwohl sie gern mit ihm zusammen war und er ihr unschätzbare Dienste leistete, fand sie ihn manchmal ein bisschen anstrengend.
»Wie kommen Matthew und Barry mit den Vorbereitungen voran?«, fragte sie.
David runzelte die Stirn und seufzte. »Die üblichen Verzögerungen. Die Leute, die das Boot auf der letzten Dschungelteilstrecke flussabwärts bringen sollen, müssen an
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