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Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)

Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)

Titel: Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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war als die Menschheit.
    Gerade war ein kleiner Bus mit einer Reisegruppe eingetroffen. Jetzt trotteten die Touristen im Gänsemarsch hinter ihrem Führer her zu einem Zaun. Dahinter befand sich in einigen Metern Höhe eine um einen Baum herum gebaute Plattform. Drahtseile und Trossen bildeten Verstrebungen zwischen Plattform und Baum, und als Julie sich umsah, entdeckte sie tiefer im Wald zwischen den Bäumen noch mehr dieser Konstrukte. Ein Wildhüter in schicker Khakiuniform brachte einen mit zerschnippelten Jackfrüchten, Ananas und Bananen gefüllten Eimer und kippte ihn auf der Plattform aus. Die Touristen am Zaun drängelten sich, die Kameras im Anschlag, möglichst weit nach vorne.
    »Kümmere dich nicht darum«, riet Angie, »Folge lieber mir.« Sie führte Julie hinter einem kleinen Gebäude vorbei, dann durch einen kurzen Tunnel und über eine Brücke. Plötzlich waren sie auf einem schmalen Pfad, der in den dichten Wald führte. Die Schlingpflanzen an den hoch über ihnen aufragenden Bäumen schienen die Giganten miteinander zu verzurren, und durch das Blätterdach hindurch konnte man den Himmel oft nur erahnen. Sie hatten eine fremde Welt betreten.
    Es war ganz still. Und sehr feucht. Julie fühlte, wie ihr der Schweiß übers Gesicht rann und ein Bächlein zwischen dem Busen ihre Bluse durchnässte. Das plötzliche Kreischen eines Vogels ließ sie zusammenfahren. Angie ging langsam voraus und zeigte stumm auf Wurzeln, die sich quer über den Weg schlängelten, damit Julie nicht strauchelte. Alle paar Schritte blieb Julie stehen und sah sich um. Der Dschungel war überwältigend. Und dann hielt Angie inne und zeigte nach oben. Ein großer Vogel flog von einem Baum auf, dessen Äste zu wippen begannen.
    »Sie kommen«, flüsterte sie.
    Den Kopf in den Nacken gelegt, schauten die Frauen hinauf. Der Baum bebte, ein paar Zweige fielen herunter. Dann tauchte plötzlich zwischen den Blättern eine dunkle Gestalt auf, und Julie sah entzückt, wie sich ein Orang-Utan in dem Baum über ihnen mit Hilfe seiner Füße, Arme und Hände von Ast zu Ast schwang.
    »Das ist Carla. Ein junges Weibchen, etwa drei Jahre alt«, erklärte Angie leise. »Ihre Mutter ist bestimmt auch in der Nähe. Die ersten vier, fünf Jahre entfernen sich die Jungen nämlich nie weit von ihren Müttern.«
    »Da ist sie«, sagte Julie aufgeregt. Sie konnte kaum glauben, dass sie diese großen, zotteligen, gelbbraunen Primaten tatsächlich in freier Wildbahn beobachten konnte, und bewunderte die leichtfüßigen Bewegungen der Mutter, an deren Seite sich ein Baby mit hellen Augen klammerte. Dann hielten die Affen inne und begannen Samen von den Ästen über ihnen zu klauben. Ein schriller Schrei, und unversehens gesellte sich ein noch etwas größerer Orang-Utan dazu, der sich von Ast zu Ast schwang und dann einige Blätter abbrach.
    Julie griff nach ihrer Kamera und zoomte auf die Orang-Utans, die fraßen und sich putzten und ihr Publikum dabei vollkommen ignorierten. In ihrer Faszination verlor sie jegliches Zeitgefühl und hörte erst auf, Fotos zu schießen, als Angie ihr anbot, eines von ihr mit den Orang-Utans im Hintergrund zu machen. Doch ehe es dazu kam, wurden sie von unangenehm lärmenden Stimmen unterbrochen. Die kleine Touristengruppe eilte mit vor Hitze und Anstrengung geröteten Gesichtern auf sie zu und blieb erst stehen, als sie Julie und Angie sahen.
    Schnell hatten sie die Affen in den Bäumen entdeckt, und es gab viel Geplapper, Rufe und hektisches Gefummel mit den Videokameras. Julie ärgerte sich über die geschmacklosen Witze und banalen Bemerkungen der Leute.
    »Als wir sie beim Fressen an der Futterstelle gesehen haben, waren wir viel näher dran als hier«, beschwerte sich ein Mann.
    »Aber so machen sie es eben in der Wildnis«, entgegnete eine Frau.
    »Sorg mal dafür, dass das Baby sich umdreht und wir sein Gesicht sehen können. Tu doch was, George.«
    George schnalzte mit der Zunge, er zischte und machte Kussgeräusche, bevor er dann sogar mit einem herrischen »He!« in die Hände klatschte.
    Ein japanischer Tourist, der noch kein einziges Mal vom Display seiner Kamera aufgesehen hatte, sprach hektisch mit seiner Frau und war offenbar ebenfalls nicht glücklich über Georges Mätzchen. Die Orang-Utans offenbar auch nicht, denn sie suchten rasch das Weite.
    George drehte sich um. »War’s das schon?«, fragte er den Führer. »Kommen sie zurück oder was? Wo sind die anderen? Man hat uns gesagt, hier wären

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