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Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)

Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)

Titel: Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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nicht aggressiv, aber Sie haben ja heute gesehen, wie dämlich sich manche Touristen aufführen. Die Leute vergessen, dass wir uns in ihrem Revier befinden. Immerhin wiegt Ritchie mehr als hundert Kilo, da sollte man besser auf der Hut sein.«
    Sie gingen zurück zum Informationszentrum, und Angie zeigte Julie die Fotografien und Biographien aller Orang-Utans, die im Schutzgebiet ausgewildert worden waren.
    »Sehen Sie nur, was für ein mitleiderregendes Kerlchen Ritchie mal war«, sagte Angie und wies Julie auf einen Artikel mit Foto in der Lokalzeitung hin. Er handelte von einem Orang-Utan-Baby, das von Wilderern in einem Käfig gehalten worden war.
    Julie betrachtete das Foto. »Ach, das arme kleine Ding! Und das ist zwanzig Jahre her? Wurde er von dem Reporter gerettet?«
    »Ja, der Mann hieß James Ritchie. Er war an einer Story über Wilderer und illegalen Wildtierhandel dran und hatte sie am Nanga-Sumpa-Iban-Langhaus aufgespürt. Nanga ist das Iban-Wort für Flussmündung. Eigentlich wollte James sie festnehmen, was in solchen Fällen auch Zivilisten erlaubt ist, doch sie befanden sich mitten in der Wildnis – weit und breit keine Polizei. Also hat er ihnen das arme Ding für fünfzig Ringgit abgekauft und es mitgenommen. Damals war der Kleine etwa sechs Monate alt. James ließ ihn entwurmen, und tags drauf kamen Forstbeamte und haben ihn hierher gebracht. Der Minister fand es eine nette Idee, den kleinen Orang-Utan nach seinem Retter zu benennen, so ist er zu seinem Namen gekommen.«
    »Wow. Tolle Geschichte.«
    »Kommen Sie, wir schauen mal, ob wir die liebe alte Großmutter finden.«
    Angie führte Julie zu einem freistehenden Haus, in dem sich die Kranken- und Pflegestation für Orang-Utans befand. Neuankömmlinge, so erklärte Angie, wurden hier versorgt, bis sie kräftig genug waren, um freigelassen zu werden.
    »Hinten gibt es eine Ruhezone, und dort ist die Großmutter.« Angie nahm mehrere Bananen und ging zu einer kleinen Lichtung, wo sie in die Bäume hinaufschaute und rief und pfiff.
    »Naaaana, naaana. Komm, komm her.« Dann spitzte sie die Ohren und wiederholte nach einer Weile ihren Ruf.
    »Was ist das? Sehen Sie, da oben!«, rief Julie aus, als sie auf einem Hauptast einen Orang-Utan mit einem ganz kleinen Baby entdeckte.
    Die Bananen in der ausgestreckten Hand, trat Angie näher.
    »Das ist Booma. Sie ist sehr alt, eine vielfache Großmutter. Und das ist ihr Baby. Ihr letztes. Tschtschtsch, na, komm her«, lockte Angie leise.
    Julie konnte sich gut vorstellen, dass das alte Weibchen eine Großmutter war. Ihr strähniges, stumpfes Fell wies kahle Stellen auf. Sie hatte auch keine glänzenden, schnell hin und her huschenden Augen wie die anderen Orang-Utans vorhin im Wald, sondern sah müde aus.
    »Armes altes Mädchen«, sagte Julie. »Ihr Baby ist noch sehr klein. Geradezu winzig.«
    »Ich hab mich mal um dieses alte Mädchen gekümmert, als es krank war. Inzwischen lebt sie wieder im Wald, kommt aber regelmäßig her, um sich ihre Bananen abzuholen. Sie weiß, dass ich immer was Leckeres für sie habe, wenn ich sie rufe.«
    Langsam, aber nicht misstrauisch kletterte das alte Orang-Utan-Weibchen vom Baum herunter und setzte sich das Kleine auf den Rücken, wo es sich festklammerte und über die Schulter seiner Mutter spähte. Angie ging in die Hocke und streckte ihr eine Banane entgegen.
    »Kommen Sie ruhig neben mich. Das stört sie nicht.«
    Julie wagte kaum zu atmen, als sie sich langsam neben Angie kauerte. Die ältliche Mutter tapste zu ihnen, schnappte sich die Banane und schälte sie sorgfältig, bevor sie sie aß.
    Angie gab Julie ein paar Erdnüsse, die sie in der Tasche gehabt hatte. »Halten Sie ihr die auf der Handfläche hin.«
    Julie tat wie geheißen, und zu ihrem Entzücken schnellte eine faltige ledrige Hand nach vorne und griff sich ein paar Nüsse. Booma zerkaute sie, spuckte sie sich in die Hand und hielt den matschigen Nussbrei über die Schulter ihrem Baby hin. Es war eine gemächliche Schmauserei, und als die Nüsse verzehrt waren, kletterte das Baby weiter nach vorne und sah Julie erwartungsvoll an.
    »Ich würde die Kleine zu gern streicheln«, flüsterte Julie.
    »Manchmal erlaubt sie, dass ich ihre Babys berühre. Aber solange sie noch so klein sind, ist Booma sehr um sie besorgt.«
    Langsam streckte Angie den Arm aus und hielt Booma die offene Hand hin. Die alte Mutter nahm keine Notiz davon, aber das Kleine hoffte anscheinend auf weitere Nüsse und packte ihre

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