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Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)

Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)

Titel: Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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scheint es bei uns leider zu spät zu sein, die Macht des Geldes ist zu stark. Und in den Augen vieler Leute ist Modernisierung eine gute Sache. Es verheißt ein einfacheres Leben. Was mich bedrückt, ist der Verlust des Regenwaldes – um der Tiere willen. Und auch um unseretwillen. Er birgt noch so viele Geheimnisse, die wir bisher nicht gelüftet haben.«
    »Sie meinen Medizin und so etwas?«
    »Ja, auch.« Charles schickte sich an, zu den anderen zurückzugehen.
    Julie folgte ihm. »Und erwartet Ihr Großvater wirklich Hilfe von Geistern und Göttern?«
    »Wir glauben an das Summum Bonum – an eine glückliche Fügung, ein Zeichen des Wohlwollens der Götter. Tuai Rumah Jimbun hofft, dass wir mit Glück gesegnet sind, und ich wiederum hoffe, dass ihm diese Hoffnung nicht genommen wird, solange er lebt. Allerdings weiß ich, dass sich die Iban an den Wandel der Zeiten anpassen müssen.« Er hielt inne. »Aber wir versuchen, die Traditionen am Leben zu erhalten, wo unser Langhaus auch stehen mag.«
    »Das ist gut«, sagte Julie leise.
    Sie wurde nachdenklich. »Eine Tante von mir, die Schwester meiner Großmutter, hat nach dem Krieg in Malaysia gelebt. Sie war mit einem Chinesen verheiratet, weshalb sie von der übrigen Familie geächtet wurde. Aber sie hat einige Zeit bei den Iban in Sarawak verbracht, leider weiß ich nicht, wo genau. Und sie hat ein Buch darüber geschrieben. Deshalb bin ich hergekommen.«
    »Was hat sie Ihnen erzählt?«, fragte Charles interessiert.
    »Ich habe sie leider nie kennengelernt. David ist bei seinen Forschungen auf ihr Buch gestoßen. Bis dahin hatten wir nichts vom abenteuerlichen Leben meiner Großtante geahnt.«
    »Eine Abenteuerin! Es sind viele weiße Frauen nach Borneo gekommen und haben hier außerordentliche Dinge getan. Manchmal ebenso sehr für sich selbst wie für die Menschen und die Tiere des Dschungels«, sagte Charles. »Möglicherweise hat ja mein Vater oder mein Großvater von Ihrer Tante gehört.«
    »Sie hat das Buch Anfang der siebziger Jahre geschrieben. Glauben Sie wirklich, Ihr Vater Tuai James könnte etwas wissen?«
    »Ich werde ihn morgen früh fragen. Jetzt aber fängt der Tanz an. Kommen Sie mit, schauen Sie sich an, wie der Nashornvogel lebendig wird«, sagte Charles fröhlich, als sie zurück in den Ruai gingen.
    Zu Julies Überraschung waren die Festivitäten bereits weit fortgeschritten. Zwei Männer mit kunstvollem Kopfschmuck aus Federn tanzten zu Trommelklängen und Gongschlägen, dabei imitierten sie mit den Armen den gehörnten Schnabel und die schwankenden Bewegungen eines großen Vogels. Unwillkürlich musste Julie an Filme über die Corroboree-Zeremonien der Aborigines denken, wo Tänzer perfekt Emus und Kängurus nachahmten.
    Einige Mädchen zogen die Besucher zur Tanzfläche, und Matthew und David, inzwischen beide ziemlich angeheitert, versuchten mit torkelnden Schritten, den Bewegungen der geschmeidigen Tänzer zu folgen. Barry weigerte sich mitzumachen, nahm aber die Kamera zur Hand, um das Geschehen festzuhalten. Julie war einfach nur erschöpft von dem endlos langen Tag und wollte am liebsten schlafen gehen.
    Auch Charles wurde, kaum dass er sich neben Vater und Großvater gesetzt hatte, von einer hübschen jungen Frau wieder auf die Füße gezogen. Die Frauen tanzten nicht mit, klatschten aber in die Hände, lachten und feuerten die Männer an.
    Während David und Matthew sich Julies Meinung nach mit ihrem Gezappel zum Narren machten, schienen alle anderen im Raum unbeschwert den Abend zu genießen.
    Chitra tippte ihr auf die Schulter. »Wenn Sie sich schlafen legen wollen, ist das okay.«
    »Ich schleich mich unauffällig raus. Bis morgen.«
    Im Licht der Taschenlampe sah Julie, dass in dem Bilek schon zwei halbwüchsige Mädchen tief und fest auf Bodenmatten schliefen. Ihr Rucksack stand neben einer weiteren Matte mit Decke in der Ecke. Sie zog sich im Dunkeln aus, wickelte sich in einen Sarong, legte sich hin und zog sich die Decke bis zur Nasenspitze hoch, denn die Nacht war überraschend kalt.
    Zwar war weiterhin Musik zu hören, doch der Boden bebte nicht mehr so stark. Offenbar hörte man allmählich zu tanzen auf und ging zum gemeinsamen Singen über.
    Julie war nicht sicher, ob sie schon geschlafen hatte, als noch jemand in den Bilek schlurfte. Sie rollte sich zur Seite und zuckte gleich darauf zusammen, als jemand sie an der Schulter fasste.
    »He, Julie … Bist du wach? Komm, lass uns tanzen.«
    »David! Nein, geh«,

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