Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)
wehte mehr durch die Zwischenräume
der Kisten, und wenn ihn nicht alles täuschte, dann war das Schwarz der Nacht
grau geworden. Er sah zu Emma. Sie schlief, ihre Züge waren entspannt, ihr
schien es besser zu gehen. Er murmelte ein Gebet, dankte Gott für sein Einsehen
und bat um weiteren Schutz für sie – und für die Aufgabe, die auf sie
alle wartete. „Und schenke uns Frieden“, fügte er noch hinzu.
Dann dachte er an Isabel
und betete auch für sie. Zum Schluss betete er für sich selbst, dass er die
Kraft habe, den von Gott bestimmten Weg zu gehen. Als er geendet hatte, fühlte
er sich ruhig und zuversichtlich. Gern wäre er jetzt ins Freie gekrochen und
hätte seine Glieder gestreckt, doch dann wäre Emma aufgewacht. So nahm er nur
das Tuch von Nase und Mund und blieb weiter in der unbequemen Stellung sitzen,
den Rücken an das Wagenrad gelehnt,
und starrte auf den immer heller werdenden Spalt, den das Morgenlicht zwischen
die Kisten warf.
Etwas Warmes berührte
ihren Fuß, sie öffnete die Augen. Sie befand sich in einer Höhle, in die ein
Lichtstrahl fiel ... Nein, es war keine Höhle ... Ganz langsam bewegten sich
ihre Gedanken vorwärts, und als sie versuchte, ihr Bein zu strecken, auf das
der Sonnenstrahl fiel, musste sie feststellen, dass es ihr nicht gelang. Sie
versuchte es mit dem anderen Bein, doch auch das nahm ihre Befehle nicht
entgegen. Ihr Denken kroch unendlich langsam dahin. Durch den Schleier, der
sich über ihr Denken und Empfinden gelegt hatte, drang Angst. Doch sogleich
wurde sie von einer merkwürdigen Gleichgültigkeit gedämpft. Sie schloss wieder
die Augen und blieb einfach liegen. Ein Schatten schob sich vor den
Lichtstrahl, und sie schlug die Augen auf.
John hockte vor dem
Wagen und sah sie an. Sie wollte lächeln, aber sie konnte ihr Gesicht nicht
bewegen. Er schob die Kisten weiter auseinander, sodass mehr Licht unter den
Wagen fiel. Sie kniff die Augen zu, die Helligkeit brannte. Er fragte
irgendetwas, öffnete den Mund, bewegte die Lippen, aber sie hörte nur
undeutliche Laute, mit denen sie nichts anfangen konnte. Müde schloss sie
wieder die Augen. Alles war ihr gleichgültig. Sie spürte weder Angst noch
Freude, weder Schmerz noch Wohlbefinden, alles um sie herum verblasste, löste
sich auf, genauso wie sie.
Er hatte geglaubt, mit
dem Sinken des Fiebers ginge es ihr besser. Doch wie er sie jetzt da liegen
sah, so apathisch und kraftlos, kehrte seine Angst zurück. Er berührte ihre
Stirn; sie fühlte sich nicht mehr
heiß an, eher kalt und trocken, wie auch ihre Hände. Sie müsste unbedingt etwas
essen und trinken. Er kletterte wieder auf den Wagen. John hoffte, dass Paul
und Hassan heute mit den Kamelen und mit Wasser zurückkommen würden, doch er
wollte in jedem Fall eine Notration behalten. Die Kiste, die Dosen und Proviant
enthielt, war deutlich mit einem P gekennzeichnet. Er nahm ein Stemmeisen, das
am Rand des Wagens griffbereit lag, und brach die Kiste auf. Er nahm eine Dose
Cornedbeef heraus und öffnete sie. Der Geruch ließ ihn seinen Hunger spüren,
und er machte gleich noch eine zweite auf. Er kletterte wieder hinunter, nahm
zwei Gabeln aus der Geschirrbox, schüttete aus dem Kanister, in dem noch
Trinkwasser war, Wasser in den Blechbecher und stellte dann alles vor den
Wagen. Dann kroch er unter den Wagen, zog Emma vorsichtig heraus und lehnte sie
an ein Wagenrad in den Schatten..
„Emma, Sie müssen etwas essen und trinken.“ Er hielt ihr den
Becher an die Lippen, doch sie sah ihn nur mit leeren Augen an. Er drückte ihr
den Becher an die Lippen, kippte ihn ein wenig, wollte das Wasser in ihren Mund
laufen lassen, doch es lief ihr an den Mundwinkeln herunter. „Emma“, sagte er
ruhig, „wenn Sie nicht essen und trinken, werden Sie nicht gesund. Sie müssen
sich zwingen.“ Doch sie zeigte keinerlei Reaktion. Ihr Blick glitt irgendwohin,
weit weg. So schnell gab er nicht auf. Wenn sie sich nicht zwang, musste er es tun.
Er drückte den Becher fester an ihre Lippen und legte ihren Kopf leicht nach
hinten. Wieder lief das Wasser an den Mundwinkeln herunter. Sie warf ihren Kopf
nach vorn und hustete. Immerhin eine Reaktion, dachte er. Sie hustete und
röchelte, und er bemerkte, dass ihr Blick zu ihm zurückgekehrt war.
„Hoppla!“, spaßte er. Er musste sie aufheitern, wieder ins
Leben zurückholen. Sobald sie etwas im Magen hätte, würde er ihr eine weitere
Tablette geben. Kaum hatte sie
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