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Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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wehte mehr durch die Zwischenräume
    der Kisten, und wenn ihn nicht alles täuschte, dann war das Schwarz der Nacht
    grau geworden. Er sah zu Emma. Sie schlief, ihre Züge waren entspannt, ihr
    schien es besser zu gehen. Er murmelte ein Gebet, dankte Gott für sein Einsehen
    und bat um weiteren Schutz für sie – und für die Aufgabe, die auf sie
    alle wartete. „Und schenke uns Frieden“, fügte er noch hinzu.
    Dann dachte er an Isabel
    und betete auch für sie. Zum Schluss betete er für sich selbst, dass er die
    Kraft habe, den von Gott bestimmten Weg zu gehen. Als er geendet hatte, fühlte
    er sich ruhig und zuversichtlich. Gern wäre er jetzt ins Freie gekrochen und
    hätte seine Glieder gestreckt, doch dann wäre Emma aufgewacht. So nahm er nur
    das Tuch von Nase und Mund und blieb weiter in der unbequemen Stellung sitzen,
    den Rücken an das Wagenrad gelehnt,
    und starrte auf den immer heller werdenden Spalt, den das Morgenlicht zwischen
    die Kisten warf.
    Etwas Warmes berührte
    ihren Fuß, sie öffnete die Augen. Sie befand sich in einer Höhle, in die ein
    Lichtstrahl fiel ... Nein, es war keine Höhle ... Ganz langsam bewegten sich
    ihre Gedanken vorwärts, und als sie versuchte, ihr Bein zu strecken, auf das
    der Sonnenstrahl fiel, musste sie feststellen, dass es ihr nicht gelang. Sie
    versuchte es mit dem anderen Bein, doch auch das nahm ihre Befehle nicht
    entgegen. Ihr Denken kroch unendlich langsam dahin. Durch den Schleier, der
    sich über ihr Denken und Empfinden gelegt hatte, drang Angst. Doch sogleich
    wurde sie von einer merkwürdigen Gleichgültigkeit gedämpft. Sie schloss wieder
    die Augen und blieb einfach liegen. Ein Schatten schob sich vor den
    Lichtstrahl, und sie schlug die Augen auf.
    John hockte vor dem
    Wagen und sah sie an. Sie wollte lächeln, aber sie konnte ihr Gesicht nicht
    bewegen. Er schob die Kisten weiter auseinander, sodass mehr Licht unter den
    Wagen fiel. Sie kniff die Augen zu, die Helligkeit brannte. Er fragte
    irgendetwas, öffnete den Mund, bewegte die Lippen, aber sie hörte nur
    undeutliche Laute, mit denen sie nichts anfangen konnte. Müde schloss sie
    wieder die Augen. Alles war ihr gleichgültig. Sie spürte weder Angst noch
    Freude, weder Schmerz noch Wohlbefinden, alles um sie herum verblasste, löste
    sich auf, genauso wie sie.
    Er hatte geglaubt, mit
    dem Sinken des Fiebers ginge es ihr besser. Doch wie er sie jetzt da liegen
    sah, so apathisch und kraftlos, kehrte seine Angst zurück. Er berührte ihre
    Stirn; sie fühlte sich nicht mehr
    heiß an, eher kalt und trocken, wie auch ihre Hände. Sie müsste unbedingt etwas
    essen und trinken. Er kletterte wieder auf den Wagen. John hoffte, dass Paul
    und Hassan heute mit den Kamelen und mit Wasser zurückkommen würden, doch er
    wollte in jedem Fall eine Notration behalten. Die Kiste, die Dosen und Proviant
    enthielt, war deutlich mit einem P gekennzeichnet. Er nahm ein Stemmeisen, das
    am Rand des Wagens griffbereit lag, und brach die Kiste auf. Er nahm eine Dose
    Cornedbeef heraus und öffnete sie. Der Geruch ließ ihn seinen Hunger spüren,
    und er machte gleich noch eine zweite auf. Er kletterte wieder hinunter, nahm
    zwei Gabeln aus der Geschirrbox, schüttete aus dem Kanister, in dem noch
    Trinkwasser war, Wasser in den Blechbecher und stellte dann alles vor den
    Wagen. Dann kroch er unter den Wagen, zog Emma vorsichtig heraus und lehnte sie
    an ein Wagenrad in den Schatten..
    „Emma, Sie müssen etwas essen und trinken.“ Er hielt ihr den
    Becher an die Lippen, doch sie sah ihn nur mit leeren Augen an. Er drückte ihr
    den Becher an die Lippen, kippte ihn ein wenig, wollte das Wasser in ihren Mund
    laufen lassen, doch es lief ihr an den Mundwinkeln herunter. „Emma“, sagte er
    ruhig, „wenn Sie nicht essen und trinken, werden Sie nicht gesund. Sie müssen
    sich zwingen.“ Doch sie zeigte keinerlei Reaktion. Ihr Blick glitt irgendwohin,
    weit weg. So schnell gab er nicht auf. Wenn sie sich nicht zwang, musste er es tun.
    Er drückte den Becher fester an ihre Lippen und legte ihren Kopf leicht nach
    hinten. Wieder lief das Wasser an den Mundwinkeln herunter. Sie warf ihren Kopf
    nach vorn und hustete. Immerhin eine Reaktion, dachte er. Sie hustete und
    röchelte, und er bemerkte, dass ihr Blick zu ihm zurückgekehrt war.
    „Hoppla!“, spaßte er. Er musste sie aufheitern, wieder ins
    Leben zurückholen. Sobald sie etwas im Magen hätte, würde er ihr eine weitere
    Tablette geben. Kaum hatte sie

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