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Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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aufgehört zu husten, flößte er ihr wieder Wasser
    ein. Doch diesmal verzog sie das Gesicht und presste die Lippen aufeinander.
    „Emma! Sie müssen trinken!“ Er ließ nicht locker. Doch auch sie hielt ihren
    Widerstand aufrecht. Wie blass sie ist, dachte er. Ihre Augen lagen in tiefen,
    dunklen Höhlen. Die Frische ihrer Haut, das Lebendige in ihrem Blick, ihr
    Lächeln - alles war verschwunden. Ihr Ausdruck war leblos geworden, ihre Haut
    und ihr blondes Haar waren stumpf. Herr, flehte er, bitte nimm sie noch nicht zu
    dir! Herr, hab Erbarmen mit ... und dann stockte er. Er hatte es nicht
    wahrhaben wollen, hatte es abgestritten, vor Paul und vor sich selbst. Emma
    bedeutete ihm mehr, mehr als ...
    Herr, betete er weiter,
    du weißt es, nichts bleibt dir verborgen ... Er seufzte. Ich bin in deiner
    Hand. Was immer du mit mir vorhast, ich werde es annehmen. Es steht mir nicht
    zu, deine Pläne zu kritisieren. Verzeih! Es war kleingeistig. Bitte, gib ihr die Kraft, sich dir
    anzuvertrauen, und beschütze sie auf dem Weg, den du für sie bestimmt hast.
    Amen.
    Er sah hinauf in den
    blassblauen Himmel. Verschwunden war das giftige Gelb von gestern, nichts
    erinnerte mehr an die Macht des Sturms ... nur noch die dicke Sandschicht, die
    auf den Kisten lag. Sein Blick glitt hinunter in die weite Ebene. Vielleicht
    war Ian mit den Schafen schon dort. Dann sah er hinauf zu dem Durchgang
    zwischen den Felsspitzen. Wenn Hassan und Paul in der Nacht auf der anderen
    Seite angekommen wären, dann könnten sie bis zum späten Nachmittag wieder hier
    sein. Er drehte sich zu Emma um und versuchte noch einmal, ihr etwas Wasser
    einzuflößen. Vielleicht hatte sie eben wirklich ein paar Tropfen getrunken. Er
    machte weiter, bis er glaubte, nun habe sie einen halben Becher getrunken. Ob
    sie das Cornedbeef essen würde? Doch schon als er mit der Dose in die Nähe
    ihrer Nase kam, drehte sie angewidert den Kopf weg. Er versuchte es mit
    Zwieback, bröckelte kleine Stücke ab, und steckte sie ihr zwischen die Lippen.
    Tatsächlich schluckte sie ein-oder zweimal. Dann gab er ihr noch etwas Wasser,
    in das er eine Aspirin hineingebröselt hatte. Dann gönnte er ihr und sich eine
    Pause. Er lehnte sich an einen Stein, ein paar Schritte von ihr entfernt,
    sodass er sie und auch den Durchgang zwischen den Bergspitzen im Auge behalten
    konnte, und zog die Bibel aus seiner Westentasche. Er schlug das Alte Testament
    auf und blätterte bis zum Buch Exodus. Sein Finger fand die Zeile, die er
    suchte, wie von selbst.
    „Emma, ich lese Ihnen
    ein wenig vor.“ Hatte sie genickt? Er lächelte sie an. Dann begann er: „Siehe, sagte Jahwe zu Moses, ich sende einen
    Engel vor dir her, damit er dich auf deinen Wegen behüte und dich an den Ort
    führe, den ich bestimmt habe. Habe Acht auf ihn und höre auf seine Stimme; sei
    nicht widerspenstig gegen ihn. Denn er würde eure Übertretungen nicht
    verzeihen, weil mein Name in ihm ist. Wenn du aber auf seine Stimme hörst und
    alles tust, was ich euch befehle, dann will ich der Feind deiner Feinde sein
    und deine Bedränger bedrängen.“
    Emma
    atmete tief durch und schloss erschöpft die Augen. John warf einen Blick hinauf
    in den Himmel. „Sende uns den Engel, Herr“, murmelte er leise.
    Als die Sonne weiter
    gewandert war, stand er auf und legte Emma wieder unter den Wagen. Dies war der
    einzige schattige Platz. Ihr Körper fühlte sich schlaff an und das besorgte
    ihn. Ihre Stirn war heiß. Sie fantasierte, murmelte rätselhafte Worte, mit
    denen er nichts anzufangen wusste. Er hatte ihr noch drei Mal Wasser
    eingeflößt, und sie hatte tatsächlich ein wenig hinuntergeschluckt. Aber
    gegessen hatte sie gar nichts.
    Er sah wieder hinauf zu
    den Bergspitzen, wie bestimmt schon hundert Mal an diesem Tag. Doch auch
    diesmal wurde seine Hoffnung enttäuscht. Nichts. Kein Zeichen von Paul oder
    Hassan. Kein Schatten, kein Geräusch. Dann blickte er hinunter in die Ebene.
    Könnte Ian denn nicht bald da sein? Dreihundert Schafe musste er durch die
    trockene Wüste treiben. Es würde sicher noch Wochen dauern, bis Ian an diesem
    Berg angekommen wäre. Und was, wenn Hassan und Paul nicht mehr zurückkehrten?
    Wenn ihnen etwas zugestoßen war? Lange hielten er und Emma hier nicht mehr durch. Das Trinkwasser
    ging zu Ende. Auch wenn Emma so wenig trank und er sich zurückhielt, wäre es am
    Abend oder spätestens morgen aufgebraucht. Seine Kehle war schon seit Stunden
    trocken. Er musste etwas

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