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Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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der Straße herauf. Emma reckte ihren
    Hals und konnte ein heranrollendes Automobil entdecken. Es war rot und hatte
    einen mit einer Plane abgedeckten Aufbau. Auf der Tür konnte sie das Wort Cinema lesen. Auf dem Beifahrersitz saß
    ein dunkelhäutiger Mann, vielleicht ein Eingeborener, doch er war wie ein
    Weißer gekleidet und frisiert. Neben ihm am Steuer konnte sie jenen Mann
    wiedererkennen, den sie am Bahnhof in Marree gesehen hatte. Eine Locke seines
    kurzen dunklen Haars hing ihm in die sonnengebräunte Stirn. Und das rote
    Halstuch war ihr schon vom Zug aus aufgefallen. Laut dröhnend fuhr der Wagen
    vorbei und hielt vor dem „Stuart Arms“.
    „Mrs. Schott?“ Wie ertappt fuhr sie herum. „Mrs. Schott?“, sagte
    eine Stimme hinter der Tür. „Ja, bitte?“ „Brief fertig?“ Emma ging zur Tür,
    öffnete sie und stand dem schwarzen Dienstmädchen Polly gegenüber. Polly senkte
    sofort den Kopf mit dem sorgfältig in lange Wellen gelegten schwarzen Haar. Die
    langärmelige weiße Bluse mit den weiten Ärmeln war hochgeschlossen und ihr
    langer hellgrauer Rock gestärkt. Schon gestern war Emma aufgefallen, dass Mrs.
    Shaw ihre Bediensteten mit einem strafenden Blick bedachte, wenn sie an der
    Bluse einen Soßenfleck oder einen offenen Knopf bemerkte. „Vielen Dank“, sagte
    Emma. Polly nahm den Brief entgegen und verabschiedete sich mit einem leichten
    Knicks. Ihr Rock knisterte, als sie den schmalen, dunklen Flur hinuntereilte.
    Emma schloss die Tür und ging rasch zum Fenster zurück. Doch die Männer waren
    schon ausgestiegen und nicht mehr zu sehen.

    3
    Bevor Robert Gordon ein
    Zimmer im „Stuart Arms“ nehmen konnte, verabschiedete sich Moses von ihm, ohne
    ihm zu sagen, was er vorhatte. Immerhin versprach er, spätestens am nächsten
    Morgen wieder da zu sein. Robert nickte und machte sich auf den Weg zur
    Telegrafenstation, um die Fotos zu machen, die er längst versprochen hatte.
    Nebenbei erfuhr er dort
    die neuesten Nachrichten. Bei Darwin waren Fälle einer Rinderseuche
    aufgetreten, und nun befürchteten die großen Farmer ein Massensterben. Im
    fernen Europa, in Italien, war vor drei Tagen eine Gruppe von Faschisten in
    schwarzen Hemden auf Rom zumarschiert und hatte die Regierung zum Rücktritt
    gezwungen. Ein gewisser Benito Mussolini schien sich anzuschicken, das neue
    Kabinett anzuführen. Daneben gab es noch eine ganze Reihe anderer Nachrichten,
    die Robert sofort wieder vergessen hatte.
    Anschließend genoss er
    mit der ganzen Familie des Vorstehers der Telegrafenstation ein üppiges Mittagessen
    aus Lammfleisch und Kürbis, rauchte mit dem Hausherrn und zwei Mitarbeitern
    eine dicke Zigarre und machte sich am frühen Abend auf den drei Kilometer
    langen Rückweg in die Stadt. Was für eine wunderbare Landschaft, dachte er, als
    er entlang des trockenen Flussbetts fuhr. Die ockerfarbenen Felsen hinter der
    Telegrafenstation leuchteten golden im Abendlicht, und die Stämme der
    Eukalyptusbäume im trockenen Flussbett des Todd River strahlten hell. Am
    blassblauen Abendhimmel über den schroffen Bergwänden der MacDonnell Ranges war
    schon die silberne Sichel des Mondes zu erkennen, und die ersten Sterne
    funkelten. Im hellen Sand, unter den ausladenden Kronen der mächtigen Bäume,
    saßen Aborigines um ihre Feuer herum. Einige von ihnen hoben die Hand zum Gruß,
    als er vorbeifuhr, und er grüßte zurück, obwohl er sie nicht kannte.
    Er dachte gerade daran,
    dass er im „Stuart Arms“ ein paar Biere trinken würde, als sich plötzlich
    rechts aus dem Schatten der Büsche eine Gestalt löste und vor den Wagen sprang,
    sodass Robert abrupt bremsen musste. „He, verdammt!“, rief er, „beinahe hätte
    ich dich überfahren!“ Es war ein Aborigine, drahtig, mit zerrissener langer
    Hose und ohne Hemd, sodass Robert auf seiner Brust drei breite Narben erkennen
    konnte. Sein Haar wurde mit einem orangefarbenen Kopfband zurückgehalten. Er
    blieb unerschrocken mitten auf dem Weg stehen. „Was gibt’s, Mann?“, fragte
    Robert, und seine Stimme klang wenig freundlich. Der Aborigine musterte ihn,
    bevor er antwortete. „Sag Moses, ist gefährlich hier. Soll nicht mehr
    herkommen.“ Er sprach mit einer leisen Stimme. „Moses? He, warum sagst du es
    ihm nicht selbst? Ich wette, du weißt genau, wo er ist.“ „Hab’s ihm gesagt.
    Aber er glaubt nicht.“ Robert dachte nach. „Warum gefährlich?“ Doch der
    Aborigine antwortete nicht. „Gut“, sagte Robert, „ich sag’s

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