Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)
der Straße herauf. Emma reckte ihren
Hals und konnte ein heranrollendes Automobil entdecken. Es war rot und hatte
einen mit einer Plane abgedeckten Aufbau. Auf der Tür konnte sie das Wort Cinema lesen. Auf dem Beifahrersitz saß
ein dunkelhäutiger Mann, vielleicht ein Eingeborener, doch er war wie ein
Weißer gekleidet und frisiert. Neben ihm am Steuer konnte sie jenen Mann
wiedererkennen, den sie am Bahnhof in Marree gesehen hatte. Eine Locke seines
kurzen dunklen Haars hing ihm in die sonnengebräunte Stirn. Und das rote
Halstuch war ihr schon vom Zug aus aufgefallen. Laut dröhnend fuhr der Wagen
vorbei und hielt vor dem „Stuart Arms“.
„Mrs. Schott?“ Wie ertappt fuhr sie herum. „Mrs. Schott?“, sagte
eine Stimme hinter der Tür. „Ja, bitte?“ „Brief fertig?“ Emma ging zur Tür,
öffnete sie und stand dem schwarzen Dienstmädchen Polly gegenüber. Polly senkte
sofort den Kopf mit dem sorgfältig in lange Wellen gelegten schwarzen Haar. Die
langärmelige weiße Bluse mit den weiten Ärmeln war hochgeschlossen und ihr
langer hellgrauer Rock gestärkt. Schon gestern war Emma aufgefallen, dass Mrs.
Shaw ihre Bediensteten mit einem strafenden Blick bedachte, wenn sie an der
Bluse einen Soßenfleck oder einen offenen Knopf bemerkte. „Vielen Dank“, sagte
Emma. Polly nahm den Brief entgegen und verabschiedete sich mit einem leichten
Knicks. Ihr Rock knisterte, als sie den schmalen, dunklen Flur hinuntereilte.
Emma schloss die Tür und ging rasch zum Fenster zurück. Doch die Männer waren
schon ausgestiegen und nicht mehr zu sehen.
3
Bevor Robert Gordon ein
Zimmer im „Stuart Arms“ nehmen konnte, verabschiedete sich Moses von ihm, ohne
ihm zu sagen, was er vorhatte. Immerhin versprach er, spätestens am nächsten
Morgen wieder da zu sein. Robert nickte und machte sich auf den Weg zur
Telegrafenstation, um die Fotos zu machen, die er längst versprochen hatte.
Nebenbei erfuhr er dort
die neuesten Nachrichten. Bei Darwin waren Fälle einer Rinderseuche
aufgetreten, und nun befürchteten die großen Farmer ein Massensterben. Im
fernen Europa, in Italien, war vor drei Tagen eine Gruppe von Faschisten in
schwarzen Hemden auf Rom zumarschiert und hatte die Regierung zum Rücktritt
gezwungen. Ein gewisser Benito Mussolini schien sich anzuschicken, das neue
Kabinett anzuführen. Daneben gab es noch eine ganze Reihe anderer Nachrichten,
die Robert sofort wieder vergessen hatte.
Anschließend genoss er
mit der ganzen Familie des Vorstehers der Telegrafenstation ein üppiges Mittagessen
aus Lammfleisch und Kürbis, rauchte mit dem Hausherrn und zwei Mitarbeitern
eine dicke Zigarre und machte sich am frühen Abend auf den drei Kilometer
langen Rückweg in die Stadt. Was für eine wunderbare Landschaft, dachte er, als
er entlang des trockenen Flussbetts fuhr. Die ockerfarbenen Felsen hinter der
Telegrafenstation leuchteten golden im Abendlicht, und die Stämme der
Eukalyptusbäume im trockenen Flussbett des Todd River strahlten hell. Am
blassblauen Abendhimmel über den schroffen Bergwänden der MacDonnell Ranges war
schon die silberne Sichel des Mondes zu erkennen, und die ersten Sterne
funkelten. Im hellen Sand, unter den ausladenden Kronen der mächtigen Bäume,
saßen Aborigines um ihre Feuer herum. Einige von ihnen hoben die Hand zum Gruß,
als er vorbeifuhr, und er grüßte zurück, obwohl er sie nicht kannte.
Er dachte gerade daran,
dass er im „Stuart Arms“ ein paar Biere trinken würde, als sich plötzlich
rechts aus dem Schatten der Büsche eine Gestalt löste und vor den Wagen sprang,
sodass Robert abrupt bremsen musste. „He, verdammt!“, rief er, „beinahe hätte
ich dich überfahren!“ Es war ein Aborigine, drahtig, mit zerrissener langer
Hose und ohne Hemd, sodass Robert auf seiner Brust drei breite Narben erkennen
konnte. Sein Haar wurde mit einem orangefarbenen Kopfband zurückgehalten. Er
blieb unerschrocken mitten auf dem Weg stehen. „Was gibt’s, Mann?“, fragte
Robert, und seine Stimme klang wenig freundlich. Der Aborigine musterte ihn,
bevor er antwortete. „Sag Moses, ist gefährlich hier. Soll nicht mehr
herkommen.“ Er sprach mit einer leisen Stimme. „Moses? He, warum sagst du es
ihm nicht selbst? Ich wette, du weißt genau, wo er ist.“ „Hab’s ihm gesagt.
Aber er glaubt nicht.“ Robert dachte nach. „Warum gefährlich?“ Doch der
Aborigine antwortete nicht. „Gut“, sagte Robert, „ich sag’s
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