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Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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„Aber noch haben sie keinen Kadaitcha-Mann geschickt,
    noch nicht.“ Kadaitcha-Mann nannte man den von den Ältesten zum Vollstrecker
    eines Urteils ernannten Krieger, so viel wusste Robert. „Und wenn sie morgen
    einen bestimmen?“, fragte Robert. Moses fixierte einen Punkt weit weg, irgendwo
    an den schroffen Felsen der rötlichen Berge und sagte ernst: „Wenn du sterben
    sollst, dann musst du sterben.“ Auf seinem dunkelbraunen Gesicht mit der
    glatten Haut breitete sich ein zuversichtliches Lächeln aus. Nein, dachte
    Robert, er würde Moses nie wirklich verstehen können.

4
    Sie brachen lange vor Sonnenaufgang
    auf: Hassan, John, Paul, Martha, das Dienstmädchen, Eric, der dänische
    Handwerker, der ihnen bei den Renovierungsarbeiten zur Hand gehen sollte
    – und sie, Emma. Sie hatten aus Stuart noch vier Hühner, zwei Ziegen,
    gepökeltes Fleisch, Brot und für den Gemüsegarten, den Emma anlegen wollte ein
    paar Pflanzen, Rüben und Kartoffeln mitgenommen.
    Der Weg führte sie
    erneut durch Buschland, dann durch ein hügeliges Gebiet, in dem nur
    Dorngrasbüsche und Pflanzen wuchsen, die in der Trockenheit existieren konnten.
    Rechts und links erhoben sich die zerklüfteten MacDonnell Ranges, und bald nach
    Sonnenaufgang spannte sich über ihnen wieder dieser unglaublich blaue Himmel.
    Sie saß neben Paul auf dem Kutschbock. Vor ihr hoben und senkten sich die
    knochigen Rinderrücken; das braune Fell war glänzend von Schweiß.
    Schon den ganzen Morgen
    musste Emma an das Picknick am vergangenen Tag denken. Sie waren zusammen mit
    den Bedienstenten nach knapp einer Stunde Fahrt in Richtung Süden am Heavitree
    Gap, der Stelle, an der der Todd River durch die MacDonnell Ranges schnitt,
    angekommen. Es war etwa drei Uhr nachmittags, der Himmel war blau, und nur ein
    paar harmlose weiße Wolken näherten sich von Osten her.
    „Ist das nicht ein herrlicher Platz?“ Mr. Shaw machte eine
    ausladende Bewegung. Ein glückliches Lächeln lag über seinem runden Gesicht.
    „Das sagt er immer“, erklärte Mrs. Shaw
    und wandte sich den drei Eingeborenen-Dienstmädchen zu, die dabei waren,
    Stühle und Kisten mit Essen vom Pferdewagen abzuladen. „Hierher, Polly! Martha,
    du musst die hintere Kiste nehmen, nein, nicht die, die hintere, die hintere ! Kind, das da ist die hintere!“ Emma betrachtete die Gegend. Zwischen den
    Felswänden zwängte sich das ausgetrocknete Sandbett des Todd River hindurch.
    Hohe, alte Bäume wuchsen hier und spendeten mit ihren ausladenden Kronen
    wohltuenden Schatten. „Sie müssen diese Picknicks doch satt haben, oder?“ Das
    war Mrs. Miller, die mit ihrem Mann und zwei weiteren Gästen hinter ihnen
    hergefahren waren. Emma lächelte. „Na ja, ein bisschen schon.“
    Mrs. Miller lachte. Sie war eine kräftige Frau um die fünfzig,
    deren Mann eine Schmiedewerkstatt unterhielt. Sie trug einen Strohhut über
    ihrem grauen, gelockten Haar und eine weiße Bluse mit Stehkragen über einem
    langen Rock. „Wissen Sie, ich bin sozusagen damit aufgewachsen. Ich habe mit
    meinen Eltern in einem Zelt gewohnt, bis wir uns endlich ein Haus, na, sagen
    wir lieber, eine Hütte aus Moos und Zweigen, bauen konnten.“ Sie schüttelte den
    Kopf. „Mein Gott, das waren Zeiten! Aber selbst im Zelt hat Mutter an Sonntagen
    das gute englische Porzellangeschirr gedeckt, und pünktlich um fünf gab’s
    unseren Tee!“ Sie stemmte die Arme in die Hüften, sog die Luft ein und ließ
    ihren Blick über die Berge wandern. „Sehen Sie, wir Engländer brauchen nicht viel,
    um uns heimisch zu fühlen. Wir brauchen jedenfalls nicht unser Land, es reichen
    uns unser Tea und unser Porzellan, na ja, unser Christmas-Pudding vielleicht
    noch, aber das können wir alles mitnehmen. Eine transportable Kultur
    sozusagen.“ Sie lachte und schüttelte den Kopf. Dann wurde sie ernst. „Die
    Eingeborenen hier haben nur das Land. Das ist das Einzige. Deshalb werden sie
    nie die Welt erobern wollen.“ Sie sah Emma an. „Und die Deutschen, die haben
    ihre Würste und Klöße, was?“ Sie zwinkerte gutmütig. „Die kann man auch fast
    überall machen!“
    „Worüber lacht meine Frau?“ Mr. Miller, ein Mann wie ein Schrank
    kam von hinten auf sie zu. „Über den englischen Tee und die deutsche Wurst!“,
    antwortete Mrs. Miller. „Verstehen Sie den Humor meiner Frau?“, fragte er Emma
    und lachte. „Es gibt Leute, die können überhaupt nicht darüber lachen.“ Sein
    mächtiger Schnurrbart zitterte. „Oh,

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