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Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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ich denke, ich verstehe ihn schon“,
    antwortete Emma wahrheitsgemäß. „Ihre Vorgängerin war nicht so humorvoll“,
    sagte Mr. Miller. Emma horchte auf. „Margarete Weiß?“ Mrs. Miller schüttelte
    den Kopf. „Ach, Henry, sie war eben ein bisschen zart besaitet.“ „Wieso?“,
    fragte Emma neugierig. Jetzt schnaufte Mr. Miller, als bereute er schon, den Namen überhaupt erwähnt zu haben.
    „Ach, wissen Sie ...“, begann er, aber seine Frau fiel ihm ins Wort. „Was Henry
    sagen will“, erklärte sie, „Margarete war ein bisschen vergeistigt , wenn Sie verstehen ...“ „Nein ...“ Mrs. Miller seufzte
    und senkte ihre Stimme. „Wissen Sie, sie hat sich mit diesem ganzen ... Ich
    meine, mit diesem Zauber der Eingeborenen beschäftigt.“ „Tatsächlich?“ Nun
    zuckte Mr. Miller die Schultern. „Das sagt man so.“ Er machte eine wegwerfende
    Handbewegung. „Sobald jemand unter ungeklärten Umständen verschwindet, fangen
    die Leute an, sich Geschichten zu erzählen.“ „Das sind keine Geschichten,
    Henry!“, sagte Mrs. Miller tadelnd. Ihr Humor war mit einem Schlag dahin. „Nur
    ... wenn man sich zu viel mit den Eingeborenen beschäftigt, dann vernachlässigt
    man seine eigentliche Pflicht. Schließlich war sie eine christliche
    Missionarin!“ „Am Ende weiß
    es jeder besser “, sagte Mr. Miller. „Aber Henry, du hast doch damals selbst
    gesagt, die Kirche sollte zusehen, dass die Schwarzen bald wie Weiße ...“ „Ich
    glaube, Irene“, fiel er ihr ins Wort, „wir sollten helfen, die Sachen
    abzuladen! Entschuldigen Sie, Mrs. Schott!“ Er hatte den Arm und die Schulter
    seiner Frau gelegt und schob sie zum Wagen. Emma hatte Paul von diesem Gespräch
    nichts gesagt.
    Kurz vor Sonnenuntergang
    erreichten sie endlich Neumünster. Was für ein Anblick! Schon von weitem
    konnten sie den weiß gekalkten Kirchturm sehen, der seine Spitze in den Himmel
    reckte. Nach Wochen, ja Monaten voller Ungewissheit, ohne wirkliche
    Vorstellung, wie Neumünster aussehen würde, war sie nun endlich angekommen!
    Neumünster: weiß gekalkte Steinhäuser rund um eine Kirche – mitten in der
    roten Wüste. Ergriffen fasste Emma nach Pauls Arm. Sie musste an seinen
    Ausspruch denken, als sie die australische Küste erblickt hatten: „Das ist das
    Land, in das Gott uns geführt hat!“ Und dabei hatten seine blauen Augen
    geleuchtet. Er sah zu ihr herüber, seine Augen glänzten, doch sie glaubte in
    seinem Blick etwas Düsteres zu bemerken. Aber sie hatte sich abgewöhnt, Fragen
    zu stellen.
    Vor den Steinhäusern
    duckten sich Hütten aus Ästen und Buschwerk. Dort standen etwa fünfzehn,
    zwanzig Menschen, darunter eine Hand voll Kinder, und beobachteten schweigend
    die Ankommenden. Nein, sie winkten nicht, sie jubelten nicht, sie begrüßten die
    Missionare nicht mit freudigen Tänzen und Gesängen! Hatte sie so etwas denn
    tatsächlich erwartet? Diese Menschen betrachteten sie mit ernstem,
    unergründlichem Ausdruck .
    Was wollen wir
    eigentlich hier?, dachte Emma plötzlich. Wieso dringen wir in ihre Welt ein?
    Wer gibt uns die Erlaubnis dazu? Ein unangenehmes Gefühl, nicht willkommen zu
    sein, stieg in ihr hoch. Doch sofort verdrängte sie es wieder. Sie hatten die
    Aufgabe, das dumpfe Leben dieser Menschen mit Gottes froher Botschaft zu
    erhellen, sie Lesen und Schreiben zu lehren, um sie aus ihrer Unwissenheit ins
    Licht zu führen! Nie hatten diese Gedanken so hohl in ihr geklungen ...
    Paul ließ die Wagen vor
    den Hütten anhalten. Einen Augenblick lang geschah nichts. Die Menschen, von
    denen einige nackt waren, bewegten sich nicht, sondern starrten sie weiterhin
    nur an. Wie sollen wir diese Menschen jemals verstehen ... und wie sollen sie uns verstehen?, schoss es Emma durch den
    Kopf.
    „Wir sind eure
    Freunde!“, sagte Paul auf Aranda. Es war die Sprache, die viele Eingeborene in
    der Gegend sprachen oder zumindest verstanden, hatte er Emma erklärt. Pauls
    Worte verhallten. Herr, betete Emma, bitte, lass sie uns willkommen heißen. Wir
    können doch nicht den ganzen Weg umsonst gemacht haben, um am Ende nicht
    gewollt zu sein!
    Wie still es war. Nur
    das Schnauben der Rinder und Pferde war zu hören. Da trat ein Mann in einer
    schmutzigen, zerrissenen Hose vor. Er war mager und nicht besonders groß, seine
    Haut war faltig, sein weißes Haar hatte er mit einem dunklen Stirnband nach
    hinten gebunden. Seine schwarzen
    Augen blitzten. Ein wirrer grauer Bart verbarg seinen Mund, in seiner

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