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Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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Rechten
    hielt er einen Speer, den er neben sich in den Boden stieß.
    Emma wagte kaum zu
    atmen. Niemand bewegte sich, niemand sprach, alle warteten darauf, was dieser
    Mann nun sagen würde. Unvermittelt begann ein Kind zu schreien. „Willkommen“, sagte er mit heiserer
    Stimme auf Deutsch. Dann fielen die Umstehenden mit ein: „Willkommen!“ Paul grüßte zurück. Nun trat neben den
    Alten ein anderer Mann. Er trug ein orangefarbenes Haarband. Über seinen
    nackten Oberkörper zogen sich drei breite Narben. Seine Hose war an den Knien
    und am Saum zerrissen. Emma erkannte ihn. „Willkommen“, sagte er auf Deutsch
    und nickte erst Emma, dann Paul zu. Es war Petrus, dem sie in Oodnadatta die
    Hand gegeben hatte! Sofort fühlte sie sich vertrauter. „Du sprichst auch
    Deutsch?“, fragte Paul erstaunt. Er nickte. „Petrus.“ „Petrus?“ Pauls Stimme
    klang argwöhnisch. „Dann bist du auch schon länger hier?“ Wieder nickte Petrus.
    Es schien, als wollte Paul ihm noch etwas fragen, aber dann sagte er nur: „Möge
    Gott uns alle beschützen!“
    Eine quälend lange
    Stille trat ein. Schließlich ließ Paul die Peitsche knallen, und die Tiere
    zogen an. Die Wagen fuhren an den Hütten vorbei, hin zu einem Platz, in dessen
    Mitte die weiße Kirche stand und um den sich die übrigen Gebäude gruppierten.
    Gleich hinter der Kirche
    stand ein flaches Wohnhaus mit einer Veranda, vor deren Eingang zwei große
    Dattelpalmen wuchsen. Emma war überwältigt von der Schönheit des Ortes. Ja,
    hier wollte sie bleiben und ihre Lebensaufgabe erfüllen! Sie würde ihr Bestes
    geben ... und nie wieder würde sie mit Paul über Vergangenes streiten. Auf
    einmal spürte sie eine starke Kraft in sich. Sie lächelte Paul an und empfand
    keine Enttäuschung, als er es gar nicht zu bemerken schien.
    Außer dem Wohnhaus gab
    es fünf weitere Gebäude: ein Nebenhaus, in dem John und Isabel wohnen würden,
    das Vorratshaus, eine Werkstatt, die Schule und einen Geräteschuppen. Während
    Emma mit Martha gleich zum Wohnhaus ging, begannen die Männer, die Wagen
    abzuladen und die Tiere auszuspannen.
    Die Tür war nur
    angelehnt, und Emma stieß sie auf. Dunkelheit schlug ihr entgegen und trotz der
    Hitze ein dumpfer Geruch nach Moder. Mrs. Shaw hatte sie vorbereitet auf das,
    was sie hier vorfinden würde, und sie hatte nicht untertrieben: zerschlagene
    Möbel, zerbrochenes Geschirr auf dem Boden; in den Kissen und Decken hatten
    Mäuse und Ratten gelebt; Töpfe und Pfannen lagen überall verstreut auf den grob
    behauenen Steinfliesen. Emma und Martha blickten sich an, und Emma erkannte im
    Gesicht der jungen Eingeborenen blankes Entsetzen. „Martha, weißt du, was
    passiert ist?“, fragte sie ungläubig. Martha schüttelte nur rasch den Kopf und
    sah zu Boden. Sie war sicher, dass Martha ihr etwas verheimlichte. Emma sah
    sich weiter um. Die übrigen Räume waren unversehrt. Alle Decken waren recht
    hoch, so blieb es auch bei den oft über fünfzig Grad heißen Temperaturen im
    Sommer, wie man ihr in Stuart erklärt hatte, einigermaßen erträglich. Auch der Stein
    und der weiße Kalk, mit denen die Baumeister die Häuser errichtet hatten,
    trugen zur Kühlung bei. Jetzt, Ende Oktober, herrschten dreißig Grad, bis
    Dezember und Januar würde es immer heißer werden.
    Das Schlafzimmer war ein
    kleiner Raum, in dem das Ehebett mit einem Kopf-und Fußteil aus Metall und ein
    Stuhl vor einem schmucklosen Tisch mit einem halbblinden Spiegel darüber gerade
    Platz hatten. An der dem Bett gegenüberliegenden Seite, neben dem schmalen
    Fenster, stand noch ein dunkler, schwerer, mit groben Schnitzereien mehr
    verunstalteter als verzierter Schrank. Die Wände waren hell gekalkt, aber
    schmucklos. Über dem Bett entdeckte Emma den hellen Abdruck eines Kreuzes, und
    neben dem Spiegel musste ein Bild gehangen haben.
    Das Einzige, was sie nun
    tun konnten, war, mit dem Aufräumen zu beginnen. Also nahm sie einen Besen, der
    in der Ecke neben einem offenen Geschirrschrank lehnte, kehrte das zerbrochene
    Geschirr zusammen und ließ Martha die nicht zu Bruch gegangenen Gegenstände
    aufsammeln.
    Im Schlafzimmer hatte
    Emma gerade begonnen, das zerrissene Bettzeug abzuziehen, als plötzlich Paul
    mit zornig rotem Gesicht in der Tür stand. „Sie haben die Kirche entweiht!“,
    presste er hervor. Sie erschrak. Sollte die Begrüßung nur eine Täuschung
    gewesen sein? Sie folgte ihm hinaus und eilte hinter ihm über den Platz zur
    Kirche. Die

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