Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)
wölbte er sich
unendlich über ihnen. „Es soll der
Anfang einer siebenjährigen Dürre sein.“ Er machte eine Kopfbewegung zum
Gebirge hin. „Dort soll es eine Quelle geben. Wir sollten eine Wasserleitung
bauen.“ Die Idee schien ihr vernünftig. So würde man nicht von den
Wasserlöchern abhängig sein, die bei einer langen Trockenheit immer tiefer
gegraben werden müssten. „Haben Sie schon mit Paul darüber gesprochen?“ „Ja.“
Er nickte und betrachtete seine Schuhspitzen, was eine Angewohnheit von ihm
war, wie Emma schon festgestellt hatte. „Dann ist er sicher heute Morgen
dorthin geritten“, und sie fügte hinzu: „Er muss doch immer alles sofort in die
Hand nehmen! Und wenn er von etwas überzeugt ist, dann muss er es gleich
angehen, nicht wahr?“ Es klang, als habe sie Paul vor John verteidigt oder als
sei ihr die Nähe, die sie gerade empfunden hatte, plötzlich peinlich. „Ja“,
sagte er tonlos. Sein Blick wurde kühler. „Einen guten Tag.“ Er nickte ihr nur
kurz zu und marschierte dann mit strammem Schritt, als habe er sich verspätet,
in Richtung der Zisterne, wo er mit einigen Männern seit Tagen ein Gehege für
die Pferde baute. Schwere Holzpfähle mussten in die Erde gegraben werden, eine
harte Arbeit. Ian würde sicher in den nächsten Wochen mit den Schafen kommen.
Außerdem war es nötig, die Wasserlöcher, die ihnen Trinkwasser spendeten,
sauber zu halten und hin und wieder auch tiefer zu graben.
Emma blieb keine Zeit,
darüber zu grübeln, ob sie sich Johns plötzliche Veränderung eben nur
eingebildet hatte, denn schon sah sie Amboora herbeilaufen. Sie trug keine
blütenweiße Kleidung mehr wie bei den Shaws. Emma hatte ihr eines von ihren
Kleidern gegeben, und das stand ihr viel besser. „Guten Morgen, Amboora!“,
sagte sie, und Amboora lächelte.
Gestern waren wieder ein
paar Männer und Frauen hinzugekommen. Es hatte sich herumgesprochen, dass es
auf der Missionsstation etwas zu essen gab ... sofern man dafür arbeitete. Emma nickte Wirinun zu, der
hinter einer Hütte auftauchte. Sie bemühte sich, ihm nicht feindselig zu
begegnen, was ihr schwer fiel, denn sie war sicher, dass er wusste, wie es zur
Entweihung der Kirche gekommen war, es aber nicht preisgeben wollte. Wirinun
erwiderte ihren Gruß nicht, sondern drehte sich um und wechselte ein paar
schnelle Worte mit dem Ältesten, der mit gekreuzten Beinen vor einer der Hütten
saß, einen Becher mit dampfendem Tee in den Händen. Isi, Mani und auch Pjakata
lächelten Emma an, als sie an ihnen vorbei ging. Sie waren dabei, Tee zu kochen
und Damper zuzubereiten. Isi hielt ein Stück Rinde in der Hand, auf der
rötliche Beeren lagen.
„Bush Tucker!“, sagte sie und bedeutete Emma, etwas davon zu
probieren. Die Beeren waren klein und verschrumpelt. „Gut! Bush Tucker!“ Isi
rollte ihre großen, runden Augen und lachte. Mani lachte mit. Emma steckte sich
eine Beere in den Mund. Wie süß sie schmeckten! Sie war überrascht und lachte.
„Mehr!“, sagte Isi und hielt ihr die Schale hin. Da nahm Emma noch eine und
bedankte sich. „Nachher brauche ich wieder eure Hilfe. Im Garten.“ Isi nickte.
„Zucker?“ Emma schüttelte den Kopf. „Nein. Ihr habt gestern schon die Ration
für diese Woche bekommen. Das wisst ihr doch.“ Isi legte den Kopf schief.
Sicher überlegte sie, wie sie mit der neuen Missionarin handeln konnte, doch da
rief Amboora. „Missus, hier!“ Amboora ergriff Emmas Handgelenk. „Komm!“
Eine Mutter mit einem
winzigen Baby war neu angekommen. Die Frau war bis auf die Knochen abgemagert.
Das Baby saugte an ihren schlaffen Brüsten. Ein Wunder, dass sie überhaupt noch
Milch hergaben. „Kommt aus Wüste“, sagte Amboora. „Dort kein Essen. Kein
Regen.“ Wie kann man nur unter solchen Bedingungen leben, dachte Emma.
„Amboora, geh und hol Wasser und Brot, schnell!“ Die Frau musste sich mit den
letzten Kräften hierher geschleppt haben.
„Alles gut!“, sagte Emma leise auf Aranda. Sie konnte nicht
abschätzen, wie alt die Frau war, Nahrungs-und Wassermangel hatten Haut und
Haar stumpf gemacht, und ihre Brüste sahen aus wie die einer alten Frau.
Vielleicht war sie kaum älter als Amboora, dachte sie. Amboora kam mit einem
alten Kerosinkanister zurück, der als Wassercontainer diente. Emma goss Wasser
in einen Becher und gab ihn der Frau, die ihn mit unsicheren, zittrigen Händen
nahm und ungeschickt zum Mund führte. „Kennt nicht
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