Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)
Becher“, sagte Amboora, die
Emmas fragenden Blick bemerkt hatte. „In Wüste keine Becher.“ Natürlich!,
dachte Emma und schämte sich für ihre Dummheit. Amboora gab der Frau ein Stück
Brot. Die nahm es, roch daran und riss kleine Fetzen ab, steckte sie in den
Mund und kaute lange darauf herum. Offenbar schmeckte es ihr.
Zwei Männer kamen dazu
und wollten Damper. Emma musste ihnen verständlich machen, dass sie ihre
Rationen an Mehl, Tee und Zucker schon vor zwei Tagen erhalten hatten. Doch die
beiden gaben nicht so schnell auf. Einer der beiden wandte sich an Amboora. „Er sagt, Tanten und Onkel
alles gegessen“, übersetzte sie. „Sag ihm, dass die Ration für sie und ihre
Kinder und ihre Frau ist, und nicht für Tanten und Onkel. Die sollen zu mir
kommen. Dann bekommen sie auch etwas, wenn sie arbeiten können.“ Amboora
zögerte, redete dann aber doch auf die Männer ein. Doch die schüttelten den
Kopf. „Das unser Gesetz“, sagte Amboora zu Emma. „Du hast Essen, musst du
anderen von Familie geben.“ Emma seufzte. „Bitte, sag ihnen, dass das heute
eine Ausnahme ist. Wenn ihre Onkel und Tanten etwas zu essen haben wollen, dann
sollen sie auf der Station helfen.“ Amboora übersetzte und gab ihnen ein Stück
Brot. Doch sogleich kamen andere und wollten auch etwas. „Gut! Ihr sollt etwas
haben, aber ich brauche Hilfe im Garten. Jeder, der mir heute hilft, bekommt
etwas.“
Die Begeisterung ließ
nach. Schließlich versprachen Mani, Isi, Pjakata und zwei weitere Frauen, dass
sie helfen würden. Ein paar Männer mit Speeren gingen weg. Sie würden jagen und
vielleicht mit Beute zurückkehren. Emma trug Amboora auf, der abgemagerten Mutter
mit ihrem Baby etwas von der Ziegenmilch zu bringen, die sie am Morgen in den
Vorratsraum gestellt hatte. Wenn noch mehr Menschen kämen, wie sollte sie sie
alle ernähren?
6
Die Bezeichnung „Garten“
war ziemlich übertrieben. Es handelte sich um ein kleines Areal hinter dem
Wohnhaus, das John mit der Hilfe von ein paar Männern umgegraben hatte. Emma
zeigte den Frauen, wie sie die Pflanzen, die sie aus Stuart mitgebracht und nur
provisorisch in einen Topf gesetzt hatte, dort einsetzen sollten. Auch hatte
sie auf der Veranda ein paar Samen zum Wachsen gebracht, und die sollten
ebenfalls eingepflanzt werden.
Die Frauen stellten sich
sehr geschickt an. Sie waren an den Umgang mit Pflanzen und Erde gewöhnt. Von
klein auf hatten sie gelernt, wie man Wurzeln ausgrub, wie man Beeren, Früchte
und Blätter pflückte, ohne den Baum zu zerstören. Meist waren sie es, die den Stamm ernährten, denn
sie brachten regelmäßig Beeren, Wurzeln und Früchte, wohingegen das Jagdglück
der Männer nie vorauszusehen war.
Während die Frauen sich
um den „Garten“ kümmerten und daran wohl auch Gefallen fanden, denn sie
plauderten fröhlich miteinander, ging Emma mit einem Eimer zu den beiden
Ziegen. Sie könnten noch mehr Ziegen gebrauchen, dachte sie, als die Milch in
den Eimer spritzte, sie waren nicht so anspruchsvoll wie die Kühe, die sie in
der weiteren Umgebung grasen lassen mussten. Amboora hatte bisher die Ziegen
gemolken, aber inzwischen hatte sie genügend andere Aufgaben. Eine andere Frau
muss die Betreuung der Ziegen übernehmen, dachte Emma. Dann fiel ihr ein, dass
sie den Frauen das Nähen beibringen müsste. Eine Nähmaschine hatten sie in
ihrem Gepäck aus Adelaide mitgebracht und eine weitere war schon hier gewesen.
Ach, es gibt so viel zu tun! Sie hatte seit Tagen nicht mehr an das Schicksal
von Margarete und Hermann Weiß gedacht. Als es sich jetzt in ihre Gedanken
drängte, fühlte sie sich wieder beklommen, aber es hielt diesmal nicht lange
an..
Sie wollte gerade zum
Brotbacken ins Wohnhaus gehen, als sie Pferdegetrappel hörte. Jemand ritt,
eingehüllt in eine Staubwolke, aus Richtung Friedhof heran. Als er näher kam,
erkannte sie Paul, der dort vom Pferd sprang, wo John mit den Männern
Holzpfähle in den Boden grub. Er war also wieder da, stellte sie fest und
spürte, wie sich etwas in ihr verhärtete. Dennoch ging sie hinüber.
Paul sagte etwas zu
John. Die anderen Männer beobachteten sie neugierig. Daraufhin klatschte John
in die Hände und forderte sie auf, weiterzuarbeiten. Pauls Gesicht war erhitzt,
und Schweiß stand ihm auf der Stirn. „Was ist los?“, fragte Emma. Sein Blick
streifte sie nur kurz, wanderte dann hinüber zu den Bergen, die jetzt, in der
Mittagshitze, blass
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