Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)
beengt gefühlt. Sie war sicher, wenn sie keinen Gast
gehabt hätten, hätte Paul sich geweigert, doch an diesem Abend nickte er nur
und setzte sich Emma gegenüber an die andere Kopfseite des Tischs. John und
Robert Gordon hatten an den Längsseiten Platz genommen.
Eine leichte Brise
bauschte hin und wieder sanft das weiße Tischtuch und ließ das Windlicht
flackern. Zikaden zirpten, und drüben bei den Hütten stieg der Rauch der Feuer
auf. Emma hatte die Kaninchen mit Salz und ein paar getrockneten Gewürzen
geschmort. Dazu gab es Brot und Tee. „Wenn wir Glück haben, dann haben sich die
sieben Rinder nicht angesteckt“, sagte John und tunkte ein Stück Brot in die
Sauce. Er sah erschöpft aus. Emma fand, dass auch Paul schlecht aussah, die
Ringe unter seinen Augen waren nicht verschwunden, er war blass, und bestimmt
hatte er abgenommen. Die Sache mit den toten Rindern ... oder vielleicht auch
ihre Auseinandersetzung hatte ihn offensichtlich sehr mitgenommen, und außerdem
arbeitete er viel zu lang. „Zwei von ihnen werden bald kalben“, fügte John
hinzu. „Also wird vielleicht alles nicht so schlimm.“
Robert Gordon schnitt
ein Stück Fleisch ab. Er fühlte sich nicht ganz wohl in der Gesellschaft der
drei Menschen. Eine knisternde Spannung lag in der Luft. Wer weiß, wann sie
sich entladen wird, dachte er. Er warf einen Blick auf Emma. Sie machte einen angespannten
Eindruck. Ein verwirrendes Gefühl stieg in ihm hoch, dasselbe Gefühl, das er
auch am Nachmittag empfunden hatte, als sie neben ihm im Auto gesessen hatte.
Wie schön sie war! Im Licht der Kerosinlampe leuchtete ihr Haar wie Gold. Sie
sah ihn an. War da nicht ein Verlangen in ihren Augen? Sie senkte den Blick und
widmete sich ihrem Essen. War sie nicht errötet? Worauf lässt du dich
eigentlich ein, Robert Gordon!
„Es ist schlimm genug“,
sagte Paul und riss Robert aus seinen Gedanken. „Herr Pastor“, sagte Robert
rasch, um jeglichen Verdacht zu zerstreuen, „ich hab’ schon ganz andere Dinge
erlebt! Farmer, die alles verloren haben, durch eine Flut oder eine Dürre;
Familien, die alle acht Kinder durch den verdammten Typhus oder die Polio
verloren haben. Das ist ein raues Land, Pastor.“ Er wagte einen Blick zu ihr.
Sie sah ihn an. Ein nie endender Augenblick ... „Glauben Sie an Gott, Mister
Gordon?“, hörte er ihren Mann fragen. Wieder riss er sich von ihr los und
wandte sich dem Pastor zu. Er mochte ihn nicht. Mrs. Warton hatte Recht gehabt.
Er hatte etwas Fanatisches. Solche Menschen setzten ihre Ziele durch, egal, wie
hoch der Preis dafür war. „Nein“, sagte Robert. „Jedenfalls nicht an den, an
den Sie glauben.“ Sollte er ihm die Geschichte vom Krieg erzählen, wo er seinen
Glauben verloren hatte? Doch warum sollte er sich diesem so misstrauischen Mann
anvertrauen? „Und an welchen glauben Sie, Mister Gordon?“, fragte Paul. Robert
nahm ein Stück Brot. „Nun, Gott ist die Bezeichnung für eine Kraft“, sagte er gelassen.
Er wollte sich nicht auf eine theologische Diskussion einlassen. „Das, was die
Materie zusammenhält. Das Universum genauso wie diese Palmen hier, die
Sandkörner ...“ Er sah Emma an. Sie brachte ein kaum sichtbares Lächeln
zustande, schlug dann aber die Augen nieder. Er merkte, dass John Wittling ihn
musterte. John war sein Feind, das wusste er spätestens jetzt. Wie er ihn
anstarrte! John war in Emma verliebt.
„Dann stehen Sie den
Eingeborenen näher als uns“, sagte
Paul. Bemerkt er überhaupt, was hier am Tisch gerade vor sich geht?,
dachte Robert. „Pantheismus ... Die Ahnen sind in allem, in jedem Baum, jedem
Berg ...“, redete Paul unbeirrt weiter. „Sie befassen sich immerhin seit
vierzigtausend Jahren mit Gott“, sagte Robert. „So alt ist ihre Religion. Und
wie alt ist das Christentum? Noch nicht einmal zweitausend Jahre, nicht wahr?“
Er wollte dieses Gespräch beenden.
„Mister Gordon“, sagte
Emma. Ich will jetzt keinen Streit, dachte sie. „Erzählen Sie uns doch, was Sie
hier fotografieren wollen.“ Sie bemühte sich um einen freundlichen, neutralen
Blick, doch ihr war heiß. Hatte sein Knie nicht eben unter dem Tisch das ihre
berührt? „Die Missionsstation“, antwortete er und sah sie an. Spürte auch er
es? Glühten nicht seine Augen? „Die Kirche, Ihren Gemüsegarten ...“ Er lächelte
kurz und wandte sich an Paul und John. „Und natürlich die Aborigines. Ihre
Tänze, ihre Gesänge gehen
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