Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
Vom Netzwerk:
hier, durchbohrt von einem Speer ... Er wollte endlich kein
    Überlebender mehr sein. „Töte mich!“, brüllte er. „Hört auf damit!“ Emma warf
    sich zwischen John und den Ältesten, aber John stieß sie wieder weg, sodass sie
    stolperte und rückwärts zu Boden fiel.
    Warum nur töteten sie
    ihn nicht? „Los!“, schrie er in ihre ungerührten Gesichter. Der Steinsplitter
    der Speerspitze blitzte auf, doch sie bewegten sich nicht. Und dann kam der
    Moment, den er gefürchtet hatte. Er kämpfte dagegen an; die Tränen stiegen ihm
    dennoch in die Augen. „Töte mich!“, schrie er noch einmal, ein letztes Mal.
    Da hob der Älteste den
    Speer. Ja, gleich wäre es vorüber! John heftete den Blick auf die Speerspitze,
    doch dann musste er mit ansehen, wie der Älteste den Speer in die Erde rammte,
    sich umdrehte und ging, und die Menge folgte ihm. Sprachlos starrte er ihnen
    hinterher, dann riss er sich den weißen Kragen weg, warf ihn in den Sand und
    sackte schluchzend zusammen. Nie wieder wollte er aufstehen.
    „John!“ Benommen starrte Emma ihn an, wie
    er auf einmal wortlos aufstand und mit großen Schritten davonging, ohne sie
    noch einmal anzusehen. „Berge bleiben“, sagte jemand mit sanfter Stimme. Jetzt
    erst bemerkte sie, dass Petrus nicht gegangen war. „Die Erde bleibt. Ist Traum,
    ist Gesetz. Niemand kann das ändern. Auch kein weißer Gott. Niemand.“ Er
    streifte sie mit einem ernsten Blick, und dann ging auch er davon. Nun stand
    sie allein auf dem Friedhof, am Fuß der roten Berge, vor sich das offene Grab.
    Wir sind gescheitert,
    dachte sie. Warum, Herr, hast du uns auf diesen Weg geführt? Sie erinnerte sich
    an jenen Satz, den Paul ihr auf dem Schiff gesagt hatte, als sie den Hafen
    verließen: Denk immer daran, Emma:
    Was immer uns widerfahren mag, was immer uns in diesem fernen Land begegnen
    mag, Gott hat uns auf diesen Weg geführt. Wie hoffnungsvoll und tatkräftig waren sie aufgebrochen, welche
    Strapazen hatten sie ertragen, welche Rückschläge erlebt, um am Ende erkennen
    zu müssen, dass alles umsonst gewesen war. Haben wir deine Stimme nicht gehört?
    Sie sah zu den Bergen, den schweigenden Zeugen ihrer Tragödie. Bald würden sie
    purpurn glühen. Die Berge bleiben. Das Land bleibt ... und Pauls Knochen
    werden zu Jahresringen dieser Erde, dachte sie. Sie nahm eine Schaufel und
    machte sich an die Arbeit.

    John sah sie von der
    Schmiede her kommen, eine Schaufel in der Hand. Mit energischen Schritten
    überquerte sie den Platz. Ihr helles Kleid war staubig und hatte
    Schweißflecken. Strähnen ihres weizenblonden Haars hingen ihr ins Gesicht und
    in den Nacken, sie musste ihren Hut verloren haben. Ihr Anblick schmerzte ihn
    noch mehr. Als sie ihn vor dem Haus bemerkte, blieb sie stehen. Ihr
    vorwurfsvoller Blick tat ihm weh. Er wich ihm aus.
    „Was, um Himmels willen,
    haben Sie sich dabei gedacht?“, fuhr sie ihn wütend an. Es fiel ihm nicht
    leicht ... doch was hatte er noch zu verlieren? „Ich will mich nicht
    entschuldigen. Manches kann man nicht entschuldigen.“ Er räusperte sich. „Ich
    muss Ihnen eine Geschichte erzählen.“ Nie hatte er von sich aus diese
    Geschichte erzählen wollen. Sie antwortete nicht gleich. Und für einen Moment
    fürchtete er, sie würde sich einfach abwenden und davongehen. „Wir sollten in
    den Schatten gehen“, sagte sie schließlich.
    Er nickte, und sie
    folgte ihm auf die Veranda des Haupthauses. Sie lehnte die Schaufel an die Hauswand,
    schob einen der beiden Stühle in den Schatten, setzte sich und sah ihn
    abwartend an. Er stützte sich auf das Geländer, so wie er in Tanunda auf der
    Veranda von Pastor Emig gestanden und sie in der Droschke hatte kommen sehen.
    Schon damals war alles besiegelt, dachte er, und sah zu den Bergen.
    „Wollen Sie mir immer
    noch eine Geschichte erzählen, John?“, hörte er sie fragen. Er drehte sich zu
    ihr. Ihr Gesicht war von der Sonne erhitzt und gerötet. Ihre Augen glänzten,
    und ihr Mund ... Rasch wandte er sich ab. Ja, er würde es ihr anvertrauen. Er
    schloss die Augen und da sah er alles wieder vor sich.
    Es war ein wunderschöner Tag, ein warmer Frühlingstag im Norden
    Südaustraliens. Der Himmel war blau, und die rote Erde leuchtete. „He, John“, ruft der Vater seinem Sohn aus
    dem Gehege zu, in dem sich die für den Abtransport zusammengetriebenen Rinder
    drängen, „du passt hier auf. Lauf rüber und sag mir Bescheid, wenn du die
    Viehtreiber kommen siehst!“ „Ja,

Weitere Kostenlose Bücher