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Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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war.
    Die beiden Frauen
    näherten sich ihr mit gesenktem Blick. Die Tür fiel zu, und als sie in den
    Lichtschein des Fensters traten, konnte Emma sehen, dass Mamuru ihr Baby in den
    Armen trug. „Missus“, sagte Amboora mit ihrer sanften Stimme, „du gehst auch?“
    Emma seufzte, erwiderte aber nichts. Ambooras kohlrabenschwarze Augen
    betrachteten sie mit ernster Aufmerksamkeit. Das winzige Baby schlief
    friedlich. Emma wies zu den Stühlen, und die beiden Frauen setzten sich
    vorsichtig. Mamuru schien von dem Haus und seiner Einrichtung eingeschüchtert
    zu sein, sie wagte kaum aufzusehen.
    Schließlich sagte
    Amboora: „Mamuru mit Wadi hier, weil Missus hier.“ Wadi hieß das Baby, wusste
    Emma und nickte. „Wadi tot und Mamuru tot, wenn nicht Ziege und Milch“, fuhr
    Amboora fort. „Wenn Missus geht, was mit anderen Wadis und Mamurus?“ Hatte Gott
    tatsächlich diese beiden Frauen geschickt, um ihr eine Antwort zu geben? Emma
    betrachtete die schüchterne junge Mamuru und das kleine schlafende Wesen an
    ihrer bloßen Brust. Als sich ihr Blick mit dem Ambooras kreuzte, lächelte sie.
    „Ich gehe nicht,
    Amboora“, sagte sie, und Ambooras Augen bekamen einen Augenblick lang einen
    ganz besonderen Glanz. Nein, sie konnte die Menschen nicht im Stich lassen. Sie
    hatte eine Aufgabe übernommen, sie konnte doch nicht einfach ... fliehen!
    Amboora stand auf und ging zur Tür, Mamuru folgte ihr. Amboora drehte sich noch
    einmal um und lächelte Emma zu. Es war ein flüchtiges, aber warmes Lächeln, das
    Emma tief berührte. Und da wusste sie, dass sie die richtige Entscheidung
    getroffen hatte.
    Am Abend aß sie nichts. John
    war zwei Stunden zuvor davongeritten. Er hatte geklopft und versichert, dass
    er, sobald er in Stuart angekommen wäre, jemanden nach Neumünster schicken
    würde. „Leben Sie wohl, Emma“, hatte er noch gesagt und sich dann rasch
    umgedreht. Als sie der Staubwolke seines Pferdes hinterhergesehen hatte, hatte
    sie gewusst, dass mit ihm auch ein Teil von ihr gegangen war. Noch eine ganze
    Weile hatte sie draußen auf der Veranda gestanden und in die Ferne geblickt.
    Spät am Abend setzte sie
    sich an Pauls Schreibtisch und zündete die Kerosinlampe an. Auf einmal glaubte
    sie Pauls Schritte zu hören. Doch da war niemand. In dem schwach erleuchteten
    Arbeitszimmer saß nur sie. Sie dachte an Johns Geschichte. Was würde er mit
    seinem Leben anfangen? Wenn Isabel nicht wäre, dachte sie, doch dann verbot sie
    sich weitere Gedanken. John würde zu Isabel nach Adelaide gehen und ein neues
    Leben anfangen, bestimmt. Und sie, Emma, sollte sich jetzt ihrer Aufgabe
    widmen. Wie lange sie in Neumünster würde bleiben können, wusste sie nicht. Es
    blieb ihr sicher nicht mehr viel Zeit. Doch die wollte sie nutzen. Sie wollte
    die Anfänge für den Bau der Wasserleitung in Angriff nehmen. Die Menschen
    brauchten frisches Wasser, damit sie nicht mehr von verseuchten Wasserlöchern
    abhängig waren, damit Typhus-Epidemien ein für allemal der Vergangenheit
    angehörten. Zuerst müsste sie mit Eric, dem Ingenieur in Stuart, Kontakt
    aufnehmen und ihn um seine Einschätzung bitten, dann sollte sie der
    Missionsgesellschaft das Vorhaben schildern und um Geldmittel bitten. Außerdem
    brauchte sie Lebensmittel und Medikamente. Die Zeit drängte, und es gab so viel
    zu tun.
    Sie zog die
    Schreibtischschublade auf, um nach Papier zu suchen, als ihr Blick auf ein
    Kuvert fiel. In Pauls schräger Handschrift stand dort ihr Name. Seit jenem Tag,
    an dem John die Tür eingetreten hatte, hatte Paul nicht mehr mit ihr
    gesprochen. Sollte er ihr in diesem Schreiben nun doch ein paar Worte
    hinterlassen haben? Erst langsam, dann ungeduldig riss sie den Umschlag auf und
    faltete das Papier auseinander.
    Emma,
    wenn Du diesen Brief in deinen
    Händen hältst, bin ich zu Gott heimgekehrt. Nur er wird über mein Leben
    richten.
    Ich habe Margarete nicht helfen
    können, ich habe noch nicht einmal herausfinden können, was mit ihr geschehen
    ist. Gott wollte offenbar nicht, dass ich danach suche.
    Doch eines ist sicher: Emma, Du
    musst die Missionsstation verlassen. Gott will nicht, dass wir da sind. Er ruft
    uns weg. Wir müssen seinem Ruf folgen.
    Emma, wenn du diese Zeilen liest,
    musst Du sofort deine Koffer packen und abreisen. Wenn Du in diesem Land
    bleiben willst, dann bleib in Adelaide. Aber bleib nicht hier.
    Paul
     
    P.S.: Möge Gott mir verzeihen, dass
    ich Deine Liebe nicht so erwidern
    konnte, wie Du

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