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Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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die anderen Männer, Frauen und Kinder? Was war damals geschehen?
    Und wie viel hatte Paul gewusst? Ihre Unruhe wurde größer, das Heulen des
    Windes bedrohlicher, und die Dunkelheit und Enge im Haus ängstigten sie. Emma
    kauerte sich unter der Decke und kämpfte gegen Albträume an. Morgen, versuchte
    sie sich einzureden, morgen, wenn die Sonne aufgeht, sieht alles wieder anders
    aus.
    Der Sturm tobte die
    ganze Nacht. Immer wieder wurde Emma durch dumpfe Schläge aus dem Schlaf
    gerissen. Gewaltige Sturmwellen rollten gegen die Hausmauern, die Druckwellen
    schmerzten in ihren Ohren, es dröhnte und heulte, und jeden Augenblick drohten
    die Wände und Fenster zu explodieren. Der Sand drang durch alle Ritzen, überzog
    jeden Gegenstand, sammelte sich in den Ecken und unter den Fenstern. Zwischen
    ihren Zähnen knirschten die Sandkörner, und ihre Augen brannten. Die Hütten
    draußen mussten längst weggefegt sein!
    Bis zum Anbruch der
    Dämmerung hielt sie es aus, dann riss sie die Haustür auf und stürzte in den
    tobenden Sturm hinaus. Wie Nadeln bohrten sich die Sandkörner in ihre Haut. Sie
    kniff die Augen zusammen, hielt die Hand schützend vor ihr Gesicht, zog den
    Kragen des Kleides bis zur Nase hoch und kämpfte gegen die tosenden Böen an.
    „Amboora!“, rief sie wieder, doch ihre Stimme ging im Brausen
    des Sturms kläglich unter. Als sie den Hütten näher kam, konnte sie durch den
    Staubschleier erkennen, wie der
    Wind das Reisig aus den Dächern herausriss, wie die Wände aus Zweigen
    einstürzten und über das Land gefegt wurden.
    Wenige Meter vor der
    ersten Hütte blieb sie stehen. Nein, hier waren keine Menschen mehr. Waren sie
    rechtzeitig geflohen und hatten sich woanders in Sicherheit gebracht? Sie
    wankte im Sturm auf die Hütte zu, in der Mani gewohnt hatte, und sah gerade
    noch, wie die letzte Wand aus Reisig und Lehm weggerissen wurde.
    Sie stemmte sich gegen
    den Wind. War das nicht eine Bewegung da hinten? Ein flackerndes Licht? Die scharfen
    Sandkristalle drangen in ihre Nase, sie knirschten zwischen ihren Zähnen, sie
    brannten in ihren Augen, und sie stachen in ihr Gesicht. Der Sturm warf sich
    ihr entgegen, stieß sie zurück, zerrte sie zur Seite, brauste in ihren Ohren,
    doch sie ließ sich nicht aufhalten, stapfte weiter zwischen den herumwirbelnden
    Zweigen hindurch auf dieses Leuchten zu. Da war jemand, ganz sicher. Das Licht
    musste in der Nähe des Buschs sein, wo sie die kranke Frau gefunden und
    beerdigt hatten. Sie blieb kurz stehen und rang nach Luft. Ihre schmerzenden
    Augen tränten. Wo, wo war das Licht? Eben war es doch noch da gewesen ... Sie
    suchte in den gewaltigen Schatten, zu denen die Felsbrocken am Fuß der Berge
    geworden waren, diesen leuchtenden Punkt. Eine Feder von Wirinun vielleicht
    oder einer der weißen Hunde oder ein Feuer? Schritt für Schritt kämpfte sie
    sich voran, rang dem Sturm jeden Schritt ab, sie stolperte, torkelte, fing sich
    wieder, ging weiter, stolperte wieder, stürzte zu Boden, keuchte vor
    Anstrengung, rappelte sich auf und suchte weiter. Sie müsste dem Licht doch
    schon viel näher gekommen sein! Aber es war noch immer genauso klein, genauso
    weit weg. Weiter!, trieb sie sich selbst an, weiter, nicht stehen bleiben, da
    ist jemand!
    Irgendwann war ihr, als
    habe der Sturm auch ihre Gedanken zerfetzt. Sie hörte auf zu denken. Sie ging
    einfach nur weiter auf dieses Leuchten zu, das den Berg immer höher
    hinaufzuklettern schien. Ein Feuer? Ein brennender Busch? Einen Augenblick lang
    stellte sie sich die Frage, warum sie nicht zurück zum Haus ging, warum sie
    unbedingt diesen Punkt erreichen wollte? Sie fand keine Antwort. Wenn nur das
    Heulen nicht wäre! Dieses schreckliche Heulen! Wie das Jammern von geschundenen
    Menschen! Sie stürzte, lag mit dem Gesicht auf der trockenen Erde und presste
    die Hände auf die Ohren. Und dann sah sie ihn: ihren Vater! Das Leuchten kam
    von seiner Laterne, die er in der Hand hielt. Sie stützte sich auf die Hände,
    versuchte aufzustehen, sackte wieder nach vorn, Zweige peitschten ihr ins
    Gesicht, sie schmeckte Blut, warmes Blut, es war stockfinster, nur dieses
    Licht, dieses ferne Leuchten, sie musste weiter, ihr Vater rief sie ...
    „Papa!“, schrie sie gegen das Tosen an, „Papa, geh nicht wieder weg, ich komme,
    ich komme!“
    Es wird auch Zeit, dass du kommst, hörte sie ihn sagen, wo bist du nur gewesen, all die Jahre? Und
    warum hast du deine Mutter allein gelassen?
    Aber, Papa ...

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