Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)
sich an ihn
drängte, er sah ihren Blick in seine Augen tauchen, er hörte ihre Stimme. Warum
... warum nur waren sie sich nicht früher im Leben begegnet, bevor sie
geheiratet hatte? Er nahm einen Schluck aus der Whiskyflasche, die er in Stuart
gekauft hatte.
Das Kaninchen schmeckte
ihm nicht. Er sollte es für morgen aufheben. Er schnitt das Fleisch vom Spieß
und legte es auf einen Stein. Es zischte. Er nahm einen weiteren Schluck
Whisky. Er wollte sich betrinken; ja, er wäre jetzt gern betrunken und in einem
Zustand, der ihn schweben lassen, ihn alle Widrigkeiten vergessen lassen und
ihm ein glückliches, erfülltes Leben vorgaukeln würde. Aber so weit war er noch
nicht. Und er bezweifelte, dass ihm das mit dieser einen Flasche überhaupt
gelingen würde. Schweigend starrte er in die stille Nacht.
Irgendwann war die
Flasche bis auf einen Schluck geleert, und er wusste, morgen würde es ihm
schlecht gehen. Aber was machte das schon, ob er zwei Stunden früher oder
später aufstand? Wen kümmerte es? Die Welt würde sich deshalb nicht verändern.
Die Äste und Zweige knackten im Feuer. Wie leer sein Leben war! Aber hatte er
es nicht genau so gewollt: keine Verantwortung, keine Erklärungen, keine Pläne?
Der einzige Mensch, das
einzige Wesen, dem sein Tod auffallen würde, wäre Moses. Er sah zu ihm hinüber.
Moses bewegte sich unruhig, manchmal stöhnte er auf. Robert streckte sich auf
seiner Decke aus, verschränkte die Arme unter dem Nacken und sah hinauf in den
Himmel. Nein, sein Leben bedeutete nichts. Gar nichts. Jeder leuchtende Punkt
da oben am Firmament war großartiger, einmaliger als er. Sein Leben hatte keine
Bedeutung. Und wenn sein Leben keine Bedeutung hatte, dann spielte es auch
keine Rolle, ob er glücklich oder unglücklich war. Er seufzte. Wind kam auf und
wurde stärker. Er sollte das Feuer löschen. Mühsam richtete er sich auf und
schüttete das Feuer mit Sand zu. Dicke Wolken verdunkelten auf einmal den Mond.
6
Ein dumpfer Schlag ließ
sie auffahren. Sie musste eingeschlafen sein. Schon wieder ein Schlag! Ein
Fensterladen klappte auf und zu. Draußen heulte der Wind, das Haus erzitterte,
um sie herum war es dunkel geworden. Aber die Umrisse des Kästchens da auf dem
Waschtisch konnte sie noch immer erkennen. Langsam stand sie auf. Der Schwindel
war vorüber, sie fühlte sich nur noch ein wenig benommen. Als sie die Gardine
zur Seite schob und hinaussah, erschauerte sie. Giftig gelbschwarze Wolken
hingen tief über dem Land, die Berge waren fast schwarz, der Wind trieb
Sandböen vor sich her, bog die Wedel der Dattelpalmen und zerrte an den Ästen
der Geisterbäume vor der Kirche. Heulend fuhr der Wind durch alle Ritzen des
Hauses. Wieder fiel ihr Blick auf das Kästchen. Sie eilte in Pauls
Arbeitszimmer und zog die Schublade auf.
... Und wenn das Kind
kommt, was schon in einem Monat sein wird, und es ihm ganz und gar nicht
ähnlich sieht, dann werde ich ihm nichts mehr verheimlichen können ...
Sie betrachtete die
Locke. Margarete hatte helles Haar, jedenfalls auf den Fotos, die sie von ihr
kannte. Hermann Weiß, soweit sie sich erinnerte, auch. Die Locke aber war
dunkelbraun ... und Robert Gordons Haar war auch dunkelbraun ... Sie schluckte
schwer.
„ Die
Gegner der Kirche warten nur darauf, uns zu verleumden “, hatte Paul gesagt
... Weil sie einer Missionarin Ehebruch vorwerfen konnten? Hatte Paul das
gemeint? Die Geräusche von draußen wurden lauter und bedrohlicher. Wo nur war
Amboora? Warum kam sie nicht ins Haus zurück? Emma ging in die Küche, goss sich
Wasser aus einem Kanister in einen Becher und trank. Wie durstig sie war! Ihr
Herz hämmerte, sie wollte tief atmen, doch ihr Brustkorb war wie eingeschnürt.
„Amboora!“, rief sie
wieder, doch auch jetzt kam keine Antwort. Sie ging ins Schlafzimmer zurück.
Sobald der Sturm aufgehört hätte, würde sie nach draußen gehen und Amboora
suchen. Sie war sicher, dass die Frauen mehr über das Kind wussten. Außerdem
brauchte sie frisches Wasser.
Dröhnend und heulend
warf sich der Sturm gegen das Haus, drückte Luft und Sand durch all Ritzen.
Unter ihren Schuhsohlen knirschten die Sandkörner. Ich muss schlafen, sagte sie
sich, damit ich meine Kräfte schone. Morgen ist der Sturm vorbei. Lange
versuchte sie einzuschlafen, doch ihre Gedanken wollten nicht zur Ruhe kommen.
Wie mochte es John gehen? Hatte er sich in Sicherheit bringen können? Wo waren
Amboora und
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