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Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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ist
    Margarete gestorben?“, fragte sie weiter. „Pastor.“ Emma schluckte. Hermann
    Weiß, rasend vor Wut, hatte Moses angegriffen, oder Margarete ... und Moses war
    ihr zu Hilfe gekommen und hatte Hermann Weiß ... getötet ...
    „Hermann Weiß hat sie
    getötet, weil sie ein Kind von Moses bekam?“ Sie sah zu den anderen Frauen, die
    mit ernster Miene dasaßen. Einige nickten, auch Isi. Mein Gott, dachte sie, was
    hat sich da für eine Tragödie abgespielt! „Wo ist das Kind?“ Diesmal schwieg
    Isi. Auch Mani und Amboora antworteten nicht. Sie erinnerte sich an die
    Kranken, die zur Missionsstation gekommen waren und um die sich niemand
    gekümmert hatte, weil sie Fremde waren. Würden andere Mütter das Kind annehmen? „Isi, ist es auch getötet worden?“,
    fragte sie beklommen. Sie fürchtete wieder ein Nicken, doch Isi schüttelte
    langsam den Kopf. „Es lebt also noch!“ Da legte Mani ihre Hand auf Emmas Arm.
    „Zu spät.“ Emma begriff nicht. „Was meinst du damit?“ Isi und Mani sahen sie
    mit ihren schwarzen Augen an. „Gesetze ändern sich nicht“, sagte Isi mit
    dunkler Stimme.
    Die Berge bleiben, ich werde zu Erde, Baum wird zu Erde ... Emma erinnerte sich, aber was
    meinte Isi jetzt? Da kam ihr Amboora zu Hilfe. „Es ist wieder in Ordnung.“
    „In Ordnung?“, wiederholte Emma leise, als könne sich so der
    Sinn erschließen. In Ordnung ... zu spät ... Es gab nur eine Erklärung:
    Das Kind war tot. Das Gesetz hatte es so vorgeschrieben. „Es ist also wieder in
    Ordnung?“
    Isi, Amboora, Mani, auch
    die anderen Frauen nickten erleichtert. Was sollte sie tun? Sie alle des Mordes
    bezichtigen, ihnen Gottes Gebot vorhalten: Du sollst nicht töten? Mit welchem
    Recht? Diese Menschen hatten ihr das Leben gerettet, sie wäre sonst verdurstet,
    sie hatten sie mit an ihren heiligen Ort genommen ... und sie hatten sie auch
    hierher gebracht, weil sie wollten, dass sie die Wahrheit erfuhr. Sie hatten
    ihr Vertrauen geschenkt. Bestürzt und beschämt zugleich starrte sie in den Sand
    vor ihren Füßen.
    Die Frauen begannen
    miteinander zu reden. Isi beendete mit wenigen kurzen Worten das Stimmengewirr.
    Sie ließ ihren Blick über die Ebene und die Berge schweifen und wandte sich an
    Emma. „Ich sterbe hier“, sagte sie, „Knochen werden zu Erde. Geist geht zurück
    zu meiner Mutter, zu meinem Land.“ Sie sah Emma eindringlich an. „Hier mein
    Land, meine Mutter und Mutter der Mutter ... für immer.“
    Sie blickte wieder
    hinunter in die Weite, und auf einmal verstand Emma. Es ging um das Land, in
    dem sie geboren wurden. Sie wollten hier leben, hier sterben, ob mit oder ohne
    Missionsstation. Sie drehte sich um und bemerkte, dass auch die anderen Frauen
    sie ansahen. Niemand regte sich, niemand sprach. Es herrschte eine geradezu
    heilige Stille. Ja, dachte Emma, sie wollten hier leben, weil sie auch hier
    sterben wollten, weil hier ihre Ahnen gelebt hatten und gestorben waren. Weil
    das ihre Heimat war. Sie dachte an ihre Ahnen, an ihren Vater, an ihre Mutter, an ihre Heimat. Wie arm sie doch war,
    wie verloren ... Sie kämpfte gegen die Tränen an, die in ihr aufstiegen. Sie
    war allein, ohne Land, ohne Heimat, ohne Mutter, ohne Vater, ohne Mann, ohne
    Kind ...
    Da spürte sie Isis Hand
    auf ihrer Schulter. Sie konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten. Isi wiegte
    sie in ihren Armen wie ein Kind.

9
    „Es muss ein Ende haben,
    Jalyuri“, hatte der Älteste im Rat gesagt, und alle anderen hatten zugestimmt.
    Dann war geschehen, was er schon lange befürchtet hatte. „Es ist dein Bruder,
    Jalyuri, deshalb musst du es tun.“
    Der Älteste hatte nur ausgesprochen, was alle und auch Jalyuri schon wussten.
    „Du musst ihn finden und töten, so ist das Gesetz.“ Doch dann hatte Wirinun
    noch etwas hinzugefügt. „Du musst auch das Kind töten. Sonst ist es sinnlos.
    Während er in einer
    Erdmulde kauerte, war der Sturm über ihn hinweggefegt. Die Schmerzen seiner
    gebrochenen Zehen nahm er erst jetzt, beim Gehen, wieder wahr. Sie machten ihm
    nichts aus. Etwas anderes plagte ihn viel mehr: seine Aufgabe. Du musst es tun,
    Jalyuri, hatte der Älteste gesagt. Sonst sterben deine Kinder und wer weiß, wer
    noch. Das Sterben wird kein Ende haben, bis die Tat gesühnt ist. Wirinun hatte
    genickt. Er hatte zu seinem anderen Gott, dem in der weißen Kirche, gebetet,
    doch der hatte ihm keine andere Lösung genannt. Er hatte geschwiegen.
    Jalyuri tastete nach dem
    Messer in seinem Gürtel.

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