Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)
ach, es
tut mir so Leid! Ich wusste doch nicht...“ Sie brach ab, unendlich erleichtert
über seine Stimme, sie schaffte es, auf die Beine zu kommen, stolperte weiter,
stürzte über einen Stein, stand wieder auf, kletterte weiter. Was tat er nur da
oben auf dem Berg, ihr Vater? „Papa! Geh nicht wieder weg! Bleib doch stehen!“,
schrie sie in die Finsternis, doch er ... er antwortete nicht mehr. Weiter,
weiter, ich muss bald da sein ... „Papa! Hör doch! Ich wollte doch, dass du
stolz auf mich bist! Mein Leben sollte etwas wert sein!“, schrie sie
verzweifelt. Sie stolperte weiter, immer höher die Felsen hinauf. Weiter,
weiter, trieb die innere Stimme sie an. Sie nahm all ihre Kräfte zusammen und
stand auf. Sie glaubte, auf einem Pfad zu sein, der sich zwischen Felsbrocken
hindurchschlängelte. Er wurde von tiefen Gesteinsspalten durchschnitten und
wand sich serpentinenartig weiter hinauf.
Nur mühsam kam sie
vorwärts, Meter um Meter schleppte sie sich weiter. Es war finster, über den
Mond zogen schwarze Wolkenfetzen. Irgendwann schaffte sie es nicht mehr, sich
aufzurappeln. Da wurde ihr klar, dass sie allein war, dass ihre Kräfte nicht
ausreichten, um zurückzufinden, dass sie dabei war zu verdursten ... und dass
sie sich das Licht und die Stimme ihres Vaters nur eingebildet hatte, doch dann
hob sie den Kopf, sah wieder das Leuchten und wusste, dass ihr Vater da oben
auf sie warten würde. Mit einem glücklichen Lächeln sackte sie zusammen. „Papa,
gleich bin ich bei dir ...“
7
Dem Kadaitcha-Mann
brechen sie die kleinen Zehen. Sie hängen dann schlaff herunter und ertasten
die verräterischen Steine und Wurzeln, wenn der Kadaitcha-Mann der Spur seines
Opfers folgt. Der Kadaitcha-Mann darf zu niemandem sprechen. Jalyuri hatten sie
die Zehen gebrochen. Geschwollen hingen sie an seinen Füßen. Er war jetzt der Kadaitcha-Mann. Du
sollst nicht töten, hämmerte es immer und immer wieder in seinem Kopf, während
er mit schmerzenden Füßen über das Land wanderte. Er musste ein Leben gegen ein
anderes Leben tauschen. Es würde schnell gehen. Er hatte ein Messer mit einer
scharfen Klinge. Aber dann? Könnte er zu dem Gott in der weißen Kirche gehen
und ihm erklären, dass er es tun musste ?
Er hatte schon einmal um Vergebung gebetet, nachdem er den Goldgräber getötet
hatte. Aber diesmal war es anders, oder nicht? Musste er es diesmal nicht auch
tun, um ein Leben zu retten? Die Gedanken quälten ihn, und er steckte sich
Pituri in den Mund, damit sie endlich aufhörten. Der Himmel vor ihm war schwer
und dunkel. War das ein Zeichen? Ein gutes? Ein schlechtes? Und von welchem
Gott? Er musste sich für die Nacht eine geschützte Stelle suchen.
8
Wasser im Mund ... So
wachte sie auf. Wo war sie? Wie still es war. War sie tot? Über ihr spannte
sich kein tiefblauer Himmel, und es schien keine erbarmungslose Sonne. Über ihr
war ein Gesicht. Sie kannte es.
„Amboora!“ Das Mädchen
befeuchtete Emmas Stirn mit Wasser. Wie gut sich ihre kühle Hand anfühlte. „Wo
bin ich?“ Emma versuchte sich aufzurichten, doch sie war zu schwach. Sie lag
auf einer Decke im Sand, über ihr wölbte sich ein Felsen. Sie war in einer
kleinen Höhle, in deren Eingang sich das überwältigende Blau des Himmels
drängte. „Trink!“ Amboora reichte ihr eine Schale mit Wasser. Wie durstig sie
war! Dankbar nahm Emma die Schale und trank. Noch nie hatte Wasser so wunderbar
geschmeckt. „Amboora, wo bin ich?“, fragte sie noch einmal.
„Bei uns“, sagte eine andere Stimme. Und hinter Amboora
erkannte Emma Mani. War das alles wirklich, oder war sie das Opfer ihrer
Phantasien? Amboora machte Mani Platz, und Emma sah, dass Mani ihr Kind an die
Brust hielt und lächelte. Auf einmal kam ihr alles, was geschehen war, wie ein
böser Traum vor. Hatte es den Sandsturm überhaupt gegeben?
„Aber ... wo bin ich hier?“, fragte sie wieder. Diesmal gelang
es ihr, sich aufzusetzen. Ihre Hände griffen in den weichen, kühlen Sand der
schattigen Höhle. Nun erst bemerkte sie die anderen Frauen, die im Hintergrund
auf Steinen und auf der Erde saßen und sie beobachteten. Fragend sah sie erst
Mani, dann Amboora an. Dann entdeckte sie Isi. „Platz der Frauen“, erklärte
diese. „Verboten für Männer“, sagte Amboora, und die Frauen nickten und
murmelten miteinander.
Als Emma zum
Höhlenausgang hinausblickte, erkannte sie weit, weit entfernt den Gebirgszug
der MacDonnell
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