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Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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Passagiere die Britannia verließen und
    einige neue an Bord gingen. Emma verlor allmählich die Geduld. Sie wollte
    endlich ankommen. Doch die Britannia kümmerte das wenig. Mit geradezu
    stoischer Ruhe, so kam es Emma vor, bahnte sich das Schiff seinen Weg durch den
    Indischen Ozean. Seemeile für Seemeile. Tag für Tag und Nacht für Nacht.
    Am Abend des 24. Juni
    überquerten sie den Äquator. Es gab eine ausgelassene Feier, bei der Unmengen
    von Alkohol getrunken und allerlei derbe Späße gemacht wurden. Ottmar Friedrich
    wirkte zwar noch etwas kränklich, doch diesen Abend wollte er sich von seiner
    „Befindlichkeit“, wie er sich ausdrückte, nicht verderben lassen. Er bestellte
    Wein für sich und seine Frau, und nach dem Essen rauchte er seine Zigarre und
    trank zwei Gläser Cognac. „Man darf sich einfach nicht hängen lassen!“, spaßte
    er, und Hilde Friedrich schüttelte – mit echter oder gespielter
    Entrüstung, das konnte Emma nicht eindeutig entscheiden - den Kopf. Sie war
    wohl beim Friseur gewesen, fiel Emma gleich zu Beginn des Abends auf. Ihr
    graues Haar hatte einen Stich ins Mauvefarbene angenommen, und es war frisch
    onduliert.
    Seit jenem Abend hatte
    Emma keinen Alkohol mehr angerührt. Die Begegnung mit Max Jacobs, so sagte sie
    sich, wäre ohne den Genuss des Weins - mein Gott, aber es war doch wirklich nur
    ein kleines, kleines Glas – anders verlaufen. Sie hätte den Versuchungen
    widerstanden, da war sie sicher. Sie registrierte einen Blick von Paul, und ihr
    war, als wüsste er genau, was an jenem Abend geschehen war. Doch dann wischte
    sie diesen Gedanken weg. Paul hatte in der Kabine im Bett gelegen. Er wusste
    nichts von Max Jacobs. Verblüfft und ungläubig sah sie Paul an, als er
    tatsächlich eine Flasche Wein bestellte. Ohne Erklärung goss er ihr und sich
    ein Glas ein. „Auf Neumünster!“, sagte er mit feierlichem Ernst und prostete
    ihr zu. Nach zwei rasch geleerten Gläsern stand er auf, verbeugte sich vor ihr
    und forderte sie zum Tanzen auf. Sie konnte es kaum glauben. Aber warum sollte
    sie jetzt darüber nachdenken? Sie tanzten. Sie schmiegte sich an seinen Körper,
    fühlte seine Wärme und überließ sich ganz einfach der Musik – und ihm.
    Wie leicht es war, zu schweben, dachte sie irgendwann. Er schenkte ihr ein
    Lächeln, sein rotes Haar leuchtete im funkelnden Schein der Kronleuchter - und
    sie war glücklich. Alles ist richtig, dachte sie. Als es ihnen zu laut wurde,
    suchten sie sich einen ruhigen Platz an Deck und betrachteten die glitzernden
    Sterne. „Weißt du“, sagte Paul auf einmal und legte den Arm um ihre Schultern,
    „als kleiner Junge habe ich immer gedacht, ab dem Äquator würde das Meer von
    der Erdkugel tropfen.“ Er lachte und schüttelte den Kopf. „Gib es zu“, neckte
    sie ihn, „du hast es bis heute Abend geglaubt!“ Er schmunzelte und strich ihr
    zärtlich übers Haar. „Ach, Emma ...“ Er seufzte und blickte über das Meer, das
    silbern aufblitzte. Sie wartete, dass er weitersprach, doch er atmete nur tief
    und hielt sie fest. Sie spürte seinen warmen, pulsierenden Körper an ihrer
    Seite, und einen Moment lang dachte sie an die Begegnung mit Max Jacobs. Wie
    hatte sie sich bloß zu diesem fremden Mann hingezogen fühlen können? Sie nahm
    Pauls Hand und verschränkte ihre Finger mit seinen, der Beginn eines Spiels,
    das sie früher mit ihrem Lieblingsbruder Karl gespielt hatte. Man musste einen
    bestimmten Finger bewegen, und seltsamerweise fiel es schwer, die eigenen
    Finger von denen des anderen zu unterscheiden. Paul lächelte kurz und sah dann
    wieder aufs Meer.
    „Wie war das für dich“, fing er auf einmal an, „als deine
    Brüder im Krieg gefallen sind?“ Hatte er ihre Gedanken gelesen? Sie rieb ihre
    Wange am Stoff seiner Jacke, und es erinnerte sie an das Kratzen des
    Uniformstoffs auf ihrer Haut, als sie sich von ihrem Bruder Karl verabschiedet
    hatte – damals, als er so sicher war, dass er zurückkehren würde ... Sie
    schluckte und krallte ihre Finger noch fester in die von Paul. „Ich“, begann
    sie, „hab’ mich schuldig gefühlt, weil ich ...“ Sie stockte, wehrte sich gegen
    die Flut der Erinnerungen an glückliche Momente mit ihren Geschwistern, an ihr
    Lachen, ihre Raufereien und Neckereien ... Paul drückte sie noch ein wenig
    enger an sich. „... weil ich ...“, sie konnte wieder nicht weitersprechen. „
    ... weil du sie nicht retten konntest?“ Er hatte sie verstanden. Sie

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