Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)
auf und lächelte. Doch sein Gesicht zuckte nur,
dann sah er rasch zu der dicken Frau.
„Nun, Frau Schott“,
Pastor Emig runzelte die Stirn, „Sie haben sicher von Ihrem Mann gehört, dass
eine unserer ersten Missionen in Zentralaustralien, Killalpannina, geschlossen
werden musste. Die Bedingungen für unsere Missionare waren zu hart! Dabei waren
noch fünfunddreißig Kinder dort in der Schule.“ Sie sah ihn an. Warum sagte er
ihr das? Nein, sie hatte es nicht gewusst. Paul hatte es ihr nicht gesagt.
Glaubte er etwa, es hätte sie abgeschreckt? Pastor Emig seufzte. „Man sagt,
dass eine lange Dürre bevorsteht.“ Er hob den Blick in den wolkenlosen Himmel.
„Er wird manchmal so tiefsinnig“, erklärte seine Frau und wies mit der Gabel
auf Emmas Teller. „Lassen Sie sich nicht abhalten. Sie müssen essen! Auf der
Reise wird es keine so gute Kost geben, und in Neumünster ...“ Sie zuckte die
gebeugten Schultern. „Ja?“, fragte Emma. Frau Emig sah sie irritiert an. Als
habe sie vergessen, dass sie den Satz abgebrochen hatte. „Was ist in
Neumünster?“, fragte Emma. Da schüttelte die Frau rasch den Kopf. „Ach, nichts
... ich ... Ich meine nur, da ist alles etwas beschwerlicher ... Aber jetzt
essen Sie!“
Womit niemand gerechnet
hatte, geschah ausgerechnet an diesem Tag. Das Wetter schlug um. Plötzlich kam
ein heftiger Wind auf, der graue Wolken von der See hertrieb. Die ersten
Regentropfen fielen schon, als noch alle am Tisch saßen, und dann ging alles
ganz schnell: Der Wind fuhr über den Tisch, stieß Gläser um, fegte die
Blumenkränze hinweg und riss das weiße Tischtuch an den Enden hoch und den
Musikern ihre Hüte vom Kopf. Dann kam der Regenguss, sodass die ganze
Gesellschaft in panischer Hast ins Haus flüchtete. „Wer hat etwas von einer
Dürre gesagt!“, rief Paul. „Dieser kurze Schauer hat nichts zu bedeuten. Gar
nichts, Pastor Schott, glauben Sie mir!“ Pastor Emig sah besorgt zum Himmel
hinauf.
Den Rest des Tages über
ruhten sich Emma und Paul im Haus der Emigs aus, denn schon am nächsten Morgen
sollte es zurück nach Adelaide gehen, wo man in den Zug steigen würde, der sie
in vier Tagesreisen nach Oodnadatta bringen würde, tausend Kilometer von
Adelaide entfernt – und immer noch siebenhundert von Neumünster. Emma und
Paul wurden im Gästezimmer untergebracht, einem kleinen Raum, der von einem
schmalen Doppelbett fast ausgefüllt wurde. Das wuchtige Kopfstück aus fast
schwarzem Holz war mit aufwändigen Schnitzereien versehen. Auf den beiden
Nachttischen, die gerade noch zwischen Bett und Wand Platz fanden, lagen
geklöppelte weiße Deckchen. Auf einem der Nachttische stand eine
Petroleumlampe, daneben lag eine dicke, schwarz eingebundene Bibel. Paul nahm
ganz selbstverständlich das Bett mit der Lampe und der Bibel. Sie gingen zu
Bett - Paul in seinem gestreiften Schlafanzug und Emma in einem langen
Nachthemd –, beteten, und dann löschte Paul das Licht. Emma konnte lange
nicht einschlafen. Immer wieder ging ihr ein Gedanke durch den Kopf. Womöglich
hatte sie ja nur etwas missverstanden ... „Paul?“ Sie hörte das Knistern der
Bettwäsche, als er den Kopf in ihre Richtung drehte. „Ja?“, murmelte er müde.
„Ist Pastor Weiß, so hieß er doch, unser Vorgänger ...“ „Was ist mit ihm?“,
sagte er mit argwöhnisch. Es war still, kein Knistern von Bettwäsche, kein
Geräusch von draußen. Schon bedauerte sie, ihn nicht einfach in Ruhe gelassen
zu haben. „Ach, ich meine nur ...“ Sie trat den Rückzug an. „Was meinst du?“
Nun gab es kein Zurück mehr. Er war jetzt hellwach und würde nicht eher ruhen,
bis sie mit ihrer Frage herausgerückt wäre. „Paul? Sag mir, woran sind sie
gestorben?“ Jäh setzte er sich auf und zündete die Lampe wieder an. Sein Haar
stand wild in alle Richtungen ab. Er sah auf sie herunter. „Paul? Warum
antwortest du mir nicht?“
Er stöhnte. „Ich habe es dir nicht
gesagt, weil ich dich schonen wollte ...“ Sie setzte sich ebenfalls auf. „Paul,
bitte, sag mir, was los ist! Ich habe ein Recht darauf! Ich bin deine Frau! Ich
bin den ganzen Weg von Hamburg ...“ „Hör auf!“, fuhr er sie an, und sie
verstummte augenblicklich. „Hör mit diesem Gejammer auf!“ „Ich jammere nicht!“
Wie konnte er nur so etwas behaupten! „Ich will nur wissen ...“ „Hör endlich
auf!“, herrschte er sie an. Sie schrak zurück. Beschämt wich er ihrem Blick
aus,
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