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Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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starrte auf das geblümte Muster der Bettdecke. Sie wartete. „Emma“, sagte
    er schließlich, seine Stimme klang wieder ruhig. „Ich wollte dich nicht unnötig
    aufregen. Es gibt Gerüchte ...“ „Was für Gerüchte?“ Er wandte den Blick von ihr
    ab und sagte nüchtern: „Pastor Hermann Weiß und seine Frau sind vor anderthalb
    Jahren wahrscheinlich von Eingeborenen verschleppt worden.“ Ein Schauer lief
    ihr über den Rücken. Und mit einem Mal wurde ihr die Ungeheuerlichkeit dessen
    bewusst, was gerade geschehen war. „Warum hast du mir das nicht von Anfang an
    gesagt? Hast du das denn schon ... schon zu Hause gewusst? Du hast mich angelogen,
    Paul! Du hast mir die ganze Zeit die Wahrheit vorent -!“ „Schweig!“ Sein
    herrischer Ton ließ sie augenblicklich verstummen. So hatte er sie noch nie
    angefahren ... Er hasst mich ... Er liebt mich nicht mehr ... Er hat mich
    vielleicht nie geliebt ... Aber die Wochen auf dem Schiff, all die Nächte, die
    Augenblicke ... Da war der Brief ... Alles war ein großer Irrtum ... „Was
    siehst du mich so an?“ Sie zuckte zusammen, sie fürchtete sich vor diesem Mann.
    Wer war er wirklich? Was verheimlichte er noch alles vor ihr? Da packte er sie
    an den Oberarmen, erschreckt wollte sie sich ducken, doch er schüttelte sie und
    starrte sie dabei mit diesem irren, fremden Blick an. „Du bist mein Weib! Du
    hast es vor Gott geschworen! Du musst mir folgen! Hast du das verstanden?“ Noch
    nie hatte er so mit ihr gesprochen! Ihre Oberarme waren wie in einem
    Schraubstock gefangen. „Aber Paul ... was ... was ist nur los mit dir?“,
    brachte sie hervor. Sie starrte in dieses rot gefleckte Gesicht direkt vor sich
    ... „Ich hab’ dich gefragt, ob du das verstanden hast?“ Mechanisch nickte sie.
    „Sag es!“ „Ich habe verstanden.“ War das ihre eigene Stimme? Der Griff lockerte
    sich, seine Hände sanken herunter, aus seinen Augen verschwand das gefährliche
    Flackern, seine Züge entspannten sich. „Gut“, sagte er noch, löschte das Licht,
    ließ sich zurück ins Kissen sinken und drehte sich auf die Seite. Emma schlief
    nicht. Dort, wo er sie gepackt hatte, spürte sie einen brennenden Schmerz, und
    in ihren Ohren hallte seine herrische Stimme.

II

Das
    fremde Land

1
    Jalyuri wanderte über
    den heißen Sand, aber er empfand keinen Schmerz, genauso wenig wie ihm die
    spitzen Steine und die Dornen der Salzbüsche wehtaten. Seine Füße hatten eine
    dicke Hornhaut, und seine Fußnägel waren lang genug, sodass sie seine Zehen
    schützten. Er brauchte nicht viel Wasser und auch nicht viel Nahrung. Er war
    ein Pintubi, einer, der in der Wüste geboren war, dessen Ahnen dort schon immer
    gelebt hatten. In dem Land, aus dem er kam, kannte er jeden Stein, jeden Hügel
    und jedes Wasserloch, wusste ihre Namen. Doch in das Land seiner Ahnen,
    jenseits der Berge, würden sie nicht mehr zurückkehren, um dort zu leben. Die
    Dürre war noch schlimmer geworden, es gäbe nichts zu jagen, kein Wasser, kein
    Bush Tucker. Jungala, sein Sohn, war nie im Land seiner Ahnen gewesen. Eines
    Tages, da war Jalyuri ganz sicher, würde er mit Jungala in das Land seiner
    Ahnen wandern und ihm zeigen, woher er kam. Und er selbst, Jalyuri, würde
    schließlich dorthin zurückkehren, um zu sterben.
    Vor ein paar Tagen war
    er bei seinem Onkel in dem Ort gewesen, den die Weißen Stuart nannten. Er lag
    vier Tagesmärsche vom Lager bei der Missionsstation entfernt, am Fluss, der
    schon so lange ausgetrocknet war. In seinem Flussbett wuchsen die Geisterbäume,
    unter denen sich die Leute versammelten,
    feierten, Beratungen abhielten, Lager aufschlugen. Dort hatte er
    erfahren, dass neue Missionare unterwegs waren. Seine Leute würden sich sicher
    darüber freuen, denn sie bräuchten nicht mehr zu hungern, und Jungala würde
    lesen und schreiben und die englische Sprache lernen. Jalyuri wusste: Jungala
    könnte nicht mehr so leben wie seine Väter und Mütter. Die Zeit änderte sich,
    aber das Land und die Gesetze blieben, sagten die Ältesten. Aber auch diese
    Wahrheit war vielleicht keine mehr ...
    In diese Gedanken
    vertieft, ging er dahin. Was hatte sie, die Weißen, nur in dieses Land
    getrieben? Das fragte er sich immer wieder. Unter großen Mühen hatten sie
    Häuser aus Steinen gebaut. Darin war es ihnen zu kalt oder zu heiß. Alles, was
    sie brauchten, bekamen sie nicht, wie er und seine Leute und wie von alters her
    seine Ahnen, von dem Land, durch das sie zogen, nein, sie

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