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Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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irgendetwas hielt sie zurück.
    Sie ahnte, dass Dr. Brown sie mit demselben Blick ansehen würde, mit dem er Sam
    taxiert hatte, und bei diesem Gedanken schauderte ihr. Emma wollte den Männern
    folgen, doch der Arzt drehte sich abrupt um, streckte die Hand aus und hielt
    sie zurück. „Aber ... Ich bin Krankenschwester“, brachte sie hervor. „Und ich
    bin hier der Arzt“, blaffte er sie an. Augenblicklich blieb sie stehen. Ihr
    blieb nichts anderes übrig, als zu warten. Unter dem kleinen Fenster neben der
    Tür war eine schmale Holzbank. Obwohl sie den ganzen Tag im Zug gesessen hatte,
    ging sie doch hin und setzte sich. Sie fühlte sich müde und kraftlos. Auf dem
    Schiff war es ihr ganz anders gegangen. Sie war durch zu viele neue Eindrücke
    erschöpft.
    Die Bank war unbequem.
    Sie faltete die Hände im Schoß. Wie lange war es her, dass sie ihr altes Leben
    zurückgelassen hatte? Noch nicht einmal drei Monate – dabei kam es ihr
    vor, als ob dieses alte Leben von einer anderen Emma geführt worden war. Aber
    hier, war das hier denn ihr neues Leben, war sie die neue Emma, hineingeworfen
    in eine andere Welt, mit neuen Regeln, Gesetzen und Geheimnissen, die sie nicht
    kannte? Durch die nur angelehnte Tür drangen noch immer die Stimmen der
    Kameltreiber. Ihr fielen Carl Gustavssons Worte ein: Schwarze Magie, hatte er
    gesagt ... Aber war das nicht ein primitiver Aberglaube? Bevor sie weiter
    darüber nachgrübeln konnte, kam der Arzt zurück. Seine Miene hatte sich noch
    mehr verdüstert. „Was hat er?“, fragte sie und stand auf. Mit einer
    Handbewegung wischte Dr. Brown ihre Frage weg. „Ich kann dem Mann nicht helfen. Ich
    habe keine Ahnung, was er hat.“ „Aber ...“ Er schüttelte den Kopf und unterband
    damit jeden Einwand. „Der Mann stirbt.“ Er zuckte die Schultern. „Ich kann
    nichts mehr für ihn tun. Er braucht nur noch einen Pastor, und der ist jetzt
    bei ihm.“ Emma starrte ihn fassungslos an. „Es tut mir Leid“, sagte er, „aber
    jetzt entschuldigen Sie mich, ich hab’ alle Hände voll zu tun.“ Er schob sie
    beiseite und wollte sich umdrehen, doch da hielt Emma ihn fest. „Moment! Können
    Sie ihm nicht etwas gegen das Fieber geben?“ Feindselig sah er erst sie an und
    dann ihre Hand, die seinen Arm umklammerte. Emma ließ seinen Arm los,
    erschrocken über sich selbst. „Ja! Gegen das Fieber, gegen eine Infektion,
    irgendwas!“ Er schüttelte den Kopf und gab ein Grunzen von sich. „Sie haben
    keine Ahnung, Lady! Wissen Sie, was hier los ist?“ Sein Gesicht kam ihr
    unangenehm nahe. „Da hinten habe ich zwei Männer, denen wurden die Augen
    ausgestochen, und da draußen liegen vier tote Eingeborene, die wahrscheinlich
    mit Strychnin vergiftet wurden.“ Emma starrte ihn an. „Und wissen Sie, warum?
    Weil es hier um Pay Back geht. Wissen Sie was das ist?“ Sie schüttelte den
    Kopf. „Vergeltung! Ja. Auge um Auge, Zahn um Zahn. So läuft das. Ihr Kranker
    hat von einem Knochen gesprochen?“ „Ja“, sagte sie und allmählich verließ sie
    der Mut. Sie schien nicht das Geringste zu begreifen. Er zog ein Skalpell aus
    seiner Kitteltasche und zeigte damit auf sie, genau auf ihr Herz. „ Das machen sie. Telepathisch.“ Emma
    hatte keine Ahnung, was der Arzt meinte. Waren hier denn alle verrückt? „Mit
    dem Knochen auf einen zeigen – das ist ihre Art, sich zu rächen.“ Noch
    immer begriff Emma nicht. „Was meinen Sie?“ „Die Eingeborenen! Sie nehmen einen
    Gegenstand, der ihrem auserwählten Opfer gehört oder den dieser Mensch berührt
    hat, oder sie nehmen einen Kochen – und damit ‚besingen’ sie ihr Opfer,
    nennen Sie es meinetwegen ‚verhexen’. Die Eingeborenen behaupten, manchmal
    rauben sie ihren Opfern das Nierenfett. Die Menschen werden krank und sterben.
    Ich habe Untersuchungen gemacht. Die Menschen hatten plötzlich keinen Appetit
    mehr und wurden apathisch, bis sie innerhalb von wenigen Tagen starben. Und das
    Seltsame ist: Ich konnte keine Narben erkennen – aber die Nieren waren
    geschrumpft.“ Emma schüttelte den Kopf. „Aber das ist doch unmöglich!“ Er hatte
    nur noch eine müde Handbewegung für sie übrig. „Vielleicht sehen wir uns in ein
    paar Jahren wieder, und Sie haben eine andere Meinung.“ Schon wollte er gehen,
    hielt dann aber in der Bewegung inne. „Sie übernehmen Neumünster, habe ich gehört“,
    sagte er fast beiläufig. Emma nickte. Er musterte sie, auf seiner Stirn
    bildeten sich Falten. Irgendetwas wollte

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