Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)
ohne
Anstrengung. Der obere Wirbel ihres Nackens bildete eine kleine Verdickung,
einen runden Knopf, über den man gern streicheln ... Schluss damit!, befahl er
sich. Wie konnte er nur!
Er beugte sich über
seinen Teller und aß, und er blickte erst wieder auf, als er fertig war, die
Serviette vom Hals band und den Teller von sich schob.
Der Wirt, ein massiger
Mann mit aufgedunsenem Gesicht und einem Hemd, von dem man sich nicht
vorstellen konnte, dass es einmal sauber gewesen war, stand direkt vor ihrem
Tisch und sah Emma mit vom Rauch geröteten Augen an. „Und, war´s recht?“
„Danke, ja.“ Emma
lächelte ihn an. Sie war dankbar, ein Wort mit einem anderen Menschen zu
wechseln. Er grinste breit und starrte sie an. „Es kommen nicht oft weiße
Frauen hierher.“ Es klang entschuldigend. „Kann ich Ihnen ...“, jetzt sah er
zum ersten Mal John Wittling an, „... Ihnen noch was bringen?“ Bevor Emma oder
John antworten konnten, stellte er beide Teller, die er schon in der Hand
gehabt hatte, zurück auf den Tisch und schlug sich mit der Hand gegen die
Stirn. „Aber natürlich! Sie sind der neue Missionar! Wieso hab’ ich nicht
gleich dran gedacht! Na, hier ist manchmal so viel los!“ Da wischte er auch
schon seine Hand an seiner Hose ab und streckte sie John entgegen. „Ben Warton,
herzlich willkommen in Marree!“ „John Wittling, aber Pastor Schott ist noch bei
Dr. Brown.“ „Was? Ist er krank?“ Bestürzt zog er die Augenbrauen zusammen, was
ihm einen Ausdruck von Wut verlieh. „Nein, er steht einem Kranken bei“,
beruhigte ihn John Wittling. „Ach so. Wäre kein guter Anfang, wenn der
Missionar gleich krank wird.“ Obwohl er mit John sprach, sah er Emma an. „Tja,
ich hoffe, Sie haben mehr Glück als Ihre Vorgänger.“ Seine Miene verdüsterte
sich. „Ich meine, die Sache ist doch ziemlich seltsam. Verschwinden einfach
spurlos.“ „Aber wurden sie nicht von Eingeborenen verschleppt?“, fragte Emma.
„Ich glaub’ nicht, dass die ihre Hände im Spiel haben.“ Er beugte sich zu ihnen
und schlug einen geheimnisvollen Ton an. „Die sind doch froh, wenn jemand da
ist, von dem sie ihr Essen kriegen. Nein, ich glaube, da steckt was anderes
dahinter. Was, weiß ich nicht, aber irgendwann wird es schon rauskommen.“ „Aber,
was ist denn dann mit ihm passiert?“, fragte Emma weiter. Der Wirt hob die
schweren Schultern und ließ sie wieder fallen. „Hier verschwinden öfter
Menschen. Manche freiwillig, manche weniger freiwillig.“ Er nahm die Teller wieder auf und wollte
sich schon umdrehen, als ihm noch etwas einfiel. „Seine Frau ...“, er senkte
seine Stimme, sah sich rasch um, um sich zu vergewissern, dass keiner mithörte,
was wegen des Lärms sowieso
unmöglich war, „... also ...“, er beugte sich vor zu Emma, „... seine
Frau soll mit dem Leben auf der Missionsstation nicht zurechtgekommen sein. Ist
ja auch kein Wunder: so abgelegen, und dann nur Blackfellows. Sie soll verrückt
geworden sein.“ Er richtete sich wieder auf. „Ich hoffe, dass Sie sich besser
zurechtfinden.“ Er nahm die Teller
und ging zur Küche.
Emma dachte über die
Worte des Wirts nach und merkte erst als John seufzte, dass sie ihm dabei in
die Augen gestarrt hatte. „Ich finde diese ganze Geschichte merkwürdig“, sagte
sie kopfschüttelnd. „Warum hat mir Paul nicht gleich davon erzählt?“ John
zuckte die Schultern. „Nun, er konnte Ihnen ja auch nicht viel mehr sagen. Es
weiß ja niemand etwas, und dann ...“ Er brach ab. Sie wartete darauf, dass er
weitersprechen würde, doch er schwieg. „Was wollten Sie sagen?“ „Nichts.“
„Doch. Sie wollten etwas sagen. Sagen Sie es.“ Er zögerte wieder. „Vielleicht
...“ „Ja?“ „Vielleicht hatte er Bedenken, dass Sie nicht mitkommen würden.“ Das
hatte sie auch schon befürchtet. „Ja.“ Sie nickte niedergedrückt. Plötzlich
schien alles um sie herum wie ein böser Traum zu sein, aus dem sie gleich
aufwachen würde. Dann wäre sie wieder zu Hause ... „Möchten Sie auf Ihr
Zimmer?“ Die Frage drang an ihr Ohr, holte sie zurück ... und bewies ihr, dass
sie nicht träumte. Auf einmal fühlte sie sich sehr erschöpft. Sie konnte den
Lärm und die schlechte Luft nicht mehr ertragen. Sie standen auf, und John ging
voraus zur Rezeption.
Die Männer von der
Expedition hatten ihre Zimmer bezogen oder waren zum Essen gegangen; auch ihr
Gepäck, das vorhin noch den halben Raum
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