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Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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Wandgemälde. „Beschäftigung mit Religion, mit
    Kultur ist für die meisten wohl Luxus oder Zeitverschwendung.“ Er schwieg
    wieder und versenkte sich in die Betrachtung des Gemäldes.
    Wie merkwürdig dieser
    Mann doch ist, dachte Emma und betrachtete ihn verstohlen. Er hat etwas
    Feinsinniges, seine Hände sind nicht grob und längst nicht so groß wie die von
    Paul – und dann diese Eitelkeit! Dass er ausgerechnet Missionar geworden
    ist ... Wie ungewöhnlich, dachte Emma. „Warum haben Sie sich eigentlich für den
    Posten in Neumünster gemeldet? Sie hätten doch auch in der Stadt bleiben
    können?“
    Er riss sich vom Anblick
    des Gemäldes los. Wie können Sie nur diese Frage stellen?, hätte er ihr am
    liebsten ins Gesicht brüllen wollen und wäre dann aufgesprungen. Stattdessen
    atmete er tief durch, faltete seine schmalen, noch immer gepflegten Hände und
    betrachtete sie eine Weile. Langsam fühlte er sich wieder ruhiger. Seine tief
    liegenden Augen hatten einen fast panischen Ausdruck bekommen, bemerkte Emma
    überrascht, er wandte sich von ihr ab und sah wieder seine Hände und die
    Tischplatte an. Sie hatte wohl die falsche Frage gestellt ...
    „Nun“, sagte er auf einmal entschlossen, strich sich über das
    anliegende Haar und sah auf. „Es gibt Dinge im Leben, die gehen nur einen
    selbst etwas an.“ Was für eine Antwort! Sie wartete, vielleicht würde er doch
    noch etwas erklären, aber er blickte wieder auf seine Hände. „Tja, dann nicht“,
    sagte sie verärgert. Dann würden sie eben den Abend schweigend verbringen!
    Gekränkt verschränkte sie die Arme und starrte an die Wand. Um sie herum wurden
    die Stimmen lauter, das Gelächter, die Rufe und das Geschirrklappern schwollen an, und Emma
    war nahe daran, einfach aufzustehen und zu gehen.
    Sag etwas!, trieb er
    sich selbst an, deine Antwort hat dich nicht gerade sympathischer gemacht!
    „Aber ...“ John schlug unvermittelt mit den Handflächen auf die Tischplatte,
    sodass Emma zusammenzuckte. „... jetzt müssen wir was essen!“ Schon hatte er
    die Bedienung, einen jungen, milchgesichtigen Kerl, durch die Rauchschwaden
    hindurch erspäht und hergewinkt. Sie bestellten Irish Stew, obwohl John davor
    warnte, weil man nicht wissen könne, was da alles drin sei – doch etwas
    anderes gab es nicht mehr. Ein merkwürdiger Mensch, dachte Emma wieder.

10
    Ich habe sie vielleicht
    doch falsch eingeschätzt, sagte er sich, als er so neben ihr saß. Und er
    ertappte sich, wie er sie schon wieder mit Isabel verglich. Ihr Gesicht hat in
    der Tat etwas, das den Eindruck von Naivität erweckt. Die zarte Haut, die noch
    nicht von Wetter, zu viel Sonne und zu wenig Feuchtigkeit grob geworden ist,
    das glänzende blonde Haar, in dem sich noch keine grauen Strähnen zeigen. So
    hell wie ein Weizenfeld in der Sonne, dachte er und musste sich von dem Anblick
    losreißen. Zum Glück wurde das Essen gebracht, und er konnte sich nach dem
    kurzen, stillen Gebet - zu dem auch sie ihre Hände faltete, den Kopf senkte und
    lautlos die Lippen bewegte – auf das Essen konzentrieren. Ich sollte
    Isabel von hier ein Telegramm schicken, dachte er. Er hatte es in Quorn
    versäumt. Schließlich müsste sie doch wissen wollen, wie es ihm ging. Einen
    Augenblick lang sah er sie am Strand von Glenelg, wie sie mit anderen
    Erholungsuchenden über den Sand ging, in einem langen Kleid und mit einem
    zierlichen Sonnenschirm. Sie hatte Sinn für Traditionen und hielt an einer Mode
    fest, die schon längst von einer anderen abgelöst worden war. Das schätzte er
    an ihr: Sie wusste immer, was sie tat, warum sie es tat, sie sagte nie ja ,
    wenn sie nein meinte. Sie hatte kein Geheimnis, das von ihm enträtselt
    werden wollte. Alles, was sie tat und sagte, war offen und klar. Vielleicht
    hatte sie ihm ja schon eine Nachricht hier nach Marree geschickt. Sie wusste
    ja, wann er eintreffen würde. Er müsste nachher an der Rezeption fragen. Was
    sie wohl denken würde, wenn sie ihn hier sähe, in dieser verrauchten Kaschemme
    mit einer fremden Frau am Tisch ... Er sah auf. Emma aß hastig, oh, sie musste
    sehr hungrig sein. Schon im Zug waren ihm ihre Hände aufgefallen. Ihre Haut war
    vollkommen glatt. Wie beweglich die Fingerglieder waren ... und wie zart und
    leicht gebogen ihr Hals war, anmutig ... Sie hielt sich gerade, wie Isabel
    – oh, schon wieder Isabel –, aber es hatte, das musste er zugeben,
    nichts Gezwungenes, es schien aus ihr selbst herauszukommen, ganz

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