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Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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er sagen, doch er zögerte. „Sind Sie
    schon lange verheiratet?“ Verblüfft und irritiert schüttelte sie den Kopf.
    „Nein.“ Ohne ein weiteres Wort machte er auf dem Absatz kehrt, hielt dann aber
    plötzlich inne und wandte sich noch einmal zu ihr um. „Ach ja, ich würde Ihnen
    empfehlen, längere Röcke zu tragen.“ Damit verschwand er hinter einem der
    Vorhänge. Emma sah an sich herunter, ihr Kleid endete eine Handbreit unter
    ihrem Knie. Auf einmal fühlte sie sich nackt. „Ihr Mann leistet dem Kranken
    noch Beistand.“ Sie sah auf. John war gekommen. „Er sagt, wir sollen schon zum
    Hotel gehen und dort etwas essen.“ „Und?“, fragte sie spitz. „Wollen Sie das?“
    Sofort schämte sie sich über ihren Ton. In Wahrheit ärgerte sie sich nicht über
    ihn, sondern über Paul, weil er sie mit John allein ließ. John konnte nichts
    dafür. „Ich jedenfalls habe Hunger“, sagte er ohne Regung. „Wenn Sie keinen
    Hunger haben, müssen Sie nichts essen, dann begleite ich Sie nur ins Hotel.“
    „Gehen wir“, murmelte sie nur. Er nahm ihren Koffer und ging voraus. Die Sonne
    brannte nur noch als winziges Feuer weit in der Ferne, und alle Gegenstände und
    Lebewesen waren zu dunklen Schatten verblasst.

8
    Das Great Northern Hotel
    war ein für diese Gegend imposantes doppelstöckiges Steingebäude. Inmitten der
    Schuppen und verstreuten Gebäude wirkte es ein wenig zu groß geraten. Doch Emma
    wurde rasch eines Besseren belehrt, denn als sie mit John den Eingangsraum
    betrat, stolperte sie beinahe über einige Taschen und Koffer, die auf
    einem Haufen lagen, als hätte
    jemand sie mit einem riesigen Besen dorthin gekehrt. An der Theke drängte sich
    eine Gruppe von Männern, die recht mitgenommen aussahen. Ihre beigefarbenen
    Hosen waren verschmutzt, genauso wie ihre Hemden und Hüte, und sie rochen
    streng, als wären sie seit Wochen auf dem Rücken von Pferden – oder von
    Kamelen unterwegs gewesen. Emma erkannte Carl Gustavsson, er stand ganz vorn an
    der Theke und überragte die anderen um fast einen ganzen Kopf. John blieb
    stehen. „Wissen Sie jetzt, ob Sie hungrig sind?“ Warum war er nur so brüsk?
    „Ja, ich weiß es“, sagte sie knapp. „Aha.“ Er hob die Augenbrauen. „Und?“ „Ich
    werde etwas essen.“ Sie legte zwar keinen Wert darauf, den Abend in seiner
    Gesellschaft zu verbringen – was nur sollte sie mit ihm reden? –,
    aber sie verspürte tatsächlich Hunger. „Gut“, er nickte, „dann folgen Sie mir.“
    Er nahm ihren Koffer wieder auf und ging voraus. Geschirrklappern und laute
    Stimmen drangen ihnen entgegen, dicke Rauchschwaden und Biergeruch schlug ihr
    entgegen. Oh, Gott, dachte sie, hier werde ich es nicht aushalten! John
    steuerte auf einen Tisch zu, der an eine Wand mit einem großflächigen Gemälde
    stieß: Männer auf Pferden, Afghanen und ihre Kamele und die Eisenbahn. Emma
    versuchte, den Blicken der Männer, dem Recken ihrer Hälse keine Beachtung zu
    schenken, doch ihre Nervosität wuchs, und als John ihr den Platz anbot, von dem
    aus sie den Raum überblicken konnte, lehnte sie ab und wählte den anderen
    Platz, von dem aus sie gegen die Wand mit dem Gemälde sah.
    Ich hätte ihr den
    besseren Platz überlassen, dachte John, aber wenn sie nicht will? Sie ist
    gekränkt, weil ihr Mann sie allein gelassen hat. Er seufzte leise. Warum machte
    er sich überhaupt so viele Gedanken über sie? Ich sollte damit aufhören, sagte
    er sich und schob den Stuhl an den Tisch.
    Emma versuchte, die
    Blicke, die sie in ihrem Rücken spürte, zu ignorieren. Ich hätte nicht mit ihm
    hierher gehen sollen, dachte sie, er ist mir unangenehm, überhaupt alles hier
    ist mir unangenehm. Ich muss ein Gespräch beginnen, ich kann doch nicht den
    ganzen Abend mit diesem Mann schweigend an einem Tisch sitzen. Also holte sie
    Luft. „John?“ Sie bemühte sich um ein entspanntes Lächeln. „Was sind das alles
    für Leute hier? Woher kommen sie, was machen sie?“ Er schien über ihre Frage
    erleichtert zu sein, vielleicht, dachte sie, hatte er etwas Privates erwartet.
    John ließ seinen Blick
    über die Köpfe in dem verqualmten Raum wandern. Sie hat einen Anfang gemacht,
    immerhin ... „Viele sind Arbeiter
    an der Telegrafenstation, ziehen jahrelang durchs Land, reparieren die
    Leitungen und Masten. Und die anderen“, er sah über die Schulter, „die anderen
    sind Minenarbeiter, Goldsucher, Viehtreiber, Eisenbahnarbeiter ...“ Er hob
    seinen Blick zu dem übergroßen

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