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Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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eingenommen hatte, war fort. Hinter der
    Theke aus dunklem Holz konnte Emma den Hinterkopf einer Frau erkennen, das
    graue Haar zu einem Knoten gebunden. Als sich die Frau aufrichtete, zeigte sie
    ein sonnenverbranntes, faltiges Gesicht. Sofort aber erhellte sich ihr Blick.
    „Ah, Sie sind die Missionare für Neumünster!“ Wieder erklärte John, wie es sich
    genau verhielt, worauf auch die Frau, die sich als Mrs. Warton, die Frau des
    Wirts, entpuppte, Pastor Weiß
    erwähnte.
    „Es gab ein paar Leute,
    die was gegen sie hatten, weil sie Deutsche waren.“ Sie zuckte die Schultern.
    „Aber, mein Gott, ich frage Sie, was sollten sie denn wohl in dieser Einöde in
    Neumünster ausspionieren? Die Leute sollten froh sein, dass sich überhaupt
    jemand um die Schwarzen kümmert.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ach, übrigens, da
    drüben“, sie zeigte auf die Wand links von Emma, woraufhin Emma sich umdrehte
    und auf eine Galerie gerahmter Fotos blickte, „in der vierten Reihe, das dritte
    Bild, das sind sie. Hermann und Margarete Weiß.“
    Emma machte einen
    Schritt auf die Fotowand vor einer altrosafarbenen Tapete zu. Das Bild hing in
    Augenhöhe, sodass sie es genau betrachten konnte. Ein Paar, er um die fünfzig,
    sie kaum älter als Emma. Hermann Weiß hatte lichtes Haar, ein rundes, kräftiges
    Bauerngesicht. Seine Lippen waren zusammengepresst, als wollte er etwas sagen,
    was ihm aber verboten worden war. Sein Blick drückte Entschlossenheit und Härte
    aus. Härte gegen sich selbst und gegen jeden anderen. Margaretes Gesicht war schmal,
    ihre Haut wirkte durchscheinend, die Augen waren ungewöhnlich hell, sie zogen
    den Blick des Gegenübers auf sich, lockten ihn ... und ließen ihn dann irgendwo
    einfach los. Irritiert löste sich Emma von diesen Augen und betrachtete noch
    einmal Hermann Weiß. Er schien den Fotografen direkt anzusehen ... und sie?
    Margarete sah hindurch, durch die Kamera, durch den Fotografen ...
    „Was ist?“ John Wittling sah sie erstaunt an. „Kennen Sie
    sie?“ Aus ihren Gedanken aufgeschreckt, schüttelte Emma rasch den Kopf. „Nein“,
    beeilte sie sich zu versichern, „ich habe sie noch nie gesehen.“ Das Foto
    beunruhigte sie. Nicht nur das Foto, auch Sams rätselhafte Krankheit, die
    gefangenen Eingeborenen, die scharf riechenden Kamele und ihre Treiber, die
    Länge ihres Rocks. Sie wollte sich hinlegen, schlafen, nicht daran denken, was
    morgen sein würde, oder in den folgenden Wochen, den Monaten, den Jahren in
    Neumünster, einer abgelegenen Missionsstation mitten in diesem seltsamen Land
    ...
    Nachdem sie die schmale,
    knarrende Treppe in den ersten Stock hinaufgestiegen waren und in einem langen,
    düsteren Gang standen, von dem verschiedene Türen abgingen, wünschte John Emma
    eine gute Nacht. „Soll ich Ihnen den Koffer ins Zimmer tragen?“ „Danke“, sagte
    sie nur, wobei sie ihm überließ, darüber nachzudenken, wofür sie sich bedankte.
    Für den Abend, für die Gute-Nacht-Wünsche, das Koffertragen oder aber für das
    Aufsperren der Tür, das er für sie übernahm. „Schlafen Sie gut“, sagte er noch,
    stellte den Koffer ab, und als er ihr den Schlüssel gab, berührten sich ihre
    Hände. Seine Augen glänzten dunkel, und er ... er stand da ... Hör auf!, schalt
    sie sich und wandte sich mit einem hastig gemurmelten „Danke“ ab, das bildest
    du dir alles nur ein.

    11
    Als sie die Tür hinter sich
    schloss, glaubte sie für einen kurzen Augenblick, damit alles Beunruhigende
    ausgesperrt zu haben. Eine Kerosinlampe stand auf einem der Nachttische. Sie
    zündete sie an. Das Zimmer war von einer ernüchternden Kargheit. Ein Fenster,
    ein Ehebett aus verschnörkelten Eisenstäben mit einer groben grauen Wolldecke,
    über die ein Leintuch geschlagen war. Zwei dicke Kissen, die Bezüge nicht ganz
    glatt, aber sauber, lehnten am Kopfende. Und gegenüber dem Bett, etwa zwei
    Schritte weiter, blickte Emma in einen einfach gerahmten Spiegel vor einem
    eisernen Waschtisch, auf dem ein Steinkrug mit Wasser stand. Die
    fadenscheinigen Vorhänge wehten ins Zimmer, und ein eisiger Wind fuhr herein.
    Schnell schloss sie das Fenster. Sie entkleidete sich und wusch sich mit dem Wasser
    aus dem Steinkrug. Eilig schlüpfte sie in ihr Nachthemd, löschte das Licht,
    schlug die Wolldecke zurück und legte sich ins Bett. Wie nicht anders zu
    erwarten, war es kalt und klamm.
    Wo blieb Paul? Warum kam
    er nicht zu ihr? Sam, dieser Mann, war doch ein Fremder! Dr. Brown

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