Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)
ersten
Sonnenstrahlen über die Erde tasteten und seine Augen blendeten, atmete er auf.
Wieder hatte er eine Nacht überstanden.
12
Jalyuri
überließ sich dem gleichmäßig schaukelnden Gang des Kamels. Auf diese Weise
schmerzten die Kanten der Kisten, auf denen er sitzen musste, nicht so stark.
Die Männer, die von Jalyuri und Nooma-Nooma tagelang beobachtet worden waren,
waren schließlich zur Missionsstation gekommen und hatten gefragt, ob jemand
unter ihnen wäre, der sie auf dem kürzesten Weg nach Charlotte Waters führen
würde, das etwa sechs Tagesreisen entfernt lag. Einer, der die Wasserstellen
kannte, denn sie wollten nicht den Umweg über Stuart machen. Jalyuri und seine
Leute waren froh, dass die Männer das Land verließen, außerdem versprachen sie
als Entlohnung eine Dose Fleisch.
Die Wahl des Stammes
fiel auf Jalyuri. Jalyuri wusste, warum. Nicht nur, weil er schon öfter auf dem
Rücken eines Kamels gesessen hatte, wenn er den alten Pastor und seinen
Nachfolger Hermann Weiß nach Stuart und auch in die Umgebung der
Missionsstation begleitet hatte; nicht nur, weil er sich mit Kamelen auskannte
und wusste, wie man ihre Vorderläufe zusammenband, damit sie nicht wegliefen,
wie man sie zum Knien brachte, damit man ab-und aufsteigen konnte. Nein: Sie
hatten ihn auch deshalb bestimmt, damit er nach seinem Bruder Ausschau halten
könnte. Jalyuri hatte dies auch ohne ausdrückliche Erklärung verstanden. Von
Charlotte Waters würde er weiter nach Oodnadatta marschieren. Dorthin, wo die
Züge ankamen, wo sich viele Menschen trafen ... und wo man Neuigkeiten erfahren
konnte.
Seit vier Tagen waren
sie nun unterwegs. Jalyuri trug seine lange Hose, die schon überall Löcher
hatte. Um seinen Kopf mit der hohen Stirn hatte er wie immer ein Band gebunden,
das vor Kopfschmerz schützte. Es hatte dieselbe Farbe wie der Himmel weit
hinten am Horizont, wo die Sonne bald unterging. Und seinen schwarzen gelockten
Bart hatte er mit einem Messer gestutzt. Gleich hinter Jalyuri ritt der
Anführer der Gruppe; er wurde von den anderen Hugh gerufen. Er überragte
Jalyuri um mindestens einen Kopf. Er hatte kräftige Unterarme, auf denen
schwarze Figuren und Zeichen gemalt waren, was Jalyuri noch nie gesehen hatte.
Hugh sprach mit einer lauten Stimme, und wenn er lachte, dann riss er seinen
Mund so weit auf, dass man hinter den schwarzen Zahnstummeln den roten Rachen
sehen konnte. Hinter Hugh trotteten
vier weitere Kamele; auf den ersten beiden saßen Hughs Kameraden: Paddy, ein
dicker Glatzkopf, der nicht richtig sprechen konnte, und Jim, ein junger
Bursche, der Jalyuri mit einem verächtlichen Grinsen musterte. Die übrigen
Kamele schleppten Kisten und Säcke.
„He!“, rief Jim von
hinten. „Wie weit ist’s noch zum nächsten verdammten Wasserloch? Nicht dass wir
vom Nigger hier verarscht werden!“ Jalyuri reagierte nicht. Er überließ sich
weiter dem Rhythmus des Tiers, das gemächlich einen Fuß vor den anderen setzte.
Die Männer mussten sich auf ihn verlassen. Nur er kannte den Weg. Um sie herum
war nichts als trockenes Land, und die Wasserlöcher fand man nur, wenn man
wusste, wo man suchen musste. „Piss dir nicht in die Hose, Jimmy!“, gab Hugh
zurück und lachte dröhnend, und der dicke Paddy, der einen großen Schlapphut
auf seiner Glatze trug, fiel mit einem gackernden, weibischen Lachen ein.
„G-g-genau, Jimmy! P-p-piss d-d-dir nicht in d-d-die Hose!“ Als Hugh zu lachen
aufhörte, verstummte auch Paddy. „He, Nigger!“, rief nun Hugh, „du hast vor
´ner Stunde gesagt, das Wasserloch ist nicht mehr weit. Wo ist es jetzt? In
deinem Interesse hoffe ich, dass du keine krummen Dinger machst. Sonst drehen
wir nämlich um und schlachten deine Leute ab! Klar?“ Es machte Jalyuri nichts
aus, dass viele Weißen so mit ihm sprachen. Was wussten sie schon von dem Land,
was wussten sie schon von den Ahnen, die ihn beschützten? Ruhig wandte er sich
um und sagte: „Es war ausgetrocknet.“ „He, hört euch den Kerl an!“, rief Hugh.
„Du bist ein Klugscheißer, was?“ Er lachte. „Du hast’s doch gar nicht gesehen!
He, haltet mal an! Alle anhalten!“ Die Kamele, die mit einem Seil, das man
ihnen durch die Nase gezogen hatte, miteinander verbunden waren, blieben stehen. „W-w-was,
zum T-teufel, ist los, Hugh?“, rief Paddy. „Ja, was gibt’s?“ Das war Jim.
„Dieser schwarze Hurensohn hat uns am Wasserloch vorbeigeführt. Es muss
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