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Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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Land
    nicht. Sie wissen nicht, wie nah der Tod hier ist.“ Er machte mit dem Kinn eine
    Bewegung in Richtung der Toten. „Dr. Brown ist unendlich weit von hier
    entfernt, die nächsten Menschen leben mindestens vier Tagesreisen von hier. Es
    gibt keine Hilfe, wenn Ihre Frau ernsthaft krank wird.“ „Sie sollten lieber
    zusehen, John, dass Ihre Frau bald
    nachkommt.“ Pauls Ton hatte etwas Tadelndes. „Was wollen Sie mir damit sagen,
    Paul?“ Wütend ging John auf ihn zu. Er war kein Schläger, aber jetzt hätte er
    Paul am liebsten die Faust in den Magen gerammt. Jesus Christus, verzeih mir!,
    dachte er im selben Augenblick. „Ich denke, dass wissen Sie doch selbst.“ Pauls
    Gelassenheit provozierte John noch mehr. Er würgte seine Wut hinunter. Herr,
    hilf mir, dass ich nachsichtig bin! „Sehen Sie, John ...“ Der belehrende
    Unterton in Pauls Stimme war kaum zu überhören. „... Sie sollten versuchen,
    Emma als selbstständigen und starken Menschen zu betrachten. Verstehen Sie?“
    John konnte Pauls Gesicht nicht sehen, aber er war sicher, auf dessen Zügen lag
    ein triumphierendes Lächeln. „Sie müssen sich nicht um sie kümmern, John. Sie
    kommt allein zurecht. Und noch mal: Schreiben Sie Ihrer Frau, sie soll so bald
    wie möglich nachkommen.“ Damit drehte sich Paul um und stapfte zurück zu der
    verwitterten Wurzel, die sich grau und fahl gegen die gähnende Dunkelheit
    abhob. John konnte nichts mehr entgegnen. Es war genau das geschehen, was Paul
    beabsichtigt hatte: Er schämte sich, für Emma eingetreten zu sein – eine Grenze
    überschritten zu haben. Benommen und verwirrt über seine eigenen Gefühle schlug
    John den Weg zum Camp ein.

6
    Seit dem schrecklichen
    Fund hatte sich Emmas Darm mehrmals unter Krämpfen entleert. Sie wusste, dass
    sie Flüssigkeit zu sich nehmen musste, doch allein die Vorstellung, schlucken
    zu müssen, verursachte ihr Übelkeit. Hassan sah nur ein paar Mal zu ihr
    herüber, er war damit beschäftigt, Zaumzeug zu reparieren. Sie hatte kein
    einziges Wort mit ihm gewechselt und fühlte sich erleichtert, dass es dunkler
    wurde und sie sich aus dem Feuerschein zurückziehen konnte und fast unsichtbar
    wurde. Von weitem drangen das Klacken der Schaufeln und die Stimmen der Männer
    heran. Doch was sie sagten, konnte sie nicht verstehen. Schließlich kam jemand
    mit schnellen Schritten, und einen Augenblick lang hoffte sie, dass es Paul
    war, doch dann wurde ihr klar, dass Pauls Schritte behäbiger und schwerer
    klangen. Sie seufzte. Wieder ließ Paul sie allein.
    Tatsächlich war es John,
    der zurückkehrte. Er wirkte erregt und wütend. Doch sie sprach ihn nicht an. Er
    warf ihr nur einen kurzen Blick zu, den sie nicht deuten konnte, und verkroch
    sich dann in seiner Decke am Feuer. Das Klacken der Schaufel hörte lange nicht
    auf. Irgendwann im Laufe der Nacht hörte sie das Knirschen von Schritten, doch
    sie war zu matt, um die Augen zu öffnen.
    Ein Geräusch weckte sie.
    Der Morgen graute. Schon glomm am Horizont ein schwaches Rot. Sie drehte sich
    um und sah, dass Hassan nicht mehr neben den Männern lag. Sie blickte sich um
    und entdeckte ihn im Schatten der Dämmerung etwa hundert Meter vom Lager
    entfernt. Er kniete vor einem Kamel. Es musste Esmeralda sein. Die Angst vor
    Hassan, ja die starke Aversion, die sie von Anfang an empfunden hatte, hatte
    nachgelassen, sie war seit gestern sogar verschwunden, als sie allein mit ihm
    Lager gewesen und er sie kein einziges Mal aufdringlich angestarrt hatte. Sie
    stellte fest, dass er ihr mit mehr Achtung begegnete.
    Immer wieder war sie in
    der Nacht von Übelkeit geplagt worden, und jetzt fühlte sie sich gerädert,
    dennoch schlug sie die Decke zurück und stand langsam auf. Das Laufen fiel ihr
    schwer, die Übelkeit kehrte zurück, auch die Kopfschmerzen. Die Kleidung und
    jeder Windhauch auf der Haut schmerzten, ihr Herz klopfte unregelmäßig und
    schnell, und ihre Stirn fühlte sich trocken und heiß an.
    Hassan musste längst
    gesehen haben, dass sie sich ihm näherte, dennoch drehte er sich nicht zu ihr
    um, auch als sie fast neben ihm stand. Unbeirrt strich er über das linke
    Vorderbein des Kamels, an dem Emma deutlich die Schwellung erkannte. Auf dem
    Feuer sah sie einen Kanister mit einer stark nach Eukalyptus und Teer
    riechenden Tinktur. Erst jetzt sah Hassan auf, in seinem Blick lag für einen
    Moment Überraschung. Ohne ihn zu fragen, wie in einer stillen Übereinkunft, streckte
    sie den Arm aus

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