Das Leuchten der schottischen Wälder
kleiner Wind schadet uns nicht, dachte sie und sah noch einmal nach den mit Zellophan bedeckten Frühstücksbrettern in der Küche und nach den kaltgestellten Getränken. Die Gläser mit dem eisgekühlten Whisky werde ich später beim Servieren mit auf die Bretter stellen, überlegte sie und schaute zur Farm hinunter. Tom macht seine Arbeitet wirklich gut, freute sie sich, der alte Mann nimmt mir die Pflege der Alpakaherde inzwischen vollkommen und zuverlässig ab.
Die Tiere weideten seit einer Woche wieder auf einem entfernten Berghang, denn der Wind hatte sich gedreht, und die Lava-Wolke aus Island zog über den Atlantik nach Westen und bedrohte die Highlands im Augenblick nicht.
Als sie den Geländewagen vor dem Haus hörte, ging sie ihrem Gast bis zum Gartentor entgegen, ihren weiten weißen Rock festhaltend, der von Windböen aufgebläht wurde. Sie sah zauberhaft aus, und dem introvertierten Wildhüter fiel das Atmen schwer. Auch das lindgrüne Seidentop mit violetter Zopfbordüre an Arm- und Halsausschnitten verriet mehr, als es verbarg. Passend dazu trug sie an den nackten Füßen lilafarbene Sandalen. Auf Schminke hatte sie verzichtet und auch auf Haarspangen. So hatte der Wind leichte Beute und kräuselte die dunklen Locken um Gesicht, Hals und Dekolleté.
Lena freute sich auf den Abend. Sie, die sonst so überlegt und umsichtig handelte, hatte die Einladung spontan ausgesprochen. Und sie wusste, dass es die richtige Reaktion nach dem gestrigen schweren Tag war. Lächelnd ging sie dem Ranger entgegen. „Ich hatte Sie zu Pferd erwartet.“ Sie strich sich eine lockere Haarsträhne aus dem Gesicht und hielt Sandy fest, die den Fremden mit wilden Sprüngen begrüßte.
„Ein hübscher Hund, wie alt ist er?“
„Er ist eine ‚Sie’, heißt Sandy und ist zwölf Wochen alt. Und wenn sie groß ist, wird sie ein Setter sein.“
„Seit wann haben Sie die Kleine? Ich habe sie hier noch nicht gesehen.“
„Sie ist ein Überraschungsgeschenk. Ich bekam sie vor kurzem.“ Lena lachte, „Sandy soll mich beschützen.“
„Nach einem Schutzhund sieht das Wollknäuel aber noch nicht aus.“ Patrick kraulte den kleinen Hund zwischen den Ohren, und Sandy legte sich vor Begeisterung auf den Rücken.
„Kommen Sie, ich habe den Tisch im Garten gedeckt. Der Wind wird uns hoffentlich nicht zu lästig.“
Der Ranger folgte ihr. „Ich rechne mit einem Gewitter. Deshalb bin ich auch mit dem Wagen gekommen.“
„Ich dachte, Sie reiten bei Wind und Wetter.“
„Nicht, wenn ich mit einem Alarm rechnen muss.“
„Einem Alarm?“
„Sollte der Blitz einschlagen und den Wald in Brand setzen, muss ich erreichbar sein.“ Er zeigte auf das Handy und ein Funkgerät an seinem Gürtel. „Und dann brauche ich den Wagen.“
„Ich hoffe auf einen friedlichen Abend, Unruhe hatten wir gestern genug.“ Lena bot ihrem Gast den Stuhl mit dem besten Ausblick auf die Berge an. „Ich gehe und hole unser Abendessen, aber lachen Sie nicht, weil ich mit einem Frühstück komme.“
Der Ranger sah sie irritiert an. „Ein Abendessen, das ein Frühstück ist?“ Er lachte. „Oder habe ich mich in der Tageszeit geirrt?“
„Nein, nein, es ist alles in Ordnung. Meine Haushälterin hat mich zu dem Essen überredet, damit ich nicht dauernd aufstehen und in die Küche laufen muss.“
„Sehr vernünftig.“ Er stand wieder auf. „Kann ich beim Tragen helfen?“
„Ja, gern.“
Er folgte ihr, und zum ersten Mal sah er das Haus von innen. „Schön ist das hier geworden. Ihre Einrichtung verrät Talent fürs Landleben und Fingerspitzengefühl. Ich kann mir jetzt schon vorstellen, wie gemütlich es im Winter ist, wenn der Schnee bis an die Fensterbretter reicht.“
„Hören Sie auf. Ich fange gerade an, den Sommer zu genießen. Sie können sich gern umsehen, ich mache das Frühstück fertig.“
Während der Mann durch den Wohnraum, den Flur und die Praxisräume ging, die Bücher im Regal studierte und den dicken Kachelofen bestaunte, stellte Lena die kleinen Gläser zu den Speisen auf die Holzscheiben und füllte sie mit Whisky. „Kommen Sie bitte, es ist alles fertig.“
Sie reichte ihm die beiden Holzscheiben mit dem appetitlich angerichteten Highlander-Frühstück und folgte ihm mit einem Eimer voller Eis, in dem Bier und Whisky kalt gestellt waren.
Der Ranger sah sie zufrieden an. „Das ist ja fabelhaft. Und ich muss gestehen, ich habe einen Bärenhunger.“
„Das freut mich. Als Amy mit dem Vorschlag kam, habe ich
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