Das Leuchten der schottischen Wälder
Lena wirklich lachen. „Herzlich willkommen, aber bleiben Sie bitte hier stehen, ich hole erst mal ein paar Handtücher und einen Stuhl.“ Sie lief in die Küche und kam kurz darauf zurück. „So, jetzt können Sie sich setzen und mit dem Ausziehen beginnen. Ich besorge noch einen Bademantel.“
Auf keinen Fall wollte sie den durchnässten Gast im Wohnraum oder in der Praxis haben. Während sie nach oben ging und einen Bademantel ihres Vaters aus einer Restekiste holte, zog der nasse Gast Schuhe und Strümpfe aus. Dann streifte er die Jacke und das Seidenhemd ab und legte sie über die Stuhllehne.
Mit einem Handtuch um die Schultern und dem Blick eines schuldbewussten Kindes sah er der Ärztin entgegen. „Es tut mir so leid.“ Er reichte ihr die Hand. „Guten Abend erst einmal. Immer sind Sie der letzte Retter in der Not. Aber ich wusste wirklich nicht wohin.“
Lena gab ihm den Bademantel und ein paar Tennissocken, von denen sie hoffte, dass sie passten. „Hier, ziehen Sie die Sachen an und alle nassen bitte aus. Dann dürfen Sie in die Wohnstube kommen.“ Sie schmunzelte, denn dieser eitle Mann, der so viel Wert auf sein gepflegtes Äußeres legte, stand da wie ein begossener Pudel und sah sie hilflos an.
„Nun machen Sie schon. Das bisschen Regenwasser ist noch kein Weltuntergang. Ich koche inzwischen einen heißen Tee, und wenn Sie sonst keinen Schaden in meinem Haus anrichten, bekommen Sie einen ordentlichen Schluck Whisky in die Tasse.“
Jetzt lachte er auch. „Sie wissen, was ein nasser Mann braucht. Danke. Was mache ich mit meiner Kleidung?“
„Lassen Sie alles auf dem Stuhl liegen. Ich hänge die Sachen später in der Waschküche auf.“
Sandy kam aus der Küche, beschnüffelte den Fremden, tapste durch die Pfütze und verteilte das Regenwasser auf den Fliesen. Dann suchte sie beim nächsten Donner, der über das Land rollte, wieder Schutz unter dem Küchentisch.
Auf dem Herd blubberte das kochende Wasser, und Lena goss den Tee auf. Dann kam sie mit einem Tablett voller Geschirr, etwas Kleingebäck und der Whiskyflasche zurück in die Wohnstube und machte Licht. Draußen tobte noch immer das Gewitter über dem Ort, und der Regen strömte auf das Land. Einen Augenblick dachte sie an den Ranger, der den Regen so sehr herbeigewünscht hatte, dann wandte sie sich wieder ihrem Gast zu. „Erzählen Sie, was Sie hertreibt und warum auf so nasse Art und Weise.“
Newborg nahm einen ordentlichen Schluck: „Ich wollte zur Brownsen-Farm. Sie haben damals gesagt, ich soll nett zu der Besitzerin sein, denn die Sache mit den Flöhen sei nicht ihre Schuld. Also habe ich angerufen, ob ich noch ein paar Tage kommen könnte, weil mein Urlaub damals ausgefallen war. Na ja, und dann kam das Gewitter, gerade als ich von der A 828 abgefahren bin. Und ich habe gedacht, ich erreiche die Farm noch vor dem Regen. Aber als ich aus dem Tal aufs offene Land kam, sah ich, dass ich das nicht mehr schaffe. Ich wollte während der Fahrt das Verdeck schließen, aber das Dach klemmte, ist schon ein paar Mal passiert, und im gleichen Augenblick begann es zu gießen. Und kurz drauf wurde die letzte öffentliche Straße gesperrt, die man hier benutzen darf, und in Broadfield bin ich nicht mehr weitergekommen, wegen des Alarms in der Einsatzzentrale.“
„Es brennt in oder bei der Brownsen-Farm, mehr weiß ich auch nicht“, erklärte Lena ihm.
„So ein Pech aber auch. War das der Wildhüter vorhin, der an mir vorbeirannte? Da habe ich wohl sehr gestört?“
„Nein, er musste zum Einsatz. Wir haben schon den ganzen Abend die Unwetterfront beobachtet.“
„Tut mir leid. Ich wäre ja ins Pub gefahren, aber man hat mich nicht durchgelassen.“
„Macht doch nichts.“ Ein gewaltiger Donner krachte über dem Ort, und eigentlich war Lena ganz froh, dass sie nicht allein in ihrer Stube saß. Draußen fuhren Wagen mit Sirenengeheul vorbei. Dann riefen ein paar Männer auf der Straße: „Jetzt hat’s den Kirchturm erwischt.“
„Nur die Spitze.“
„Aber bis da hinauf reicht kein Löschwasser“.
„Wenn die kippt, erwischt sie das Pub.“
„Kommt auf die Windrichtung an.“
„Immer diese Unwetter. Erst die Trockenheit und dann die Wolkenbrüche.“
„Der Black Glen läuft schon über.“
„Auch das noch …“ Die Stimmen wurden leiser, die Männer entfernten sich.
Lena stand auf. „Ich muss mich umziehen. Wenn ich gebraucht werde, muss es schnell gehen. Nehmen Sie sich von dem Tee und von dem Gebäck,
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