Das Leuchten der schottischen Wälder
dachte sie mit Schrecken. „Ich brauche Licht, jede nur denkbare Lampe“, erklärte sie dem Sergeant und den Männern von der Feuerwehr.
Als man ihr einen starken Handscheinwerfer reichte, kroch sie durch das Geäst und versuchte den Innenraum des Wagens – oder was davon noch übrig war – auszuleuchten.
„Wie viele Personen sind drin?“
„Erst dachten wir vier, aber es sind wohl bloß drei.“
„Sie müssen den ganzen Wagen auseinanderschneiden, sonst kommen wir nicht ran. Sind Benzin und Öl und was sonst noch Feuer fangen kann abgelassen?“
„Ja, so weit wir konnten, haben wir alles abgelassen. Aber dann haben wir nicht gewagt, mit den Schneidbrennern zu arbeiten. Wir wollen die Leute, wenn sie noch leben, nicht zusätzlich verletzen.“
„Schneiden Sie erst einmal das ganze Laub und Geäst weg bis auf den Teil, der im Wagen steckt.“
Die Männer gingen vorsichtig an die Arbeit, und Lena blieb neben dem Wagen stehen, die Hand auf den schweren Ast gelegt, um sofort „Halt“ zu rufen, wenn er bewegt wurde. Dann konnte sie erkennen, wie es in dem zusammengepressten Wagen aussah: Vorn saßen zwei erwachsene Personen, nach vorn zusammengekrümmt und mit den Köpfen zwischen den Knien. Das hat ihnen vielleicht das Leben gerettet, dachte Lena. Hinten lag, von Blättern bedeckt, in einer Kinderliege ein Baby.
Endlich waren Laub und Äste beseitigt. Einer der Männer schob den Helm zurück und wischte sich den Schweiß vom Gesicht.
Lena nickte ihm zu. „Fangen Sie hinten beim Kofferraum an. Vielleicht können wir das Kind durch die Rückwand herausziehen.“ Die Männer arbeiteten mit zwei Schneidbrennern. Die Funken fraßen sich kreischend durch das Metall, und Lena dachte: Dieses Geräusch werde ich mein Leben lang nicht vergessen. Nach wenigen Minuten konnten die Männer den Kofferraumdeckel abnehmen und ein Loch in die Rückwand bohren. Als die Öffnung groß genug war, winkten sie der Ärztin zu. „Jetzt könnte es klappen.“
Lena kroch in die nach versengtem Metall stinkende und von Glassplittern übersäte Öffnung und versuchte die Kinderliege herauszuziehen. „Ich brauche ein Messer, um die Gurte durchzuschneiden.“ Nach einigem Hin und Her hatte sie das kleine Bettchen gelöst und konnte es vorsichtig herausheben. Das Baby begann zu weinen. Behutsam nahm Lena das Kind in den Arm. Es war über und über mit Glassplittern bedeckt, hatte aber keine blutenden Schnittwunden. Sie tröstete das Baby und reichte es Robert Marloff, der es in eine Decke hüllte und in Lenas Wagen legte.
„Wo bleiben bloß die Krankenwagen? Ich brauche Hilfe, ich kann nicht zwei Schwerverletzte irgendwohin transportieren.“ Lena war wütend, dass man sie hier so ganz allein ließ. Aber sie musste weitermachen, sie konnte sich nicht mit unnötigen Fragen aufhalten.
„Bitte rufen Sie ständig die Rettungswagen an“, bat sie den Sergeant, und von den Männern mit den Schneidbrennern verlangte sie: „Jetzt machen wir von vorn weiter. Der Motorraum und das Armaturenbrett müssen weg, damit ich von da aus an die Verletzten herankomme.“
Die Männer machten sich an die Arbeit. Es stank nach verbranntem Öl, verglühtem Eisen, nach Gummi und versengtem Leder. Während zwei Feuerwehrleute die Metallteile zerschnitten, stand auf jeder Seite ein Polizist mit einem einsatzbereiten Feuerlöscher. Andere Männer hatten alle Hände voll zu tun, die in Scharen näherkommenden Dorfbewohner von der Unfallstelle fernzuhalten. Der Regen hatte nachgelassen, man wagte sich wieder auf die Straße.
Die Schneidbrenner fraßen sich durch die dünnen Bleche über den Vorderrädern, und verhältnismäßig schnell nahmen die Männer den Motorblock mit allem Zubehör von der Karosserie und legten ihn zur Seite. Sehr viel schwerer war es, das Trennblech zwischen Motorraum und Insassenkabine zu durchtrennen. Man konnte nicht erkennen, wo sich Beine, Arme und Köpfe der beiden Verletzten befanden. „Schneiden Sie ganz langsam an den Außenseiten entlang. Sobald man das Blech etwas auseinanderziehen kann, versuche ich mit der Hand zu fühlen, wie sie sitzen.“
„Halt, Dr. Mackingtosh, Sie vergessen die Funken. Sie verbrennen sich, wenn Sie da so dicht am Schneidbrenner sind.“
Einer der Männer reichte ihr seinen Helm und die Schutzbrille. Lena setzte sich beides auf. Einen Augenblick lang ekelte sie sich, denn das Leder auf der Innenseite des Helms war nass geschwitzt und glitschig. „Danke. Holen Sie bitte aus meinem Koffer
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