Das Leuchten der schottischen Wälder
die Tür unten offen.“ Rücksichtsvoll verließ er den Raum. Lena streifte den Morgenrock ab und ließ sich ins Wasser gleiten. Wohlige Ruhe stellte sich ein, und sie schloss die Augen.
Als Newborg nach einer halben Stunde Stille immer noch nichts hörte, ging er leise nach oben und klopfte an die Badezimmertür. Alles blieb ruhig. Besorgt öffnete er die Tür einen Spalt. In der Wanne lag die Ärztin, den Kopf auf ein Gummikissen gebettet, und schlief tief und fest in dem kühler werdenden Wasser. Erschrocken sah er sich um. Er musste sie wecken, sie konnte nicht die restliche Nacht im kalten Wasser schlafen. Er blieb hinter der Tür stehen und rief sie. Als sie sich nicht rührte, ging er hinein und strich ihr übers Haar. „Miss Mackingtosh, Sie müssen ins Bett gehen.“ Ihm entging nicht die Schönheit und die Ebenmäßigkeit ihres wohlgeformten Körpers, der so verletzlich und unschuldig wirkte.
Erst nach der zweiten Berührung riss Lena erschrocken die Augen auf, drohte beinahe mit dem Kopf ins Wasser zu rutschen und richtete sich dann verwirt auf. „Ich bin einfach eingeschlafen …“ Dann sah sie den Mann, der ihr ein ausgebreitetes Badetuch hinhielt.
„Entschuldigung, aber ich habe mir Sorgen gemacht, als ich nichts mehr von Ihnen hörte. Gehen Sie lieber ins Bett, im Wasser wird es zu kalt für Sie.“
Lena, noch immer völlig verschlafen, ließ sich von ihm einwickeln und ins Schlafzimmer führen. „Ich war zum Umfallen müde. Tut mir leid, dass Sie nun auch eine schlaflose Nacht haben.“
„Es ist das Mindeste, was ich für Sie tun kann. Legen Sie sich jetzt hin, ich gehe hinunter und mache Ihnen ein Glas heiße Milch mit Honig und einem Schuss Whisky. Ein Rezept meiner Mutter, danach werden Sie wunderbar schlafen.“
Lena kicherte. „Ein Rezept für eine Ärztin. Aber ich nehme die Milch, ich bin etwas kalt geworden in der Wanne. Danke, dass Sie mich geweckt haben.“ Sie schlüpfte schnell in den Pyjama, öffnete das Fenster und entriegelte den Fensterladen, um die frische Luft hereinzulassen. Und während sie dem beschwingten Tanz der duftigen Vorhänge vom Bett aus zusah, schlief sie wieder ein.
Als Newborg mit dem Glas Milch in der Hand das Zimmer betrat, wurde es draußen bereits hell. Behutsam stellte er das Glas ab. Jetzt würde er sie nicht wieder wecken. Er löschte die Lampe, setzte sich vorsichtig auf den Bettrand und betrachtete in der ersten Morgendämmerung die schlafende Frau. Sie lag auf der Seite, der rechte Arm ruhte auf der Decke. Manchmal zuckte die Hand. Sie träumt, dachte er und hätte gern die unruhigen Finger in seine Hände genommen. In ihm stieg ein unbändiges Verlangen nach dieser Frau auf, aber dann schüttelte er den Kopf. Nein, ich werde sie nicht berühren. Ich werde diese unwirkliche Situation nicht ausnützen. Ich kann warten und werde langsam und höflich, wie es sich gehört, um sie werben. Sie ist so ein zauberhaftes Wesen, dass sich die Mühe in jeder Sekunde und mit jedem Wort lohnt. Er stand auf, beugte sich über sie und küsste sie behutsam auf die Schläfe.
Kapitel 22
Obwohl das Regenwasser noch zentimeterhoch in den Gartenwegen, auf dem Rasen und auf den Beeten stand, ging Lena am nächsten Morgen hinaus, um wenigstens die Blüten der umgeknickten und im Schlamm liegenden Blumenstauden zu retten. Sie hatte Gummistiefel angezogen und Gartenhandschuhe, denn sie musste ihre Hände schützen. Behutsam nahm sie die Blüten, die auf der Erde lagen, in die Hand, schüttelte vorsichtig Wasser und Erde ab und legte sie in den Korb. Voll Wehmut dachte sie an die Blütenpracht, die bis gestern einen Garten schmückte, der vor acht Wochen noch die reinste Wildnis war. Wie viel Mühe hatten Amy und sie in die unbearbeiteten Flächen investiert; Amy, die Gemüse ziehen wollte, und Lena, die sich einen blühenden, duftenden Garten wünschte.
Zwölf Wochen … Wie anders hatte ihr Leben damals noch ausgesehen: Sie war eine angesehene und zufriedene Ärztin in Glasgow, hatte Freunde, ein gutes Einkommen und eine hübsche kleine Wohnung. Alles, was sie sich immer gewünscht hatte und von ihrem Leben erwartete. Und dann der plötzliche Tod ihrer Eltern, der ihr ganzes Leben veränderte. Sie schüttelte traurig den Kopf. Ihre ganze Lebensplanung musste sie über den Haufen werfen, ihre erfolgreiche Arbeit von heute auf morgen aufgeben und eine neue Existenz aufbauen. Aber sie hatte sich gezwungen, den Tatsachen ins Auge zu sehen, hatte nicht gegrübelt und
Weitere Kostenlose Bücher