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Das Leuchten in der Ferne: Roman (German Edition)

Das Leuchten in der Ferne: Roman (German Edition)

Titel: Das Leuchten in der Ferne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linus Reichlin
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unwahrscheinlich. Er war schon mit vielen Fotografen unterwegs gewesen, keiner hatte je die Kameratasche im Koffer transportiert.
    Nolting lud sie ein, vorn bei ihm mitzufahren. Sie stiegen ein, und Nolting fuhr los.
    Wo haben Sie eigentlich Ihre Kamera?, fragte Martens. Mir ist aufgefallen, dass Sie keine Kameratasche dabeihaben.
    Sie ist im Koffer, sagte Miriam, ohne ihn anzuschauen. Ich arbeite mit einer Minolta, sie ist schon sechs Jahre alt. Eine ganz einfache Digitalkamera.
    Und damit wollen Sie die Porträts machen?, fragte er.
    Ja, damit mache ich die Porträts.
    Na ja, sagte er, ich war noch nie mit einer Fotografin unterwegs, die eine Kompaktkamera benutzt hat.
    Dann ist es jetzt das erste Mal, sagte sie.
    Wie will sie denn mit einer Touristenkamera gute Porträtfotos machen?, dachte er. Er machte sich Vorwürfe, dass das erst jetzt zur Sprache kam. Er hätte sich darum schon kümmern müssen, nachdem er im Internet keinen Eintrag über sie gefunden hatte. Da hätte er nachfragen müssen: Für welche Zeitungen in England haben Sie denn gearbeitet? Sie benutzte eine Kompaktkamera! Damit konnte man allenfalls sachliche Porträts machen. Und sie brauchten unbedingt gute Fotos von der Bacha Posh. Die Leser mussten beim Betrachten der Fotos das Gefühl haben, dem Mädchen persönlich zu begegnen, man musste die Tiefe ihres Blicks erkennen können, die Unebenheiten ihrer Haut, man musste das Gefühl haben, sie beim Betrachten kennenzulernen. Ein solches Foto gelang nur durch Einfühlung, Intuition und der Technik, diese Intuition umzusetzen. Dazu war zumindest ein externes Blitzgerät notwendig.
    Kann man denn an ihrer Kamera, fragte er, ein Blitzgerät anschließen? Bei den meisten Kompaktkameras kann man das nicht.
    Machen Sie sich keine Sorgen, sagte sie, es ist alles in Ordnung.
    Kinder
    Sie fuhren durch Feyzabad mit der höchstmöglichen Geschwindigkeit. Es wurde nicht mehr gesprochen. Nolting konzentrierte sich auf die Straße, die zwei anderen Soldaten beobachteten die Fußgänger, die Toyotas, die Eselskarren, die Kinder am Straßenrand. Auch Martens geriet wieder in den Zustand des uneingeschränkten Misstrauens, mit dem man durch afghanische Städte und Dörfer fuhr. Er sah einen Jungen, vielleicht zwölf Jahre alt, der am Straßenrand schlenderte und telefonierte. Der Junge blickte sich zweimal nach dem Eagle um, und als sie an ihm vorbeigefahren waren, besann er sich plötzlich anders und ging in die Richtung zurück, aus der er gekommen war.
    Hab ich gesehen, sagte Nolting durch den Sprechfunk zu einem der Soldaten.
    Ein Eselskarren versperrte die Straße. Das Ladegut auf dem Karren war mit einem weißen Tuch abgedeckt. Nolting hupte zweimal, aber der Mann, der vorn auf dem Karren saß, reagierte nicht. Sie mussten anhalten. Links befand sich ein Verkaufsstand, in dem Kochgerät angeboten wurde. Der Händler war nicht zu sehen. Auch rechts von ihnen wurde Kochgerät verkauft, und jetzt erst sah Martens, dass überhaupt in der ganzen Straße nur Kochgerät verkauft wurde, ein Stand reihte sich an den nächsten. Martens hielt Ausschau nach Kindern, aber da waren keine. Dass es in der Nähe eine Bombenfalle gab, erkannte man oft am Fehlen von Kindern. In afghanischen Ortschaften war man normalerweise stets von Kindern umgeben, sie waren für den Fremden das, was früher für die Bergarbeiter die Kerze gewesen war. Die Bergarbeiter hatten im Stollen eine Kerze auf den Boden gestellt, um über die Kohlenmonoxid-Konzentration informiert zu sein: Erlosch die Flamme, bestand Erstickungsgefahr. Waren in einer afghanischen Straße keine Kinder zu sehen, bestand Explosionsgefahr. Der Führer des Eselskarrens stellte sich linkisch an, er zerrte am Geschirr des Esels, als habe er es noch nie mit einem solchen Tier zu tun gehabt. Einige Männer blieben stehen und erteilten ihm Ratschläge. Nolting hupte nochmals.
    Endlich ging es weiter. Sie nahmen wieder Fahrt auf. An einer Kreuzung schnitt ihnen ein weißer Toyota-Pick-up den Weg ab, Nolting musste bremsen, fluchte. Auf der Ladefläche des Pick-up saßen drei Männer mit schwarzen Turbanen, in die ein weißes Streifenmuster eingewoben war. Schwarz war die Farbe der Taliban. Aber der Pick-up fuhr weiter, es sprang niemand von der Ladefläche und schoss. In der nächsten Straße standen jetzt auch wieder Kinder, sie rannten, als sie den Eagle kommen sahen, an den Straßenrand und formten die Hände zu Kreisen. Sie riefen etwas, das durch das Panzerglas nicht zu

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