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Das Leuchten in der Ferne: Roman (German Edition)

Das Leuchten in der Ferne: Roman (German Edition)

Titel: Das Leuchten in der Ferne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linus Reichlin
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Karte aus. Er machte einige Bemerkungen zur aktuellen Sicherheitslage und den Einsatzzielen, aber es war einfach zu heiß. Die Männer schwitzten dick eingepackt in Kampfanzug und Schussweste, und ihnen strich kein Wind ums Kinn, denn sie hatten sich alle mit Ausnahme des Sanitäters Bärte wachsen lassen, weil Afghanen Männer ohne Bärte nicht ernst nahmen. Martens fand diesen Anpassungsversuch nett, aber in der Konsequenz hätten Tremmels Männer auch zum Islam konvertieren müssen, denn die Afghanen nahmen Ungläubige auch dann nicht ernst, wenn sie einen Bart trugen.
    Tremmel ging bei der Einsatzbesprechung sehr ins Detail und ermahnte seine Männer zur Höflichkeit gegenüber den Einheimischen und zur Beachtung der Sicherheitsvorschriften, alles war für die Journalisten gedacht, die er an der Backe hatte, und es zog sich in die Länge. Miriam blickte Martens während der ganzen Besprechung kein einziges Mal an. Sie hatte nur ihre Reisetasche dabei, die er vorhin durchsucht hatte. Nach der Durchsuchung war er nach draußen gegangen, um nachzusehen, wie es ihr ging. Sie war aber nicht mehr da gewesen und erst kurz vor eins in die Baracke zurückgekehrt.
    Ich war im Lazarett, hatte sie gesagt, die haben mir etwas gegen die Magenschmerzen gegeben, jetzt geht es mir schon viel besser.
    Sie war aber noch immer aschfahl gewesen, und erst jetzt, während der langen Besprechung unter der Sonne, kehrte die Farbe zögerlich in ihr Gesicht zurück.
    Endlich gab Tremmel den Befehl zum Einsteigen. Er sagte zu Martens, er werde sie am Zielort absetzen und dann vor der Schule eine halbe Stunde auf sie warten. Länger dürfe das Gespräch aus Sicherheitsgründen nicht dauern. Danach Rückfahrt ins Camp. Miriam sagte, sie müsse aber vorher noch ein Kopftuch kaufen. Im Bazar anzuhalten, sagte Tremmel, sei aus Sicherheitsgründen nicht möglich. Man werde ihr in der Schule bestimmt ein Kopftuch ausleihen, die haben ja genügend davon, sagte er.
    Sie stiegen ein, saßen hinten neben den Soldaten. Einer von ihnen zog aus der Uniformtasche eine in Alufolie verpackte Wurst hervor, die er in Stücke schnitt, auch Martens und Miriam bot er einen Bissen an. Es war Rheinische Schinkenwurst, sie schmeckte köstlich durch ihre Koriandernote. Martens lobte sie, und der Soldat, dem man ansah, dass er von Würsten etwas verstand, sagte, sie sei hausgemacht, aus der Metzgerei seines Vaters. Das schmeckt man, sagte Martens, und was ist außer Koriander sonst noch drin? Sellerie?
    Betriebsgeheimnis, sagte der Soldat, möchten Sie noch ein Stück? Er hatte tatsächlich in einer anderen Tasche eine zweite Wurst vorrätig und schnitt für Martens ein besonders großes Stück ab. Miriam hielt das erste Stück noch in der Hand, der Soldat fragte, essen Sie kein Schweinefleisch?
    Doch, sagte sie, aber ich habe keinen Hunger.
    Sie gab es Martens.
    Jetzt noch ein gutes Weißbrot, sagte Martens, und einen Riesling von der Mosel.
    Das mit dem Riesling seh ich wie Sie, sagte der Soldat, aber bei uns in Gierschnach essen wir dazu Schwarzbrot mit dick Butter drauf.
    Martens kaute einen Bissen Wurst, behielt ihn vor dem Schlucken im Mund, erkundete mit der Zunge die Aromen und sagte, ich weiß, Sie dürfen es mir nicht verraten, aber da ist eindeutig Sellerie drin.
    Stangen oder Knollen?, fragte der Soldat und grinste.
    Durchs vergitterte Seitenfenster des Wagens sah Martens die Berge holpern, dann die ersten Häuser von Feyzabad. Es glitt vorbei ein Mann, der auf einer Leiter stand und sich nach den elektrischen Kabeln streckte, die von Mast zu Mast hingen. Ein Pferd, beladen mit Säcken. Eine Gruppe Frauen in weißen Burkas, nicht den blauen, wie sonst üblich. Der Metzgerssohn aus Gierschnach schwieg jetzt, die Zeit des Wurstessens war vorbei, man machte sich auf alles gefasst. Die Stadt verschluckte den Konvoi, Tremmels Funkgerät zischte, er meldete seine Position dem Hauptquartier, hielt Kontakt mit den zwei anderen Fahrzeugen der Patrouille. Hupen, Pfiffe einer Trillerpfeife. Ein Knall – und die Erleichterung der Soldaten, als sie merkten: nur die Fehlzündung eines Auspuffs. Miriam, die schweigend dasaß, ihre Reisetasche auf dem Schoss. Martens empfand sie als weit weg von sich, und es fiel ihm schwer, sich vorzustellen, dass sie sich gestern noch geküsst hatten. Fotografier mich, sagte er.
    Warum?, fragte sie.
    Fürs Editorial, sagte er. Wir machen diese Geschichte ja für den Wochenspiegel.
    Ich weiß.
    Ich bin sicher, sagte er, dass sie die

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