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Das Leuchten in der Ferne: Roman (German Edition)

Das Leuchten in der Ferne: Roman (German Edition)

Titel: Das Leuchten in der Ferne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linus Reichlin
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auszusprechen unter dem gnädigen Dach des Rausches.
    Stattdessen tranken sie hier unaufhörlich den überzuckerten Tee, Ehsanullah goss ihnen die Gläser voll. Martens hatte schon fünf davon getrunken: Der Tee wärmte und hielt wach, das war alles. Er hatte nicht nur keine höhere Wirkung, er schmeckte auch nicht so gut wie Wein. Nichts sprach dafür, Tee zu trinken, wenn es auf der Welt Wein gab. Es sprach nichts dagegen, Tee und Wein zu trinken. Aber ausschließlich Tee zu trinken war dumm.
    Was hätte Martens für ein einziges Glas Wein gegeben? Den kleinen Finger? Für zehn Flaschen, dachte er. Für zehn Flaschen würde ich jetzt den kleinen Finger geben. Aber nur für sehr guten Weißwein, für einen schweren, blumigen Chardonnay im Eiskübel. Das Geräusch der Eiswürfel, wenn man die Flasche heraushob, die kühlen Tropfen, die über die Finger rannen, das Glas beschlug sich mit einem seidenen Hauch, während die goldgelbe Flüssigkeit höher stieg.
    Etwas berührte Martens, er verscheuchte es, ein Insekt? Aber dann sah er hinter dem knisternden Feuer Yousefs Ochsengesicht. Yousef hielt in der hohlen Hand Steinchen und warf sie durchs Feuer nach Martens. Kleine Steinchen, kleine anzügliche Berührungen. Martens stand auf und setzte sich zu Dilawar und Omar, die abseits der anderen sich leise unterhielten. Neben Dilawar das Funkgerät, das Zepter seiner Führerschaft. Dilawar gab Martens eine Zigarette und schaute sich nach Pason um. Das Mädchen schlief schon, es hatte seinen Kopf auf die Hände gebettet.
    Malalai, dachte Martens. Sie hatte einst so geheißen, aber jetzt nicht mehr. Sie war Pason, der Junge, und niemand merkte es, keiner hegte einen Verdacht. Eigentlich war das merkwürdig. Khyber, der junge Bursche mit den langen Wimpern und dem weichen Mund, wurde von den Männern offen umschwärmt – ist er nicht schöner als eine Frau, komm, Khyberchen, setz dich zu mir, schaut mal, wie er sich ziert, er wird ganz rot! Die Männer lachten, sie hielten ihm von hinten die Augen zu, rate, wer ich bin! Einmal in der Nacht hatte Khyber sich zu Omar geflüchtet, in seinem Schutz hatte er weitergeschlafen. Es verging kein Tag, ohne dass Khyber hinter Scherzen verborgene Gier zu spüren bekam – aber Pason ließen sie in Ruhe. Selbst Yousef, der für Martens auch in dieser Hinsicht eine Plage war, stellte ihr nicht nach, und sie war doch noch hübscher als Khyber. Für Yousef musste sie der verlockendste Knabe sein, den er sich vorstellen konnte. Wäre Khyber eine Bacha Posh gewesen wie Pason, hätten die Männer das schon längst herausgefunden, ihre Hände hätten es erkannt – und wenn Pason derart bedrängt worden wäre wie Khyber, wäre sie als Mädchen entlarvt und umgebracht worden.
    Woran aber lag es, dass sie sie in Ruhe ließen? Sie hielt sich an den Feuern meist im Hintergrund, beteiligte sich nie an den Gesprächen der Männer, saß nur da und hörte zu, sie verhielt sich, wie sich ein paschtunischer Knabe zu verhalten hatte. Aber sie hielt sich auch von Khyber fern, man sah die beiden selten zusammen, sie marschierten getrennt. Sie saßen der eine hier, der andere dort am Feuer, jeder mit sich selbst allein. Die Zurückhaltung ging wahrscheinlich von Pason aus und war verständlich: Eine Freundschaft mit Khyber wäre für sie gefährlich gewesen, zu große Nähe hätte zu verräterischen Momenten geführt – warum gehst du zum Pinkeln immer so weit weg? – was ist das für Blut an deiner Hose? Dass das Mädchen sich so gut es ging von den anderen fernhielt, war nicht schwer zu verstehen. Aber warum ließen die Männer ihre Hände von ihr, während Khyber nichts anderes kannte als plumpe Finger und begehrliche Blicke? Martens fand dafür keine Erklärung.
    Dilawar berührte Martens an der Schulter. Er wies mit dem Kinn auf die schlafende Pason, geh und weck ihn, hol ihn her.
    Martens ging und sagte, Pason?
    Sie schlief weiter.
    Er legte die Hand auf ihren Arm. Sie zog die Beine noch näher an ihren Körper, und aus ihrem offenen Mund kam ein leises Schnarchen.
    Er rüttelte sie am Arm, ein wenig nur, aber ein wenig reichte nicht, um diesen tiefen Schlaf zu brechen.
    Pason, sagte er und rüttelte heftiger, Pason, wake up!
    Er musste einen Stein aufwecken, er brauchte beide Hände dazu, und endlich erwachte sie. Sie setzte sich auf und schaute Martens mit einem traumverhangenen Blick an.
    Sorry, sagte er.
    Why sorry?, fragte sie.
    Because I woke you up.
    Sie schaute ihn verständnislos an. Der

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