Das Lexikon der daemlichsten Erfindungen
Gibt es keine mehr, dann sucht er sich mit hängendem Schwanz Überbleibsel von Tieren, die etwa von Hyänen gerissen wurden, und auch das erst, nachdem sich die Aasgeier bedient haben.
Auch andere Tiere haben evolutionär Attribute entwickelt, die ihren Kopf scheinbar vergrößern, der Hahn mit seinem roten Kamm zum Beispiel oder der Helmkasuar und der Wiedehopf, aber auch manche Reptilien wie etwa die Kragenechse. All diese Großkopferten haben noch eines gemeinsam: Sie krähen, brüllen, fauchen oder schreien wie Feldwebel, was denn meist auch auf Schwächere einschüchternd wirkt.
Menschen, die eine Karrierelaufbahn bei Streitkräften einschlagen, haben es da schon schwerer. Der rüde Kommandoton ist ihnen nicht angeboren. Sie bekommen ihn erst während ihrer Ausbildung mühsam anerzogen. Und ihre Köpfe wirken von Natur aus nicht auffällig groß. Deshalb bemüht man künstliche Utensilien, und das nicht erst seit der Schirmmütze. Sie stellt zwar fraglos den bisherigen Höhepunkt eines den Kopf bedeckenden Überkompensationsutensils dar, hat aber etlicheVorläufer. Allerdings wirkten diese meist nicht so militärisch-aggressiv wie die von den Nazis entwickelte Schirmmütze. Ihr direkter Vorfahr war der Tschako, eine turmförmig hohe, fast zylindrische Militärkappe, die im 19. Jahrhundert etwa ungarische und französische Offiziere trugen. Gegenüber der Schirmmütze ließ er die Silhouette des Kopfes aber nur höher und nicht gleichzeitig auch breiter erscheinen. Das hat der Tschako unter anderem mit den lächerlich hohen Bärenfellmützen der englischen Königsgardisten gemein.
Doch nicht nur Militärs versuchten Löwenmähnen, Hahnenkämme und andere biologische Kopfvergrößerer mit Mützen, Kappen und Ähnlichem zu simulieren. Man denke nur an den weit ausladenden Dreispitz, wie ihn Piraten, aber auch Monarchen – von Napoleon bis zu Friedrich II . von Preußen – trugen. Im Volksmund hieß dieser lächerliche Kopfschmuck auch Nebelspalter wegen seiner aggressiv nach vorne ragenden Ecke. Dass der gesunde Menschenverstand den angestrebten Zweck des Dreispitzes durchaus verstand und insgeheim belächelte, zeigt sich auch daran, dass ihn Karnevalsfunktionäre als Attribut der Narrenherrschaft übernommen haben.
Der Schirmmütze könnte diese Verballhornung kaum widerfahren. Sie wirkt zu militärisch-streng, um Heiterkeit auszulösen. Das haben ihre Gestalter im Dritten Reich und Österreich richtig erkannt. Erstaunlich scheint indes etwas anderes: ihre rasche weltweite Verbreitung. Man sollte meinen, dass sich die deutschen Schirmmützenträger des Dritten Reichs im Ausland nicht gerade Freunde gemacht haben. Umso verwunderlicher ist es, dass Deutschlands Kriegsgegner, einer nach dem anderen, ausgerechnet eines der auffälligsten Attribute der deutschen Offiziersunifom übernahmen, eben die Schirmmütze. Betrachten wir einmal die Bildergalerie auf Seite 204. In der ersten Reihe sehen wir von links nach rechts den »Führer«, einen US -Konteradmiral,einen japanischen General und einen sowjetischen Gardeoffizier; in der zweiten Reihe zunächst einen chinesischen Offizier und den berühmt-berüchtigten libyschen Oberst Muammar al-Gaddafi. Danach wird es besonders interessant. Fünf Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs tönte der damalige Bundestagsabgeordnete Franz Josef Strauß: »Jedem Deutschen, der jemals wieder ein Gewehr in die Hand nimmt, soll der Arm verdorren!« Aber noch weitere fünf Jahre später, genau genommen am 5. Mai 1955, entstand in Westdeutschland die Bundeswehr. Als eines ihrer wichtigsten Uniformattribute übernahm sie, wen wundert’s, die Schirmmütze. Weil ihr das Modell aus dem Dritten Reich indes offenbar nicht imposant genug erschien, bekam das Nachkriegsmodell einen eleganten Schwung in der oberen Platte, womit die Frontseite noch rund fünf Zentimeter höher wurde als bisher. Hätte man damals bereits Facebook gekannt, dann hätte man in diesem Medium sicher den Vermerk entdeckt: Einer ganzen Reihe anderer Staaten gefällt das. So tragen unter anderem US -Militärs und italienische Polizeioffiziere heute das neue deutsche Modell. Bild drei in der zweiten Reihe unserer Galerie zeigt einen deutschen Hauptmann mit diesem martialischen Kopfschmuck. Und jetzt kommt das Erstaunlichste: Der Mann rechts neben ihm ist ein israelischer Polizeiminister. Wenn der wüsste, dass er stolz ein verbessertes, weil übersteigertes, Nazikäppi auf dem Kopf trägt!
1. Reihe (von l.
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