Das Licht der Flüsse
kleinen Zwischenfall anzuspielen, und auch in seinem Buch
An Inland Voyage
gibt es einige Hinweise auf misstrauische Beamte und Gefängnisaufenthalte. Die ganze Geschichte erzählte er einige Jahre später
etwas weitschweifig in einem anderen Buch,
Across the Plains
.
Zusammen mit Simpson plante er eine weitere Reise, die im Kanu auf der Schelde und dem Willebroek-Kanal durch Belgien, auf
der Sambre und der Oise, dann auf Saône und Rhône durch ganz Frankreich bis ans Mittelmeer führen sollte. Die Notizen wollte
er später für eine umfangreiche Reiseerzählung nutzen, um durch einen Bucherfolg die finanzielle Abhängigkeit von seinen Eltern
zu beenden und seinem skeptischen Vater zu beweisen, dass er als Schriftsteller sein Auskommen finden könne. Der erste Teil
der großen Flussfahrt sollte im Sommer 1876 stattfinden, der zweite im folgenden Jahr – ein Plan, der jedoch nicht in die
Tat umgesetzt wurde.
Stevenson (
Arethusa
) und Simpson (
Cigarette
) brachenrecht spät, am 25. August, in Antwerpen auf, legten einen Teil der Strecke, von Brüssel nach Maubeuge, mit dem Zug zurück
und beendeten die Kanufahrt am 15. September in Pontoise. Die restlichen Spätsommertage verbrachten sie wie im Vorjahr in
der Künstlerkolonie in Grez-sur-Loing, wo sie einige alte Gefährten wiedersahen und neue Bekanntschaften schlossen, die vor
allem auf Stevensons künftigen Lebensweg einen entscheidenden Einfluss ausüben sollten. Lloyd Osbourne schildert in seiner
kleinen Skizze (s. S. 148–151) des Lebens in Grez-sur-Loing lebhaft die erste Begegnung mit dem exzentrischen Schotten, der
einige Jahre später und nach etlichen Irrungen und Wirrungen seine Mutter Fanny Vandegrift Osbourne heiratete.
In den Monaten, in denen Stevenson seine Reiseerinnerungen zu Papier brachte, war die Beziehung zu Fanny, die mit einem zwanghaft
untreuen amerikanischen Glücksritter verheiratet war, keineswegs gefestigt. Er schwankte häufig zwischen tiefen Depressionen
und hoffnungsvollen Zukunftsplänen. Die junge Liebe und der Wunsch, die Geliebte mit einem schriftstellerischen Erfolg zu
beeindrucken, verliehen seiner Feder neuen Schwung, so dass es ihm scheinbar mühelos gelang, aus ein paar Ferientagen auf
den Flüssen Frankreichs ein Buch zu machen, dessen lebendige Schilderungen und philosophische Exkurse man mit Freude und Gewinn
liest, nicht zuletzt mit dem Gefühl, bei der Lektüre gemeinsam mit dem Autor eine willkommene Auszeit genommen zu haben. Stevenson
schildert nicht nur die amüsanten Begegnungen mit Fischern, Bauern, Fährleuten, Handelsreisenden und Schaustellern, er vermittelt
gleichzeitig ein Lebensgefühl, das die Reise und den Müßiggang alsnatürlichen Zustand feiert, während die Mühsal des Alltags und des Geldverdienens zur lästigen Randerscheinung menschlicher
Existenz verblasst. All dies gipfelt in einer mystischen Grenzerfahrung, einer »Apotheose der Benommenheit«, die aus der schlichten
Kanufahrt eine Reise in die Tiefe des Unbewussten macht, die zumindest andeutungsweise Aldous Huxleys experimentellen Schritt
durch die »Pforten der Wahrnehmung« vorwegnimmt und die älteren Texte zu diesem Thema von Thomas De Quincey und Charles Baudelaire
um neue Ideen erweitert. Der größte Gewinn der Reise war, laut Stevenson, ein gewisser Geisteszustand, eine ekstatische Betäubung,
eine nüchterne Trunkenheit, ein weltliches Nirwana, in dem die Grenze zwischen »Ich« und »Nicht-Ich« neu definiert und erlebt
wurde. Glücklicherweise verliert der Autor dabei nie seinen erfrischenden Humor: »Schade um das Geld für Laudanum, wenn es
ein besseres Paradies umsonst gibt!«, schreibt er in Anlehnung an Baudelaires »künstliche Paradiese«.
Die Veröffentlichung von
An Inland Voyage
brachte Stevenson ermutigende Anerkennung und Lob. Die Rezensionen, die freilich überwiegend von Bekannten und Freunden des
Autors verfasst wurden, schwärmten vom Charme des unprätentiösen Werks. Aber auch bedeutende Persönlichkeiten wie George Meredith
äußerten sich wohlwollend, und eine literarische Gesellschaft in Oxford bezeichnete es sogar als »das beste Beispiel englischer
Sprache in diesem Jahrhundert«.
An Inland Voyage
war das erste einer Reihe von Reisebüchern Stevensons, die den Humor und den Charme des Debüts aufzugreifen versuchten, ohne
allerdings dessen liebenswerteMischung aus Unbeschwertheit und Melancholie zu erreichen.
Travels with a Donkey in the
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