Das Licht der Hajeps - Entscheidungen (German Edition)
Verdammt, warum hatte sie nicht schon vorher auf Stimmen, auf Geräusche in der Ferne geachtet? Sie hatte eigentlich auf nichts geachtet, war viel zu beschäftigt mit ihren Zähnen, mit ihrem komischen Körper gewesen. Ganz klar, dass sie jetzt in der Patsche saß. Was konnte sie jetzt am besten tun? Sie warf einen schnellen Blick über die Schulter zurück auf das Mädchen und plötzlich hatte sie eine Idee! Die auszuführen war eigentlich recht makaber und würde sie wohl einige Überwindung kosten, aber im Grunde war das wohl kein so schlechter Einfall.
„Amar, xabura lumanti! Wente!“ hörte sie etwas später leise die seltsame Männerstimme zischeln und dann schaute sie direkt in die triumphierend blitzenden Augen des eines Hajeps. Er hatte eine kleine Handfeuerwaffe auf Margrit gerichtet und rief mit energische Stimme aufgeregt seinen Kameraden zu: „Pla wan tan!“ Er wies, mit dem Finger wild herumfuchtelnd, auf Margrit. „Tan wan udil jadak!“ Die vier Hajeps bewegten sich nun, an Büschen und moosigen Baumstämmen vorbei, siegessicher auf Margrit zu. Eigentlich hatte ihnen Rekomp Japongati befohlen, nur nach der Ursache des fürchterlichen Knalls zu suchen und sie hatten angenommen, dass hier in der Nähe irgendetwas Sonderbares passiert sein musste.
Margrit kam mit erhobenen Händen zögernd aus dem Gebüsch hervor und starrte die Meute mit großen, entsetzten Augen an.
„Du Marktstramm?“ fragte der Hajep, denn sie hatten Diguindi leider nicht mit dabei.
Margrit zuckte verständnislos mit den Achseln, dabei direkt in die Mündung seiner Waffe starrend.
Die Hajeps stutzten und blickten ihren Truppenführer fragend an. Dieser beäugte Margrit nun etwas gründlicher, besonders lange haftete dabei sein Blick auf dem merkwürdigen Rock und auf dem Kopftuch.
Margrit raffte nun ihre spärlichen Spanischkenntnisse zusammen und piepste kläglich mit verstelltem Stimmchen: „No disparar por favor!“
„Zigas!“ meinte nun einer der Hajeps abfällig von hinten und die anderen drehten sich nach ihm um.
„Akir, Zeukner!“ bestätigte noch jemand eifrig.
Da blickte der Truppenführer seine Untergebenen der Reihe nach kopfschüttelnd an und runzelte aufgebracht die Stirn: „Zigeuner!“ verbesserte er sie und hob belehrend den Zeigefinger. „En wed icht plonon Deutsch!“
Woraufhin der gesamte Trupp zu Margrits Freude tatsächlich kehrt machte, wohl um keine Zeit mehr zu vertun.
Margrit konnte ja nicht wissen, dass die Soldaten Order erhalten hatten, in den nächsten vierundzwanzig Stunden keine weiblichen Lumantis zu töten, so lange die gesuchte Person nicht aufgegriffen worden war. Sie senkte die Arme, spuckte noch einen Zahn aus und dann lauschte sie für ein Weilchen aufmerksam in die Ferne, um dann schnellstens fortzuschleichen. Ihr Ziel war das Zigeunerlager, zu welchem dieses Mädchen gewiss gehört hatte. Sie musste es finden, koste es, was es wolle! Vielleicht fand sich dort jemand, der Margrit endlich aus diesem Gefahrengebiet heraus bringen konnte! Sie schlüpfte in die Schuhe des Mädchen und zuckte schmerzerfüllt zusammen, denn der eine oder andere Zehnagel war während der langen Flucht abgebrochen, doch die Schuhe, Margrit war glücklich, passten. So humpelte sie beruhigt weiter.
Ihr war bekannt, dass sich viele deutsche Familien den Zigeunern anschlossen und ihnen hohe Tribute zahlten, um sie auf ihren Touren begleiten zu dürfen, nur um den ständigen Attacken der Hajeps zu entrinnen. Durch ihr Leben auf ständiger Wanderschaft kannte sich niemand besser in Europa aus als die Zigeuner. Sie kannten viele Schlupfwinkel, geheime alte Wege, denn stets war dieses Volk neugierig und unternehmungslustig gewesen. Selbst der zunehmende technische Komfort der modernen Welt hatte nicht vermocht, die Eigensinnigkeit, festen Traditionen und Familienbande der Zigeuner zu zerstören. Mit großer Schnelligkeit wurden zwischen den Mitgliedern der miteinander bekannten Familien wichtige Neuigkeiten verbreitet. Es war gefährlich, sich mit Zigeunern anzulegen, und es war schwer sie zu finden!
Nachdem Margrit eine Weile durch den Wald gelaufen war und sich dabei gründlich von sämtlichen Hautpellen an ihrem Körper befreit hatte, über dem inzwischen völlig kahlen Kopf trug sie das Kopftuch und so sah sie eigentlich recht manierlich aus, stolperte sie plötzlich über einen ziemlich spitzen Gegenstand, der im Weg gelegen hatte. Sie bückte sich, begrüßte es sehr, dass sie Schuhe trug und
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