Das Licht der Hajeps (German Edition)
mokierte er sich. „Dabei solltest du dich schämen, auf einen Typ reingefallen zu sein, der in Wahrheit ein kaltblütiger Mörder ist.”
Sie runzelte die Stirn. „Aber dieser Dörfler kann doch auch gut selber den Berg hinauf geklettert sein und dann …“
Paul verzog sarkastisch grinsend sein Gesicht. „Und dazu zieht er sich erst die Schuhe aus und entledigt sich seiner guten Armbanduhr, ja?“
„Hatte der etwa eine um?“ fragte Margrit ungläubig.
„Ja und zwar eine sehr gute. Ich kenne mich da aus. Ich hatte vor dir eine Bekannte, die“, er räusperte sich ein wenig verlegen, „Uhrmacherin war.“
„Hmmmm“, Margrit stützte nachdenklich ihr Kinn in die Hand, „und du meinst also, dass George all diese Dinge an sich genommen hatte, bevor er ihn“, sie erbleichte und sah dabei erschrocken zu Paul hinauf, „hinabgestoßen hat?“
Paul nickte und nahm Margrit wieder in seine Arme. „Du musst dich damit abfinden. Dein Glaube an das Gute in Ehren!“
„Aber”, begann sie sich wieder zu trösten, „zumindest kann George dann kein Hajep sein! Was soll schon ein Hajep mit einer alten Armbanduhr oder gar mit gebrauchten Schuhen? Oh“, sie fuhr erschrocken herum, „vielleicht befindet sich der wahre Mörder noch in der Nähe! Wir sollten lieber machen, dass wir von hier wegkommen.“
„Der wahre Mörder ... soso! Und George könnte doch ein Hajep sein!”
„Warum?”
„Na, Hajeps sammeln die seltsamsten Dinge! Wusstest du das nicht?“
„Du meinst, George hat als waschechter Hajep den Dörfler wegen seiner alten Stinkeschuhe ermordet?” Sie kicherte nun doch in sich hinein.
„Und wegen der Uhr, das darfst du nicht vergessen!” beharrte er trotzdem.
„Ach, und du bist ganz und gar nicht rechthaberisch, nein?” brachte sie gluckernd hervor.
Wieder rutschten sie die Felsen mehr hinab, als dass sie hinunterkletterten. Schnell waren sie unten mit etlichen Steinen und Felsbröckchen gelandet.
„Und ... was habt ihr gesehen?“ kamen ihnen sofort Julchen und Tobias neugierig entgegengestürmt. Elfriede war verhindert, denn sie suchte wieder mal nach Munk.
„Och, nichts Besonderes“, antwortete Margrit, noch ehe Paul den Mund geöffnet hatte, „ein kleines Reh hat sich leider verletzt, aber seine Mama wird es sicher gesund pflegen.“
„Ja, das machen Mamas!“ Tobias strahlte Margrit begeistert an und Julchen legte ihre dünnen Ärmchen um sie.
Die nächsten Stunden waren schrecklich. Zwar hatten sie den Kater gefunden, aber auf ihrem Weg gab es einfach keine größere Höhle oder wenigstens eine schützender Felsspalt, in dem sie alle hätten Platz finden.
Alle waren sich einig, dass es mit zunehmender Dunkelheit gefährlicher sein würde, nach Verstecken zu suchen. So kam man auf die Idee, dass es wohl am besten wäre, wenn sich jeder irgendwo einzeln versteckte. Die Kinder hatten aber Angst davor und so entschloss sich Paul, sie in seine Höhle höher hinauf zu tragen. Muttsch, die in ihrem Alter nicht mehr die Felsen hinauf konnte, suchte sich ein Plätzchen Parterre und Margrit kauerte sich in eine winzige Höhle, die sie zwischen zwei großen Felsen entdeckt hatten.
Wie üblich breitete sie dort auf dem Boden ihre Decke aus, blieb aber lange wach. Eng mit dem Rücken an die kalten Steine gepresst, starrte sie in den sternenübersäten Himmel. Sie musste über so vieles, was während ihrer langen Flucht geschehen war, nachdenken. Und schließlich tauchten die alten Fragen auf, die schon zum nächtlichen Ritual geworden waren. Hatte überhaupt alles Fliehen einen Sinn? Und dann kamen die neuen hinzu. Wer mochte wohl dieser George wirklich sein? War er gar kein Hajepforscher und nur ein Herumtreiber und Mörder? Die Höhle war so winzig, dass Margrits lange Beine hinausragten. Zwar wuchs viel Gestrüpp drum herum, aber wer hier umher schlich, musste das sehen.
Margrit fuhr hoch. Komisch, die ganze Zeit hatte sie nun schon so gelegen und plötzlich diese dämliche Angst! Sie zitterte jetzt sogar, denn sie musste plötzlich an Mariannas schreckliches Ende denken. Nein, so etwas wollte sie nicht erleben oder Paul zumuten oder ihrer Mutter oder gar den Kindern! Tja, was war, wenn denen nun etwas in ihrer Abwesenheit geschah?
Sie stand auf und beschloss, nach ihnen zu suchen, obwohl sie wusste, dass das völlig idiotisch war, denn die Taschenlampe hatte Paul.
„Also doppelt blöd!“ murmelte Margrit leise vor sich hin. Zum Glück konnte man hier nicht abstürzen. Dazu war
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