Das Licht der Phantasie
Pfeil.
Unterdessen zog Trymon den schweren und zwei Meter hohen Spiegel in die Mitte der Kammer. Wenn ich das Oberhaupt des Ordens bin, dachte er, latsche ich bestimmt nicht in Bommelpantoffeln durch die Gegend.
Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß Trymon felsenfest davon überzeugt war, die jungen Zauberer könnten wahrhaft erstaunliche Leistungen vollbringen – wenn sie nur endlich Gelegenheit bekämen, die Stelle der verkalkten Firlefanzmagier einzunehmen und zu beweisen, daß Alter nicht ein Mehr an Weisheit bedeutete, sondern mentale Verkleisterung. Derzeit aber spürte er zu seiner eigenen Überraschung, wie sich Neugier in ihm regte. Interessiert beobachtete er den Narren namens Wetterwachs und fragte sich, was er plante.
Es hätte ihm vermutlich eine gewisse Befriedigung bereitet zu hören, daß sowohl Galder als auch Skrelt Wechselkorb von völlig irrigen Annahmen ausgingen.
Galder trat vor den Spiegel und ruderte einige Sekunden lang mit den Armen, woraufhin sich das Glas erst trübte und dann aus der Vogelperspektive den Wald von Skund zeigte. Wetterwachs behielt die winzigen Bäume im Auge, während sein Pfeil zur Decke zeigte. Trymon hörte, wie der ältere Magier leise vor sich hinbrummte, und er glaubte Bemerkungen zu verstehen wie: »Berücksichtige eine Windgeschwindigkeit von etwa drei Knoten« und »Auf die Temperaturunterschiede achten.« Mit einer eher enttäuschenden magischen Geste ließ er den Pfeil von der Sehne schnellen. Wenn die Gesetze von Ursache und Wirkung wirklich überall gültig waren, hätte der Schaft nur einige Meter weit fliegen dürfen und dann zu Boden fallen müssen. Aber niemand achtete auf das Gebot.
Der Pfeil raste davon und verschwand im Spiegel. Nun, es ist nicht leicht, das dabei ertönende Geräusch zu beschreiben. Der Vollständigkeit halber soll an dieser Stelle folgendes hinzugefügt werden: Man denke an ein klirrendes ›Pling!‹ und stelle sich außerdem vor, drei Tage lang in einem Radiogeschäft zu arbeiten, in dem alle Apparate (insgesamt genau achtundfünfzig) auf volle Lautstärke gedreht sind.
Galder ließ den Bogen sinken und lächelte.
»Natürlich dauert es etwa eine Stunde, bis der Pfeil das Ziel erreicht«, sagte er. »Und dann folgt der Zauberspruch dem ionisierten Weg, der hierher zurückführt. Zu mir.«
»Bemerkenswert«, kommentierte Trymon. Aber jeder halbwegs begabte Telepath hätte in zehn Meter hohen Blockbuchstaben gelesen: Warum zu dir und nicht zu mir? Er blickte auf die wüste Werkbank herab und entdeckte in dem wirren Gerümpel ein langes und herrlich scharfes Messer, das ihm zuzunicken schien, als er einem ganz bestimmten Gedanken nachhing.
Eigentlich war ihm Gewalt zuwider, vor allen Dingen dann, wenn sie ihn selbst betraf, doch sie schien ein angemessenes Werkzeug zu sein, wenn es darum ging, dem Schicksal ein wenig nachzuhelfen. Das Buch über die Pyramide von Tsort ließ keinen Zweifel daran, welche Belohnung denjenigen erwartete, der die acht Zaubersprüche zum richtigen Zeitpunkt vereinte. Und Trymon wollte nicht die Früchte jahrelanger harter Arbeit verlieren, nur weil ein alter Narr eine gute Idee hatte.
»Möchtest du einen Kakao, während wir warten?« fragte Galder, tappte durchs Zimmer und griff nach der kleinen Glocke, die dazu diente, Bedienstete herbeizurufen.
»Gern«, sagte Trymon. Seine Finger schlossen sich um das Messer, und nachdenklich wog er es in der Hand. »Ich gratuliere dir, Meister. Du hast mir gerade gezeigt, daß wir alle wesentlich früher aufstehen müssen, wenn wir es mit dir aufnehmen wollen.«
Galder lachte. Und das Messer raste mit solcher Geschwindigkeit auf ihn zu, daß es tatsächlich ein wenig kürzer und schwerer wurde – der Grund dafür ist die natürliche Trägheit des Lichts auf der Scheibenwelt. Nun, um nicht abzuschweifen: Die Klinge zielte genau auf den Nacken des alten Zauberers, und es fehlten nur noch wenige Zentimeter, als…
Als sie auswich und die Haut nicht einmal ritzte. Sie umkreiste Galder, wie ein Mond aus geschliffenem Stahl, so geschwind, daß der alte Mann den Eindruck erweckte, einen metallenen Kragen zu tragen. Wetterwachs drehte sich um, und Trymon fand, daß er plötzlich einen halben Meter größer geworden war und wesentlich mächtiger aussah.
»Früher aufstehen?« wiederholte Galder fröhlich. »Ach, mein lieber Trymon, ihr dürft euch erst gar nicht schlafen legen.«
» N och ein Stück Tisch gefällig?« fragte Rincewind.
»Nein,
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