Das Licht der Phantasie
Hand auf den Mund.
»Sei still!« zischte ein Zauberer im dritten Rang. »Sie könnten uns hören!«
»Wer denn? Die Burschen von der Bruderschaft der Blender, Täuscher und Hereinleger versinken gerade im Sumpf, und die Idioten vom Ehrwürdigen Konzil der Seher brauchen offenbar Brillen: Sie sind in der falschen Richtung unterwegs.«
»Ja«, brummte der jüngste Zauberer. »Aber wer spricht dauernd zu uns? Es heißt, dies sei ein magischer Wald voller Kobolde, Werwölfe und…«
»Bäume«, ertönte eine Stimme aus der Dunkelheit über ihnen. Sie klang ziemlich hohl und knorrig.
»Genau«, bestätigte der jüngste Magier. Er nuckelte an seinem Stummel und schauderte.
Das Oberhaupt der Gruppe spähte über einen Felsen und beobachtete die Hütte. »Also schön«, sagte er und klopfte die Pfeife an der Sohle seines Siebenmeilenstiefels aus, der daraufhin ein protestierendes Quietschen von sich gab. »Wir stürmen ins Haus, schnappen sie uns und verschwinden wieder, einverstanden?«
»Bist du ganz sicher, daß es nur Menschen sind?« erkundigte sich der jüngste Zauberer nervös.
»Natürlich bin ich das«, knurrte der Anführer. »Wen erwartest du denn? Drei Bären?«
»Es könnten Ungeheuer sein. Dies ist genau die Art von Wald, in dem es von Monstren wimmelt.«
»Und Bäumen«, fügte eine freundliche Wipfelstimme hinzu. »Ja«, gestand der Anführer zögernd ein.
S keptisch betrachtete Rincewind das Bett. Es war ein recht hübsches Bett, vorausgesetzt natürlich, man fand ästhetischen Gefallen an Kissen und Decken, die aus Sahnekaramellen bestanden – und einem Rahmen aus Vollmilchnuß-Schokolade. Aber der Zauberer verspeiste es lieber, anstatt darin zu schlafen. Und es sah ganz danach aus, als sei vor ihm schon jemand anders auf diesen Gedanken gekommen.
»Jemand hat mein Bett angebissen«, klagte er.
»Ich mag Karamelbonbons für mein Leben gern«, verteidigte sich Zweiblum. »Und die Schokolade ist ebenfalls nicht zu verachten.«
»Wenn du nicht aufpaßt«, sagte Rincewind langsam, »kommt die komische Fee und holt sich deine Zähne.«
»Nein, Elfen«, berichtigte Swires, der auf der Frisierkommode stand. »So etwas machen nur Elfen. Manchmal haben sie es auch auf Zehennägel abgesehen. Sind recht unliebsame Zeitgenossen.«
Zweiblum ließ sich schwer auf die Bettkante sinken.
»Das siehst du völlig verkehrt«, erwiderte er. »Elfen sind großmütig, wunderschön, weise und gut. Ich bin sicher, das habe ich irgendwo gelesen.«
Swires und Rincewinds Kniescheibe wechselten einen kurzen Blick.
»Ich glaube, du meinst andere Elfen«, sagte der Gnom langsam. »Wir müssen uns hier mit der übleren Sorte abplagen. Nun, man kann sie nicht gerade jähzornig nennen«, fügte er rasch hinzu. »Jedenfalls sollte man das lieber lassen, wenn man Wert darauf legt, die Zähne im Mund nach Hause zu tragen.«
Nur wenige Sekunden später hörten sie das charakteristische Geräusch einer sich öffnenden Nougattür. Gleichzeitig ertönte auf der anderen Seite des Knusperhäuschens ein leises Klirren, so als bemühe sich jemand, ein Malzzuckerfenster so vorsichtig wie möglich einzudrücken.
»Was war das?«
»Was meinst du?« fragte Rincewind. »Die Tür oder das Fenster?«
Es knisterte, als ein dicker Zweig – oder Knüppel – über das Fenstersims strich. »Böse Elfen!« rief Swires, sauste über den Fußboden und verschwand in einem Mauseloch.
»Was sollen wir jetzt machen?« fragte Zweiblum.
»In Panik geraten?« entgegnete Rincewind hoffnungsvoll. Er glaubte fest daran, Panik sei der mit Abstand beste Überlebensmechanismus. In der Urgeschichte, so hieß es allgemein, konnte man jene Menschen, die sich mit einem hungrigen Säbelzahntiger konfrontiert sahen, in zwei Gruppen einteilen: Die eine geriet in Panik und floh, während die andere ebenso gelassen wie dumm stehenblieb und Bemerkungen von sich gab wie »Was für ein hübsches Tierchen!« oder »Komm her, Miezekätzchen.«
»Dort ist ein Schrank«, sagte der Tourist und deutete auf eine schmale Tür zwischen der Wand und dem Schornsteinsockel. Rincewind und Zweiblum krochen in süße, muffige Finsternis.
Draußen knarrte eine Bodendiele aus Zartbitterschokolade. Jemand sagte: »Ich habe Stimmen gehört.«
Und ein anderer antwortete: »Ja, unten. Ich glaube, es sind die Blender, Täuscher und Hereinleger.«
»Hast du vorhin nicht behauptet, sie versinken gerade im Sumpf?«
»He, ihr beiden – ihr könnt die Hütte doch nicht einfach
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