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Das Licht der Phantasie

Das Licht der Phantasie

Titel: Das Licht der Phantasie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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aufessen! Was fällt euch ein…«
»Halt die Klappe!«
    Es knackte und knisterte, und wenig später ertönte im Kaminzimmer ein dumpfer Schrei. Ein Ehrwürdiger Seher war gerade durchs eingeschlagene Malzzuckerfenster geklettert und einem Blender, der sich unterm Tisch versteckte, auf die Finger getreten. Plötzlich zischte und fauchte Magie empor.
    »Blödmann!« erklang es von draußen. »Sie haben ihn erwischt! Los, auf sie drauf!«
    Eine Zeitlang krachte und polterte es, dann herrschte Stille. Nach einigen Sekunden flüsterte Zweiblum: »Rincewind, ich glaube, ich habe einen Besenstiel entdeckt.«
    »Na und? Vermutlich hat die Hexe ab und zu gefegt.«
    »Dieses Exemplar weist aber eine Lenkstange auf.«
    Genau in diesem Augenblick vernahmen sie einen gellenden Schrei. In der Dunkelheit hatte einer der Zauberer versucht, den Koffer zu öffnen. Gleichzeitig verkündete ein lautes Scheppern in der Küche die Ankunft der Erleuchteten Magier des Ungebrochenen Kreises.
    »Wonach suchen sie wohl?« hauchte Zweiblum.
»Keine Ahnung«, erwiderte Rincewind besorgt. »Und ich halte es für besser, in dieser Hinsicht nicht allzu neugierig zu sein.«
    »Vielleicht hast du recht.«
    Rincewind öffnete die Tür einen Spaltbreit. Das Zimmer war leer. Auf Zehenspitzen schlich er ans Fenster, blickte hinaus – und starrte auf die nach oben gerichteten Gesichter dreier Zauberer, die zur Bruderschaft des Mitternachtsordens gehörten.
    »Das ist er!«
Rincewind wich zurück und hastete zur Treppe.
Im Erdgeschoß erwartete ihn ein unbeschreiblicher Anblick. Aber da Olaf Quimby II. eine solche Bemerkung mit der Todesstrafe geahndet hätte, soll hier doch ein deskriptiver Versuch unternommen werden. Zunächst einmal: Die meisten der miteinander ringenden Zauberer versuchten, das Zimmer mit verschiedenen Flammen, Feuerbällen und magischen Irrlichtern zu erhellen, und das flackernde, blitzende und gleißende Glühen erinnerte an die turbulente Hektik in einer Stroboskopfabrik. Außerdem trachtete jeder danach, sich in eine Position zu bringen, von der aus er den Rest des Raums überblicken konnte, ohne angegriffen zu werden. Gleichzeitig bemühten sich alle Anwesenden, dem Koffer auszuweichen, der zwei Ehrwürdige Seher in die Ecke getrieben hatte und mit der geöffneten Klappe nach allen schnappte, die es wagten, sich ihm zu nähern. Ein Magier aber hob den Kopf und sah auf.
    »Da ist er!«
Rincewind sprang zurück, und irgend etwas stieß an seinen Rücken.
    Erschrocken wirbelte er herum und riß die Augen auf, als er Zweiblum erkannte, der auf einem Besenstiel hockte – auf einem Besen, der anderthalb Meter über dem Boden schwebte.
    »Offenbar hat ihn die Hexe hier zurückgelassen!« sagte der Tourist und strahlte. »Denk nur: ein echter magischer Besen!«
    Rincewind zögerte. Oktarine Funken sprühten von der Borste, außerdem haßte er Höhen mehr als alles andere. Doch das war nicht alles. Weitaus mehr fürchtete er sich vor einem Dutzend sehr zorniger und ausgesprochen übelgelaunter Zauberer, die gerade die Treppe hochstürmten und keinen Zweifel daran ließen, auf wen sie es abgesehen hatten.
    »Na schön«, sagte er. »Aber ich übernehme das Steuer.«
    Er trat nach einem Magier, der gerade einen Bannzauber formulierte, und schwang sich auf den Besenstiel, der die Treppe herabsauste und dann wieder aufstieg. Rincewind zwinkerte und sah in das verblüffte, wütende Gesicht eines Mitternachtsbruders.
    Verzweifelt zerrte er an dem Lenker.
    Mehrere Dinge geschahen gleichzeitig: Der Besen raste los und durchbrach die Wand in einer Wolke von Lebkuchenkrümeln; der Koffer eilte herbei und biß den Bruder ins Bein; und mit einem seltsamen Pfeifen erschien plötzlich ein Pfeil aus dem Nichts, verfehlte Rincewind nur um Haaresbreite und bohrte sich mit einem dumpfen Pochen in die Klappe der Truhe.
    Der Koffer löste sich auf und verschwand.
     
     
    I n einem kleinen Dorf tief im Wald warf ein alter Schamane einige Zweige ins Feuer, starrte durch den Rauch und musterte seinen verlegenen Novizen.
    »Eine Kiste mit Beinen?« wiederholte er.
    »Ja, Meister«, bestätigte der Schamanenlehrling. »Sie fiel vom Himmel herab und starrte mich an.«
    »Sie hatte also Augen?«
    »Nun…« begann der Novize und unterbrach sich verwirrt. Der alte Mann runzelte die Stirn.
    »Viele haben Topaxci gesehen, den Gott des Roten Pilzes, und sie verdienen es, Schamanen genannt zu werden«, sagte er. »Einige erblickten Skelde, den Geist des Rauches, und

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