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Das Licht der Phantasie

Das Licht der Phantasie

Titel: Das Licht der Phantasie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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resignierenden Blick auf ihn.
»Geduld«, antwortete er.
»Ich fasse es einfach nicht!« ertönte eine laute Stimme hinter ihnen.
    »Ich reite mit Cohen dem Barbar!«
    Der Ausruf stammte natürlich von Zweiblum. Seit dem Morgen – als er feststellte, die gleiche Luft zu atmen wie der größte Held aller Zeiten – verhielt er sich wie ein Affe, der den Schlüssel zu einer Bananenplantage erhalten hatte.
    »Meint er daf vielleicht ironif?« wandte sich Cohen an Rincewind. »Nein. Er ist immer so.«
    Cohen drehte sich im Sattel um. Zweiblum bedachte ihn mit einem strahlenden Lächeln und winkte stolz. Cohen schüttelte den Kopf und brummte:
    »Er doch Augen im Kopf, oder?«
    »Ja. Aber glaub mir: Sie funktionieren nicht so wie bei anderen Leuten. Ich meine… Nun, du erinnerst dich sicher an gestern abend, an die Jurte des Reitervolkes?«
    »Na klar.«
    »Würdest du mir zustimmen, wenn ich sage, daß das Zelt dunkel und schmutzig war und wie ein krankes Pferd stank?«
    »Ich halte daf für eine ziemlich genaue Befreibung.«
    »Zweiblum vertritt einen völlig anderen Standpunkt. Er ist der Meinung, es handelte sich um ein wundervolles Barbarenzelt, ausgestattet mit den Pelzen und Fellen wilder Tiere, die von tapferen, folkloristisch und ethnisch höchst eindrucksvollen Kriegern erlegt wurden. Er spräche von kuriosen Gerüchen einer Welt, die von der Zivilisation weitgehend unbefleckt geblieben ist, von einem malerischen Idyll, das in gefährlichen Überfällen auf Karawanen und dem Raub von Frauen aus anderen Stämmen besteht. Und so weiter, und so fort.« Rincewind sah Cohen an. »Im Ernst.«
    »Ift er verrückt?«
    »In gewisser Weise. Aber er hat eine Menge Geld.«
    »Ah, dann kann er nicht übergefnappt fein. Ich bin weit herumgekommen. Wenn jemand viel Geld hat, ift er nicht verrückt, fondern nur exzentriff.«
    Erneut drehte sich Cohen im Sattel um. Zweiblum erzählte Bethan gerade, wie Cohen der Barbar mit bloßen Händen die Schlangenkrieger des Hexenmeisters S’belinde besiegt und der Riesenstatue des Krokodilgottes Offler (die wörtliche Übersetzung dieses Namens lautete: Ich-hasseHandtaschen) den heiligen Diamanten gestohlen hatte.
    Das Faltengewirr in Cohens Gesicht formte ein verträumtes Lächeln.
    »Wenn du möchtest, fordere ich ihn auf, endlich die Klappe zu halten«, bot sich Rincewind an und überlegte, ob er den Trick mit dem Fausthieb wiederholen sollte.
»Glaubft du, dann würde er wirklich ftill fein?«
    »Nein, eigentlich nicht.«
    »Dann laff ihn ruhig fnattern«, sagte Cohen. Seine rechte Hand sank auf das Heft des Schwertes, dessen Glanz von jahrzehntelanger Benutzung kündete.
    »Wie dem auch fei«, fügte er hinzu. »Ich mag feine Augen. Fie sehen fünfzig Jahre weit.«
    Hundert Meter hinter ihnen stapfte der Koffer schwerfällig durch den Schnee. Niemand machte sich die Mühe, ihn nach seiner Meinung zu fragen.
     
     
    A m Abend erreichten sie den Rand der Hochebene und ritten durch einen düsteren Kiefernwald. Ein Schneesturm hatte nur dünnes Weiß auf den Ästen, Zweigen und Nadeln hinterlassen. Die Landschaft bestand überwiegend aus großen, geborstenen Felsen und Tälern, die so tief und schmal waren, daß der Tag dort nur zwanzig Minuten dauerte. Eine weite, urwüchsige und einsame Region, in der unheimliche Wesen lauern mochten, zum Beispiel…
    »Trolle«, sagte Cohen und schnüffelte.
    Rincewind blickte sich in der roten Dämmerung um. Felsen, die eben noch völlig normal aussahen, schienen plötzlich gespenstisch lebendig zu sein. Schatten, denen er vor wenigen Sekunden nur beiläufige Beachtung geschenkt hätte, wirkten jetzt bedrohlich finster und massiv.
    »Ich mag Trolle«, sagte Zweiblum.
»Dann solltest du deine Meinung rasch ändern«, erwiderte Rincewind. »Sie sind groß und schwer und finden großen Gefallen daran, Menschen zu verschlingen.«
    »Nein, daf ftimmt nicht«, widersprach Cohen, rutschte vorsichtig aus dem Sattel und massierte sich die Knie. »Ef ift ein weit verbreiteter Irrglaube, jawohl. Trolle effen keine Menfen.«
    »Nein?«
    »Nein. Fie fpucken Menfen auf. Können Leute wie unf einfach nicht verdauen, verftehft du? Der durchfnittliche Troll erhofft fich nichtf weiter vom Leben alf nur einen Klumpen Granit und vielleicht auch einen leckeren Kalkftein alf Deffert. Angeblich liegt daf daran, weil fie auf filiffia… filliffilium…« Cohen zögerte, und Rincewind befürchtete, daß sich in der Zunge des alten Mannes ein Knoten gebildet hatte. »Weil

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