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Das Licht der Phantasie

Das Licht der Phantasie

Titel: Das Licht der Phantasie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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ist…«
    Zweiblums Vortrag über zahntechnische Errungenschaften wurde jäh unterbrochen, als ihn irgend etwas am Kopf traf.
Der kleine Mond der Scheibenwelt kletterte mühsam übers Firmament. Er reflektierte nicht etwa den Glanz der Sonne, sondern erstrahlte im Licht vieler Lampen: In Seiner für Ihn typischen Gedankenlosigkeit hatte der Schöpfer vergessen, sie nach dem anstrengenden Schöpfungswerk auszuschalten. In ihrem Schein diskutierten Hunderte von Mondgöttinnen, die der Scheibenwelt keine besondere Beachtung schenkten und ganz damit beschäftigt waren, Unterschriften für eine Beschwerde über die Eisriesen zu sammeln.
    Dadurch entging ihnen ein interessanter Anblick: Rincewind unterhielt sich gerade mit einigen Felsen.
    Trolle gehören zu den ältesten Lebensformen im Multiversum und verdanken ihre Existenz einem frühen Versuch, eine biologische Evolution ohne schleimiges Protoplasma zu ermöglichen. Individuelle Trolle leben ziemlich lange: Sie hibernieren während des Sommers, um tagsüber zu schlafen, da Wärme sie träge werden läßt. Und natürlich zeichnen sie sich durch eine faszinierende Geologie aus. Nun, man könnte über Tribologie sprechen, die Halbleitereigenschaften unreinen Siliciums erwähnen und an die Riesentrolle der Urzeit erinnern, die die meisten Berge der Scheibenwelt bilden und einige recht ernste Probleme verursachen könnten, wenn sie jemals erwachen. Tatsache ist jedoch, daß die Trolle ohne das starke und allgegenwärtige magische Feld der Scheibenwelt längst ausgestorben wären.
    Bisher hat sich kein Bewohner Ankh-Morporks oder der anderen Orte die Mühe gemacht, so etwas wie Psychiatrie zu entdecken. Deshalb konnte niemand einen Tintenfleck aufs Papier klecksen und ihn Rincewind zeigen, um herauszufinden, ob sich im wackligen Gerüst seines Geistes irgendwelche Schrauben gelöst hatten. Was als Erklärung dafür angeführt werden mag, daß er das Erwachen der Trolle mit jener Art von Bildern beschrieb, die ein aufmerksamer Beobachter in flackernden Flammen oder dahinziehenden Wolken zu erkennen glaubt.
    In der einen Sekunde sah er einen völlig normal anmutenden Felsen, und in der nächsten verwandelten sich feine Risse im Gestein in breite Mäuler und spitz zulaufende Ohren. Und in der übernächsten – ohne eine drastische Metamorphose – starrte er plötzlich auf Rachen mit langen Reihen diamantener Zähne.
    Sie können mich nicht verdauen, erinnerte sich der Zauberer. Ich läge ihnen nur schwer im Magen. Sie bekämen Bauchschmerzen durch mich.
Hoffentlich wußten das auch die Trolle…
    »Du bist also der Magier Rincewind«, sagte der nächste Felsen. Es klang so, als liefe jemand über Kies. »Tja, ich weiß nicht… Ich hätte dich für größer gehalten.«
    »Vielleicht ist er ein bißchen erodiert«, vermutete ein anderer. »Immerhin handelt es sich um eine ziemlich alte Legende.«
    Rincewind rutschte unruhig hin und her. Er zweifelte kaum mehr daran, daß der Felsen unter ihm langsam die Form veränderte, und ein winziger Troll – nicht größer als ein Kieselstein – hockte gemütlich auf seinem Fuß und musterte ihn mit großem Interesse.
    »Legende?« wiederholte er. »Was für eine Legende?«
    »Sie wurde von den Bergen an den Schotter überliefert, seit der Abenddämmerung der Zeit 3 «, sagte der erste Troll. »›Wenn der rote Stern am Himmel erglüht, wird der Zauberer Rincewind kommen und nach Zwiebeln suchen. Es ist sehr wichtig, daß ihr ihm helft, am Leben zu bleiben.‹«
    Kurze Stille folgte.
»Das ist alles?« fragte Rincewind.
»Ja«, bestätigte der Troll. »Schon seit Jahrtausenden zerbrechen wir uns den Kopf darüber. Die meisten anderen unserer Legenden sind wesentlich aufregender. Damals war es viel interessanter, ein Felsen zu sein.«
    »Tatsächlich?« erkundigte sich Rincewind unsicher.
    »O ja. Wir hatten eine Menge Spaß. Überall gab es Vulkane. Mit anderen Worten: Zum Anbeginn der Zeit bedeutete es etwas, ein Felsen zu sein. Damals fehlte der sedimentäre Unsinn. Entweder man bestand aus Eruptivgestein, oder man existierte überhaupt nicht. Tja, inzwischen ist alles anders geworden. Die Leute, die sich heute als Trolle bezeichnen…
    Nun, manchmal sind sie kaum mehr als Schiefer. Oder nur Kreide. Ich wäre nicht besonders stolz darauf, wenn man mit mir zeichnen könnte. Du etwa?«
    »Nein«, erwiderte Rincewind sofort. »Nein, auf keinen Fall. Um auf die, äh, Legende zurückzukommen… Sie verbietet es euch, mich zu

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