Das Licht der Phantasie
willst ihm gratulieren ?« entfuhr es Rincewind. »Er hat das Oktav gestohlen! Und euch im Keller eingeschlossen!«
Die Zauberer wechselten wissende Blicke.
»Nun, tja«, meinte einer von ihnen, »weißt du, mein Junge, wenn du dich irgendwann in unserer Branche auskennst, wirst du dich der Erkenntnis beugen müssen, daß es manchmal in erster Linie auf den Erfolg ankommt.«
»Es spielt keine Rolle, wie man das Ziel anstrebt«, verkündete Wert unverblümt. »Wichtig ist nur, daß man es erreicht.«
Sie setzten den Weg nach oben fort.
Rincewind nahm Platz und starrte finster in die Finsternis. Jemand legte ihm die Hand auf die Schulter. Als er den Kopf drehte, sah er Zweiblum, der das Oktav in der Hand hielt.
»Es ist nicht richtig, ein Buch auf diese Weise zu behandeln«, sagte der Tourist. »Hier, sieh nur! Der Rücken ist eingeknickt. Ach, manche Leute haben vor nichts Respekt.«
»Ja«, brummte Rincewind und wünschte die ganze Welt zum Teufel. »Sei nicht betrübt.« Zweiblum versuchte ihn mit einem fröhlichen Lächeln aufzumuntern.
»Ich bin nicht betrübt, sondern wütend«, erwiderte Rincewind scharf. »Her mit dem verdammten Ding!«
Er nahm das Buch entgegen und schlug es grob auf.
Anschließend suchte er in den Hinterkammern seines Bewußtseins nach dem Zauberspruch, der sich sicherheitshalber hinter einigen ärgerlichen Gedanken versteckt hatte.
»Also gut«, knurrte er. »Du hast deinen Spaß gehabt und mein Leben ruiniert. Jetzt wirst du gefälligst an deinen angestammten Platz zurückkehren!«
»Aber ich…«, begann Zweiblum.
»Ich meine den Zauberspruch«, stöhnte Rincewind und fügte hinzu: »Los, spring auf die Seite!«
Er starrte so lange auf das alte Pergament, bis seine Augen schielten.
»Dann spreche ich dich eben aus!« rief er. Seine Stimme hallte durch den ganzen Turm. »Von mir aus kannst du dich zu den anderen gesellen. Ich hoffe, sie geben dir eine Tracht Prügel, weil du dich aus dem Staub gemacht hast!«
Er reichte Zweiblum das Buch und stapfte die Stufen hoch. Die Zauberer hatten inzwischen das obere Ende der Treppe erreicht und schoben sich durch die Luke. Rincewind folgte ihnen.
»›Mein Junge‹, hm?« brummte er. »›Wenn du dich in der Branche auskennst‹, wie? Ich habe jahrelang einen der acht Großen Zaubersprüche in meinem Kopf herumgetragen und nicht den Verstand verloren, oder?« Sorgfältig prüfte er alle Aspekte der letzten Frage. »Nein, mein Lieber, du bist völlig in Ordnung. Du hast es vermieden, mit Bäumen zu reden, als sie mit dir sprechen wollten.«
Heiße Luft schlug ihm entgegen, als er durch die runde Öffnung am oberen Ende der Treppe kletterte.
Er rechnete damit, rußgeschwärzten Stein zu sehen, in dem Klauen und Krallen tiefe Kratzer hinterlassen hatten. Er war sogar auf einen noch schlimmeren Anblick vorbereitet.
Statt dessen fiel sein Blick auf sieben stumme magische Meister. Trymon stand neben ihnen und schien bei bester Gesundheit zu sein. Er drehte sich um und musterte den Neuankömmling.
»Ah, Rincewind! Freut mich, daß du gekommen bist.«
Das wär’s also, dachte Rincewind. Zuerst diese Dramatik, und dann ein solcher Empfang. Vielleicht eigne ich mich wirklich nicht für die Kunst der Magie. Vielleicht…
Er sah in Trymons Augen.
Möglicherweise verdankte er die besondere Wahrnehmung dem Zauberspruch, der irgend etwas in seinem Hirn verändert hatte. Denkbar war auch, daß sie auf die Bekanntschaft mit Zweiblum zurückging: Der Tourist sah die Dinge immer nur so, wie sie sein sollten, und dadurch entwickelte Rincewind eine spezielle Sensibilität für die Wirklichkeit.
Welche Erklärung auch zutreffen mochte: Noch nie zuvor in seinem Leben war es ihm so schwergefallen, nicht sofort in Panik zu geraten, als er Trymon ansah. Er spürte, wie sich ihm in der Magengrube etwas zusammenkrampfte, und irgend etwas schnürte ihm plötzlich die Luft ab.
Die anderen schienen überhaupt nichts zu bemerken.
Und sie rührten sich nicht von der Stelle.
Trymon hatte vergeblich versucht, die sieben Zaubersprüche aufzunehmen. Rincewind erinnerte sich an den warnenden Hinweis auf magischen Wahnsinn und Löcher im Gefüge des Universums. Es war tatsächlich eine solche Strukturlücke entstanden, aber sie bestand natürlich nicht aus einem breiten Portal, das sich in den Mauern der Kerkerdimensionen öffnete und den Dingen gestattete, mit schwingenden Tentakeln und gierig aufgerissenen Rachen ins Diesseits zu marschieren – ein altmodisches
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