Das Licht der Toten: Roman (German Edition)
immer verstummt.
»Ja, mach’s dir nur bequem, Doc, denn nachher wird’s ein bisscheneng, wenn deine kleine Nutte hier noch mit einsteigt.« Dann erzählte Beck ihm, was genau er mit Polly vorhatte – etwas, das er am liebsten schon gleich von Beginn an getan hätte.
»Aber ich bin nicht der Typ, der anderen die Frau ausspannt«, sagte er, »es sei denn, die Partnerschaft befindet sich an einem … na ja, toten Punkt.«
Der Alexanderplatz war kein Wohlfühlort, kein Ziel, das man entschlossen ansteuerte, er war mehr Umschlagplatz, hektisch, laut, fordernd, mehr Passage denn Station, und trotz der bitteren Kälte und des Schnees liefen wie immer auch heute Tausende von Menschen hier herum.
Polly trieb durch die Menge von obskuren Infoständen religiöser und politischer Eiferer, mobilen Straßenverkäufern, Touristen, Studenten, Obdachlosen und Punks.
Der Brunnen der Völkerfreundschaft war umringt von Menschen, die sich an seine steinerne Haut lehnten, verweilten, kurz in sich gingen, sich sammelten, um der Stadt erneut zu trotzen oder mit ihr zu ziehen. Polly postierte sich am äußeren Wasserbecken, die Kapuze ihres Mantels über den Kopf gezogen, frierend, verängstigt. Aus den siebzehn Schalen im Inneren floss heute kein Wasser ab, zu kalt. Ihr müder Blick strich wie ein Hauch über den umlaufenden Fries mit den dort eingearbeiteten Tier- und Pflanzenmotiven.
Reiß dich zusammen.
Sie taumelte wie ein Boxer und spannte ihren Blick wie eine Armbrust an, denn irgendwo in der wirbelnden Masse von Menschen, die in ihren Winterklamotten ohnehin schon alle gleich aussahen, verbarg sich Beck, der ihr wie ein Torpedo immer näher kam.
Würde er es wagen, ihr hier etwas anzutun?
Sie wusste es nicht. Sie traute ihm alles zu.
Die Erkenntnis, dass Becks mörderische Energie so groß war,dass er selbst hier unter Zeugen einen weiteren Mord begehen würde, schnitt wie ein scharfes Messer durch ihren Kopf. Denn aufgrund seiner Aussagen auf den Kassetten wusste sie nun, dass Beck wahnsinnig und unberechenbar war. Ich werde nicht mit ihm gehen, dachte sie, also wird er es hier tun.
Er wird es tun.
Sie kam in die Gänge, plötzlich von neuem Leben erfüllt, ihrem eigenen, das sie schützen musste, wenn sie wollte, dass der Albtraum endete. Und gerade als sie sich von dem Brunnen wegbewegte, sah sie Becks Basecap, BERLIN, und wie er sich durch die anderen Körper schob, als gäbe es sie gar nicht. Er sah sie nicht, suchte nach ihr, und Polly umrundete den Brunnen und kroch förmlich in die Masse der Menschen hinein, benutzte sie als Deckung, immer Beck im Auge behaltend.
Alleine. Beck war alleine gekommen.
Auf dem Display leuchtete nur noch ein Balken auf. Im Internet-Café hatte sie sich die Nummer des LKAs aufgeschrieben.
Der Abteilung für Delikte am Menschen.
Ein Kollege rief Gottwald zu sich und reichte ihr den Hörer weiter.
»Das ist interessant, hör dir das mal an.«
Und Carla hörte, was Polly ihr in atemlos-springenden, gehetzten Sätzen erzählte. Sie unterbrach die junge Frau und sagte ihr, wo sie hingehen sollte, in ein Restaurant ganz in der Nähe. Sie griff sich das Holster mit ihrer Dienstwaffe und machte sich auf den Weg, um sie abzuholen und in Sicherheit zu bringen.
KAPITEL
EINUNDVIERZIG.
Die Zeichnung auf der linken Seite seines Schreibtisches verglich Abraham mit dem Fahndungsfoto von Magnus Beck.
»Datenspeicher sind doch so was Nützliches«, sagte Kleber, »und unser Engelchen hier ist wirklich gut getroffen. Scheint ein richtig kleiner Experte für Sauereien aller Art zu sein.« Ja, dachte Abraham, Alter: sechsundzwanzig; Einbruch, Körperverletzung, Brandstiftung, Drogenhandel.
»Sieh mal an, Totschlag ist auch dabei«, sagte er, als Becks Strafregisterauszug über den Bildschirm des Computers scrollte. Kleber blickte Abraham über die Schulter und schniefte hörbar.
»Kräftig genug sieht er ja dafür aus, erinnerst du dich an Levy und seine Theorie mit dem Kraftsportler, der Mann liegt goldrichtig, wir haben hier einen kleinen widerlichen Muskelprotz vor uns. Immer unter der Voraussetzung natürlich, das ist unser Mann in Sachen Markowitz/Beenhakker.«
»Nun, einen Menschen hat er mindestens umgebracht«, sagte Abraham. »Und wenn ich mir die Vorgeschichte so ansehe, dann wurde das ja auch irgendwann mal Zeit.«
»Nur seltsam, dass es nicht schon vorher geschah, bei seinen Einbrüchen, bei seinen Feuerspielchen.«
»Glück für ihn, aber noch mehr für die anderen. Nur der
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